Kurzgeschichte: Hans-Peter Günther findet seine auf dem Flohmarkt gekaufte Schreibmaschine nicht mehr
Es ist der 21. April, der dritte Samstag im Monat, Flohmarkttag auf dem Rathausvorplatz in Lörrach. Durch die Konzentration auf diesem Platz stehen alle Anbieter dicht an dicht und zudem kreuz und quer. Hans-Peter Günther aus Steinen hatte dort ein besonderes Erlebnis.
Steinen. „Es ist kein Raster zu erkennen, an dem man sich orientieren könnte. Die vorher zusätzlich verfügbare Fläche des Postvorplatzes fehlt besonders in den Sommermonaten für diesen Markt. Trotzdem ist er immer wieder interessant, und die Neugier treibt mich als Sammler alter Schreibmaschinen fast regelmäßig dahin. Zwar oftmals vergebens, die Anbieter kennen die Preise nicht, die Modelle sind schlecht erhalten, oder ich habe die entsprechende Maschine schon. Daher werde ich nur selten fündig.
Aber diesmal war es anders. Nachdem ich mehrere Male wahl- und ziellos hin- und hergelaufen war, stand sie zwischen all dem angebotenen Hausrat auf einem kleinen Tisch: eine ältere Erika-Kofferschreibmaschine.
Nach kurzer Preisverhandlung, nach der die Verkäuferin und ich zufrieden waren, bezahlte ich die Maschine. Ich bat die Verkäuferin, die Maschine am Stand zu deponieren, da ich mich noch ein wenig umschauen und die Kofferschreibmaschine nicht die ganze Zeit mit mir herumtragen wollte. Ich wollte sie später abholen.
Ich habe mir den Standort kurz gemerkt: Neben dem roten aufgeklappten Sonnenschirm, die Verkäuferin eine Dame mittleren Alters mit einem roten Hütchen und sehr freundlich. Sie stellte die Maschine unter den Tisch und wollte darauf aufpassen. Bis 14 Uhr sei sie am Stand, sagte die Verkäuferin.
Nun, so lange wollte ich gar nicht bleiben. Nach etwa einer weiteren Stunde hatte ich alles nochmals abgelaufen, angeschaut, aber nichts mehr entdeckt, was ich hätte kaufen wollen.
Auf also, meine Erika holen und zurück zum Auto. Aber wo war noch mal der Stand? Da stand kein roter aufgeklappter Sonnenschirm, und auch die Dame mit dem roten Hütchen konnte ich nirgends entdecken. Also nochmals durch die Reihen und diesmal den Blick unter die Tische gerichtet. Auch da sah ich keinen schwarzen Schreibmaschinenkoffer. Das gibt es doch gar nicht, es muss hier in der Nähe gewesen sein. Täusche ich mich denn so?, fragte ich mich.
Jetzt sah schon fast jeder Stand gleich aus. Die vor mir herschlendernden Flohmarktbesucher gingen mir nun alle viel zu langsam, und mein Puls und Blutdruck stiegen.
Wie konnte ich nur so dumm sein, und aus Bequemlichkeit die Maschine am Stand lassen, anstatt diese gleich mitzunehmen?
Also noch einmal, nun aber ganz in Ruhe: Neuen Standort ausgewählt und alles genau überblickt. Das Ergebnis: gleich null.
Ich konnte mich in dem Gewusel einfach nicht mehr erinnern, wo ich die Maschine gekauft und zurückgelassen hatte. Langsam gab ich auf. Den besagten Stand konnte ich nicht entdecken.
Ich habe mich nicht nur über den verlorenen Kaufpreis geärgert, den kann ich verschmerzen, als vielmehr über die Tatsache, dass die Anbieterin mich nicht angesprochen hat. Sie hätte meine suchenden Blicke doch bestimmt bemerken müssen, wenn ich an ihrem Stand vorbeigelaufen bin. Wenn ich sie schon nicht finde, hat sie mich denn nicht erkannt?
Es kann natürlich auch sein, dass ein Personalwechsel am Stand stattfand. Vielleicht hat ihr Mann übernommen und seine Frau abgelöst. Er hat dann die Maschine unwissentlich ein zweites Mal verkauft. Auch das ist nicht ausgeschlossen, es muss keine Absicht gewesen sein.
Ich habe daraus gelernt: Nimm mit, was du gekauft und bezahlt hast. Lieber einmal extra zum Parkplatz gelaufen, als wie diesmal mit leeren Händen.
PS: Sollte meine Verkäuferin dies lesen: Mein Name steht im Telefonbuch und ich nehme auch heute noch meine Erika mit offenen Armen auf.“
