Todtnau „Anstatt zu weinen, lachte man“

Veronika Zettler
Die Autorin Katerina Poladjan, Moderator Gerwig Epkes (Mitte) und Autor Catalin Dorian Florescu im Todtnauberger Kurhaus.               Foto: Veronika Zettler

Lesen: Die diesjährige Ausgabe der Todtnauberger Literaturtage lockte wieder zahlreiche Besucher

Von Veronika Zettler

Todtnauberg. Nachdem die Todtnauberger Literaturtage 2020 coronabedingt ausfielen und 2021 aufgrund der damaligen „2G Plus“-Regelung unter enormem logistischen Aufwand in abgespeckter Form stattfanden, ging die Reihe am Wochenende erstmals wieder in gewohntem Umfang über die Bühne des Todtnauberger Kurhauses. Am Samstagabend kamen rund 70 Besucher, um in Romanauszügen von Katerina Poladjan und Catalin Dorian Florescu einen Tag in Moskau und 100 Jahre in Bukarest literarisch nachzuerleben.

Viele Fans kommen

Seit der Premiere im Jahr 2005 hat das „Lesen auf dem Berg“ viele Fans dazugewonnen. „Bis aus Graubünden reisen die Stammgäste an“, weiß Claudia Steinhardt von der Hochschwarzwald Tourismus GmbH, unter deren Regie die Veranstaltung zum nunmehr zweiten Mal stand.

Ins Leben gerufen und bis 2019 organisiert haben die Reihe Iris Boch und Hans Gelpcke aus Todtnauberg sowie der Schweizer Autor Hansjörg Schneider. Nachdem sich der 84-jährige Vater der „Hunkeler“-Krimis mittlerweile ganz vom Berg zurückgezogen hat, kuratiert der langjährige Moderator der Literaturtage und SWR-Redakteur Gerwig Epkes das Programm.

Auf die Besucher warteten bei insgesamt sechs Lesungen von Freitag bis Sonntag vielerlei literarische Entdeckungs- und persönliche Begegnungsmöglichkeiten. Nicht nur für die Zuhörerschaft, auch für einige Autoren war das ein Erlebnis. So für den Schriftsteller und früheren Leiter des Hanser-Verlags Michael Krüger, der zum ersten Mal in Todtnauberg unterwegs war und sich dort auch auf die Spuren von Martin Heidegger machte, wie er im Gespräch mit unserer Zeitung verriet. „Man kann von Heidegger ja halten, was man will, aber durch ihn ist dieser kleine Ort mit der ganzen Welt verbunden“, meinte Krüger. Bedauerlich findet er, dass die Heidegger-Hütte „zur Befriedigung eines bestehenden philosophischen Interesses“ nicht besser zugänglich ist.

Mit der Welt verbunden

Der 78-jährige Krüger arbeitet aktuell an einem Buch über einen Maler aus der Region („Den Namen halte ich noch geheim“) und sprach in Todtnauberg unter anderem über seine Erzählung „Was in den zwei Wochen nach der Rückkehr aus Paris geschah“. Für ihn sei die Lesung am Freitag vor rund 100 Zuhörern auch deshalb etwas Besonderes gewesen, weil er während der Corona-Zeit aufgrund seiner „Leukämie das Haus zwei Jahre lang nicht verlassen habe“.

Die Lesung am Winterfeuer auf dem Radschert – früher oftmals ein beliebter Höhepunkt der Literaturtage – fiel in diesem Jahr zwar aus, soll aber künftig wieder ins Programm genommen werden.

Dafür gab es erstmals eine Klassikreihe: Zum Auftakt erkundeten die Freiburger Hörbuchsprecherin Doris Wolters und der Pianist Andreas Erchinger das Gedicht „Kein Kinderlied“ von Mascha Kaléko – rund 80 Besucher lauschten ergriffen.

Lesungen von Marie Malcovati und Joachim B. Schmidt folgte am Samstag eine von Gerwig Epkes moderierte Doppellesung mit Katerina Poladjan (51) und Catalin Dorian Florescu (55). Beide verließen im Kindesalter ihre damaligen kommunistischen Heimaten in Russland und Rumänien in Richtung Deutschland und Schweiz und begeben sich in ihren aktuellen Romanen „Zukunftsmusik“ und „Der Feuerturm“ auf ebenso persönliche wie fiktive Spurensuchen.

Ideen und Inspirationen

Nebenbei erfuhr das Publikum, wie die beiden recherchieren und schreiben und wo sie Ideen und Inspiration hernehmen. Florescu amüsierte die Zuhörer zudem mit einigen historischen Politwitzen über Ceaucescu, Breschnew, Andropow und Co. „Die Witze hatten damals eine sehr wichtige Funktion“, erklärte Catalin Florescu: „Anstatt zu weinen, lachte man“.

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