Steinen „Von Luther weit entfernt“

Markgräfler Tagblatt
Täglich anwendbar: Lutherol – ein Breitband-Theologicum für Geist und Seele. Foto: Anja Bertsch Foto: Markgräfler Tagblatt

Reformation: Meinungsstarker Vortrag von Pfarrer Jochen Eber im Gemeindezentrum

Mit einem meinungsstarken Vortrag unter dem Titel „Außer Thesen nichts gewesen?“ eröffnete Pfarrer Jochen Eber am Donnerstag im gut besuchten Gemeindezentrum den Veranstaltungsreigen der evangelischen Kirchen in Steinen anlässlich des Luther-Jubiläums.

Steinen-Höllstein (jab). Jochen Ebers Kernthese: Bei allem lautstarken Luthergedenken – der Pfarrer sprach in diesem Zusammenhang von „großem Tamtam“ und von „Reformationszirkus“ – komme die eigentliche Botschaft Martin Luthers in der evangelischen Kirche heute viel zu kurz: die Bibel als Kern des evangelischen Glaubens.

Befreiungsschlag

Das große Verdienst und der Befreiungsschlag Luthers nämlich sei es gewesen, das Evangelium als die allein gültige Norm der Kirche gegen sämtliche anderen damaligen Glaubensautoritäten vom Papst bis zu den Konzilen durchgesetzt und den Glauben damit dem Einzelnen überantwortet zu haben, sagte Eber.

Für diesen wesentlichen Inhalt der Reformation freilich seien die Thesen von 1517 schlicht nicht relevant gewesen. „Was wir heute feiern, ist reine Fiktion“, erklärte Eber: „500 Jahre Thesenanschlag? 500 Jahre nichts!“. Tatsächlich habe Luther seine – lateinischen – Thesen von 1517 keineswegs für ein breites Publikum verfasst, um das Volk aufzurütteln; auch werde darin beispielsweise noch keineswegs die Autorität des Papstes angezweifelt.

Ein treuer Diener

„Luther war damals noch ein treuer Diener seiner Kirche.“ Erst über weitere Reflexionen sei Luther in den Folgejahren „immer evangelischer“ geworden. Luthers Hauptschriften wie die Bekenntnisschriften und Katechismen, „Die babylonische Gefangenschaft der Kirche“ oder die „Freiheit eines Christenmenschen“ als eigentliche Auslöser der Reformation entstanden demnach erst im Jahr 1520.

Dass die Heilige Schrift ihre unangefochtene autoritative Kraft im Zentrum des Glaubens verlor, sieht Eber auch als Beiprodukt der Bemühungen, den Gottesglauben gegen die in der Aufklärung geborene Vernunftgläubigkeit zu verteidigen.

Als Beispiel nannte der Referent hier die Bemühungen von Friedrich Schleiermacher (1768 bis 1836): Dieser leitete den Inhalt des Glaubens nicht länger allein aus der Bibel ab, sondern quasi empirisch-statistisch daraus, was die Kirchenmitglieder eben so glaubten. „Es gilt das, was die Mehrheit der Leute für richtig hält.“ In ähnlichem Fahrwasser relativiere die evangelische Kirche heute die unbedingte Gültigkeit der Heiligen Schrift, so Eber mit Blick etwa auf eigens zum Reformationsjubiläum aufgelegte Ausführungen von offizieller Seite: Das „sola sciptur“ - allein die Schrift als Norm der Lehre und des Lebens – lasse sich demnach heute nicht mehr in gleicher Weise verstehen wie in der Reformationszeit, schreibt die EKD beispielsweise.

Perspektive auf die Bibel

Dem liege eine quellenkritisch-genetische Perspektive auf die Bibel zugrunde – die Frage also, unter welchen historischen Umständen die Texte entstanden sind. Über dieser wissenschaftlich-historisierenden Perspektive sei die autorisierende Perspektive auf die Bibel – das Wort Gottes als geltende Norm – verschütt gegangen.

„Das ist, als würde ich Gültigkeit und Sinnhaftigkeit des Rote-Ampel-Überfahren-Verbots allein deshalb bestreiten, weil neben Juristen vielleicht auch der Hausmeister eine Passage formuliert hat.“ . Ein falscher Ansatz, befand Eber – „damit haben wir uns von Luther weit entfernt.“ In diesem Sinne empfahl der Pfarrer die Rückbesinnung auf die Bibel und deren intensives Studium als Kern des evangelischen Glaubens. Ein Appell, der sich nicht allein an die direkten Zuhörer richtete, sondern auch an höhere Kirchenstellen: „Nur durch eine Rückkehr zur Heiligen Schrift gelingt dem Christentum die dringend nötige Erneuerung“, so Eber, denn: „Die Bibel allein macht die evangelische Kirche aus.“

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