Steinen Zwei Gesellen gehen auf Wanderschaft

Gudrun Gehr
Ein Blick zurück ist nicht erlaubt. Foto: Gudrun Gehr

22 Zunftbrüder verabschiedeten die Gesellen Marek Läuger und Davin Schmidt auf traditionelle Art und Weise.

Ein ungewöhnliches Schauspiel gab es jüngst auf den Straßen von Weitenau: Eine Gruppe von 22 Zunftbrüdern der „rechtschaffenen fremden Maurer- und Steinhauergesellen“ sowie „der rechtschaffenen fremden Zimmerer- und Schieferdeckergesellen“ liefen an der Spitze einer mindestens 100 Personen umfassenden Dorfgemeinschaft zum Rathaus in Weitenau.

Auftakt zur Wanderschaft

Es war das Geleit für die jungen Handwerksgesellen Marek Läuger (Zimmerer) aus Weitenau und Davin Schmidt (Schreiner) aus Haltigen bei Weil am Rhein. Beide gingen auf „Walz“, also auf Handwerksgesellenwanderschaft. Die altgedienten Zunftbrüder hatten die jungen Burschen in ihre Mitte genommen und begleiteten diese im Tross zum Rathaus.

Die weiteste Anreise hatte ein Zunftkollege aus Kopenhagen. Auch der 84-jährige Maurermeister Eduard Wieck aus Steinen-Höllstein, der sich 1954 als frischgebackener Maurergeselle „fremdschreiben“ ließ – das heißt, man befindet sich auf Wanderschaft und darf nicht nach Hause- war mit von der Partie. Der in Rendsburg geborene Handwerker reiste damals per Anhalter und zu Fuß nach Jerusalem, nach Syrien, in die Türkei, dann in den Norden nach Dänemark und Schweden.

Die Mindestdauer seiner Walz, drei Jahre und ein Tag, hatte er mit fünf Jahren weit überschritten, das Fernweh packte ihn. Im Rückblick stellte er fest: „In die Welt hinausgehen ist viel einfacher, als wieder heimzukommen.“ Vor drei Jahren erhielt Wieck als „Zunft-Legende“ die diamantene Handwerksnadel für 60 Jahre „Fremdentum“, die er fortan an seiner „Ehrbarkeit“, der Krawatte, trägt.

Tradition seit Mittelalter

Mit dem „Spinnermarsch“ verabschiedeten die Handwerker die beiden Gesellen. Die Zunftmitglieder trugen fast alle die schwarze Kleidung, die Farbe der Ehrbarkeit: Die Samt- oder Manchesterweste mit schwarzen Biesen, die weiten Schlapphüte oder den Zylinder und schwarze Schuhe. Alle Zunftkameraden besaßen einen „Stenz“, meist ein geschwungener Naturholzstock. Vielstimmig und temperamentvoll sangen sie alte Zunftlieder. Manch ein Lied war nicht ganz jugendfrei.

Um die beiden „in die Welt rauszubringen“ ging es im sogenannten Gänsemarsch zurück in Richtung Ortsschild. Mit einigen Flaschen linderten sie die trockenen Kehlen. Die Dorfgemeinschaft mit sämtlichen Vereinen begleitete die Abschiedstour: Es gab feuchte und rot geweinte Augen.

Auch die Zunftkameraden konnten sich Tränen der Rührung nicht verkneifen. Alt-Meister Eduard Wieck kommentierte die Situation: „Für die beiden ist jetzt das Hotel Mama ein für alle Mal vorbei.“

Vorbereitungen für die Tour

Die angehenden „Tippelbrüder“ , so heißen Gesellen während der Wanderschaft, bekamen nochmals Gelegenheit, sich zu verabschieden. Tags zuvor hatten sie ihre Handys abgeben müssen und das Ohrläppchen wurde mit einem Nagel durchstochen, um den Ohrring mit Zunftsymbol zu befestigen. Lediglich die Mitnahme des „Charlottenburger“, einem Bündel mit dem Notwendigen samt Schlafsack, ist zulässig.

Gemeinsam ging der ganze Tross zum Ortsausgang. Dort wurde die zuletzt geleerte Weinflasche von Marek Läuger, Davis Zimmer und dem aus Oberfranken stammenden Daniel Schultz unter dem Ortsausgangsschild begraben.

„Tippelbruder“ Daniel Schultz ist seinerseits selbst auf großer Tour und nimmt die beiden Gesellen mit auf den Weg. Schultz sagte zu seiner Reise: „Ich weiß noch nicht wo es hingeht, mal sehen. Vielleicht in den Norden.“ Die beiden jungen Handwerker dürfen nur auf Wanderschaft, weil sie zur Meisterprüfung zugelassen sind. Kein Handy, kein eigenes Auto, schuldenfrei, ledig und kinderlos müssen die Gesellen sein. Der Heimat dürfen sie sich nur auf 50 Kilometer nähern.

Zum Schluss gab es vom Zunftsprecher noch die typische Backpfeife, also ein Schlag der an der Backe pfeift, und die besten Glückwünsche. Die Kollegen steckten ihnen Bargeld für die ersten Tage zu.

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