„Eigentlich wollte ich höchstens 15 Jahre bleiben und danach an die PH wechseln“, gesteht Veit. Doch bei der Fortbildung von Lehrern sei ihm bewusst geworden, dass ihm die Kinder mit ihren „ehrlichen und direkten Rückmeldungen“ schnell fehlen würden. „Zwischendrin habe ich mich aber schon gefragt, ob es gut für die Schule ist, wenn ich 30 Jahre lang hier bin“, erzählt Veit. Um nicht ganz „betriebsblind“ zu werden, forderte er darum neue Kollegen nach einer gewissen Einarbeitungszeit auf, ihm eine ehrliche Rückmeldung und konstruktive Kritik zu geben, „damit Bewegung reinkommt“.
Auch zu den Schülern pflegt der Rektor eine vertrauensvolle Beziehung, die auf Gegenseitigkeit beruht: Eine vierte Klasse hat ihm zum Abschied sogar im neuen Schuljahr jede Woche einen Apfelkuchen gebacken und vorbeigebracht, bis alle an der Reihe waren. Veit betont: „Kinder geben Eltern und Erziehern einen riesigen Vertrauensvorschuss. Damit verantwortungsvoll umzugehen, ist eine ständige Herausforderung.“
Der Schulalltag hat sich in den 30 Jahren indes deutlich verändert: „Wir sind immer weniger Wissensvermittler und immer mehr Erzieher. Zudem hat das Differenzieren stark zugenommen, was sehr aufwendig ist, wenn man versucht, allen Kindern gerecht zu werden“, berichtet Veit. Und dann ist da natürlich noch die Digitalisierung. Die Mehrheit der Viertklässler hat laut Veit inzwischen ein Handy, und seit Corona gibt es auch einen Klassensatz Tablets.
„Das Unbeschwerte geht bei den Kindern immer mehr verloren“
Was ihm aufgefallen ist: „Das Unbeschwerte geht bei den Kindern immer mehr verloren.“ Früher wurde mittags einfach gespielt, und Wörter wie Viren oder gar Mutanten gehörten nicht zum Wortschatz eines Grundschülers. „Außerdem meine ich wahrzunehmen, dass die Bereitschaft nachgelassen hat, die anderen Menschen mit Empathie anzuschauen und sich ihnen gegenüber einfühlsam zu verhalten.“
Was sich in 30 Jahren nicht geändert hat: Seine Tür steht immer offen, und die Kinder schätzen dieses Angebot. Humor versteht Veit zudem als erzieherisches Motto und lebt es im Unterricht: „Man muss so souverän sein, dass man über sich selber lachen kann.“ Gleichzeitig kann er auch streng sein, wo es notwendig ist. Aber: „Wenn ich schimpfe, verwende ich Schimpfwörter, die zugleich versöhnlich sind – wie Stinktier zum Beispiel.“ Darum hat seine aktuelle Klasse zu Beginn des dritten Schuljahres auch diesen Namen gewählt, als sie auf der Suche nach einem Tiernamen war.
„Guten Morgen, liebe Stinktiere!“
Am Mittwoch heißt es nun zum letzten Mal „Guten Morgen, liebe Stinktiere!“ Danach folgt mittags die Verabschiedung. Aufgrund der Pandemie findet diese im überschaubaren Rahmen statt, was Veit nicht stört: „Ich stehe nicht gern im Mittelpunkt und habe doch nur meine Arbeit gemacht.“
Was folgt danach? Eine Weltreise mit dem Wohnmobil? Veit winkt ab: „Wir sind gerne hier zuhause und werden nicht mehr, sondern nur anders verreisen.“ Zudem erhofft er sich endlich mehr Zeit für seine 500-seitigen Schmöker aus dem Bücherregal. „Auf Entdeckungsreise im eigenen Haus gehen“, steht ebenfalls auf seiner Liste, und dann ist da ja noch das Laufen. Der leidenschaftliche Marathonläufer, den man schon mal früh morgens in Lörrach trifft, möchte an seinem Tempo feilen. Dazu singt er seit Jahren im Weitenauer Gesangverein.
„Langweilig wird mir bestimmt nicht“, vermutet Veit und grinst. Und wenn die Sehnsucht nach den Kindern doch zu groß wird? „Ich habe noch ein paar Ideen vorbereitet, die ich bei den jüngsten beiden Projekttagen anbieten wollte, diese sind aber coronabedingt ausgefallen.“ Es ist also gut möglich, dass Veit als Ruheständler irgendwann an seine ehemalige Wirkungsstätte zurückkehrt.