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Steinen Reha-Maßnahme für eine betagte Schreibmaschine

Markgräfler Tagblatt
Hans-Peter Günther aus Höllstein, Autor von Kurzgeschichten. Foto: Harald Pflüger Foto: Markgräfler Tagblatt

Kurzgeschichte: Hans-Peter Günther über seine Sammelleidenschaft und einen Neuerwerb

Steinen. Hans-Peter Günther, Sammler von Schreibmaschinen und Autor von Kurzgeschichten, hat für unsere Leser eine neue Geschichte verfasst:

„Vielleicht werden Sie jetzt denken: Der schon wieder mit seinem Schreibmaschinen-Fimmel. Der hat doch wirklich einen Spleen. Das ist durchaus möglich. Aber solange mich meine Mitmenschen so nett auf diese Geschichten ansprechen, würde ich ihnen gerne die Lebenserinnerungen meiner Schreibmaschinen weitergeben. Obwohl es ja Schreibmaschinen sind, können diese mir das alles nur erzählen. Schreiben soll ich es dann.

Sehr viele Sammler wollen, gleichgültig der Anzahl ihrer Objekte, immer eines (oder auch zehn) mehr haben. Dieses Eichhörnchen-Gen muss auch ich in mir tragen. Also kam ich auf die Idee, in den Supermärkten Zettel auszuhängen, mit denen ich kund tat, dass ich Schreibmaschinen sammle und suche. Mit zwar mäßigem, aber doch mit Erfolg.

Unter allen Anrufen war einer vielversprechend. Aus einem benachbarten Ortsteil bot mir ein Herr eine „Ideal-Standard-Schreibmaschine“ an. „Ideal“ aus dem Hause Seidel & Naumann, Dresden. Sie kam aus der Geburtsstadt meiner „Erika“, war quasi deren große Schwester. Er bot mir sogar an, die Maschine vorbeizubringen. Da konnte ich nicht Nein sagen. Der Zustand sollte recht gut sein. Einige Tage später, ich glaubte eigentlich schon nicht mehr daran, klingelte es an der Tür. Tatsächlich, die „Ideal“ war da.

Der erste Weg mit ihr führte mich in meine kleine Werkstatt. Doch der Zustand war alles andere als gut. Die „Ideal “ muss sich in den 90 Jahren, die sie auf dieser Welt weilte, ganz schön herumgetrieben haben. Dem Aussehen nach könnte man sie fast als wohnsitzlos oder als Landstreicherin bezeichnen. Ihre Haut stumpf, die Gelenke von Rheuma befallen und ihre Füße knöchern und gebrochen.

Hier half nur noch ein Vollbad und anschließend ein Gesundheitscheck. Zur Zeit befindet sie sich in der Reha und wird nach erfolgter Gesundung als vollwertiges Schreibmaschinen-Familien-Mitglied von mir adoptiert. Sie sieht immer noch gut aus für ihr hohes Alter. Es könnte sein, dass sie in ihrem Leben viel durchmachen musste und für ihr Aussehen nichts kann.

Momentan wird sie von ihren Schwestern und Brüdern noch nicht so richtig akzeptiert, da sie immer noch ein bisschen nach Vollbad müffelt. Aber das wird schon noch. Nun steht sie mit ihren 90 Jahren in neuen Schuhen in der Schreibmaschinen-Senioren-Residenz und genießt ihren Lebensabend. Es sei ihr gegönnt.“

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