Todtnau Fürs Publikum gab’s kein Halten mehr

Hans-Jürgen Hege

Zeitenritt: Stehende Ovation für die Trachtenkapelle Todtnauberg beim besonderen Jubiläumskonzert

Die „Berger-Musik“ feiert in diesem Jahr ihren 100. Geburtstag. Ende Juli gibt’s ein Festwochenende rund um den Kursaal. Am Sonntag stieg das Orchester ein in die bevorstehenden Festwochen mit einem grandiosen Konzert, in dem nicht einfach nur Musik, sondern auch jede Menge Herzblut „drin“ war und die Menschen vom Hocker riss, obwohl die auch bei einer musikalischen „Zeitreise“ über 100 Jahre geltende „Schmerzgrenze“ von zwei Stunden längst überschritten war.

Von Hans-Jürgen Hege

Todtnau-Todtnauberg. „Herzlich willkommen!“ Die Trachtenkapelle empfing ihre Gäste im am Ende proppenvollen, dezent und deshalb durchaus gediegen geschmückten Kursaal in schmucker Schwarzwaldtracht, mit persönlichen Gesprächen und mit multimedialen Grüßen.

Ambiente

Das „Fieber“ hatte sie spürbar gepackt. Und zwar alle. Die Musiker fieberten nach zweijähriger Abstinenz ihrem ersten richtig großen Auftritt entgegen. Und das Publikum, darunter der frühere Berger-Musik-Dirigent Ralph Stellbigen, wartete gespannt auf das, was Dominic Ivertowskis Team zusammen mit dem Dirigenten Stefan Seeherr ausgeheckt hatte, um aus der „Time Ride“ – einer Zeitreise durch die 100-jährige Musikgeschichte Todtnaubergs – ein unvergessliches Erlebnis zu machen. Die hatte 1921 Fahrt aufgenommen mit Leuten, die laut Gründungsprotokoll noch keine Experten waren, wenn es um Noten ging. Das belegt ein 100 Jahre alter Eintrag im Gründungsprotokoll, den Joachim Kiefer zitierte: „Noten kannte so gut wie keiner. Aber es hat richtig g‘schädderet“, notierte der damalige Chronist beeindruckt.

Moderation

Nathalie Thoma und Joachim „Jogi“ Kiefer moderierten den Abend erfrischend anders als fast überall sonst gewohnt. Nichts war’s mit langweiligen Vitae von Komponisten, die so gut wie keiner kennt. So blieb beispielsweise das Geburtsjahr des Komponisten Fritz Neuböck, der das „Schloss Orth“ beschrieb, ungenannt. Dafür erfuhr das Publikum, dass eine Übernachtung in einer Suite des romantischen Schlosses im Salzkammergut für 150 Euro pro Nacht zu haben ist. „Wir sehen zwar nicht so aus, aber wir sind 100 Jahre alt“, schmunzelte Kiefer, erzählte von der „Riesenfreude“ der Musikanten, „endlich mal wieder für sie spielen zu dürfen“ und erklärte schon zur Halbzeit des Konzerts den Besuchern, was er als „überaus schön und befriedigend“ empfindet: „Schön ist es, wenn man mit dem Konzert später anfangen muss als geplant, weil noch Leute an der Kasse stehen. Und wenn nach der Pause noch alle da sind, ist es doppelt schön.“ Und Nathalie Thoma unterstrich den Eindruck, den man im Laufe des Abends zwangsläufig gewinnen musste: „Mir sin eifach e super Huffe!“ Ein „Huffe“, der aktuell 45 Köpfe zählt und in dem alle und alles willkommen ist, was Spaß und Freude am Musizieren hat. Selbstverständlich auch Kinder und Jugendliche, die in den Genuss einer erstklassigen Ausbildung kommen.‘

Programm

Stefan Seeherr weiß, was die Fans der Berger-Musik erwarten. Mit seiner Auswahl landete der Dirigent einen Volltreffer nach dem anderen. Immer wieder gab es Szenenapplaus und Wiederholungen nach Zugaberufen lange vor dem Ende. Nach der „Feuerfest Polka“ von Strauß, dem „Schloss Orth“ oder dem militärisch-preußischen „Steinmetzmarsch“ von Karl Bratfisch gab’s schon für viele kein Halten mehr. Mit stehenden Ovationen aber feierte das Publikum das Trompeten- und Flügelhorn-Solo von Dietmar Schubnell, der sich Jimmy Webbs „Doc meets Derek @ Mac Arthur Park“ im Stile eines James Last, Richard Harris und Donna Summer so gekonnt quasi selbst auf den Leib „arrangiert“ hatte, dass er um die vehement georderte Zugabe nicht herumkam. Für Roland Pfefferle, den Bezirksvorsitzenden des Alemannischen Musikverbandes, stand zur „Halbzeit“ der Zeitreise bereits fest: „Wir erleben hier und heute ganz sicher ein weiteres Highlight in der 100-jährigen Geschichte der Trachtenkapelle.“ Und deren „Fahnenmutter“ Walburga Boch meinte am Ende schwer bewegt: „Ihr habt uns alle mit einem wunderbaren, einmaligen Konzert begeistert, das die Vorfreude aufs Jubiläumsfest im Juli ins Unermessliche steigert.“ Das „Conerto 87“ von Hans Kolditz, Siegfried Rundels Ausflug in den „schönen Bömerwald“, die faszinierende Abba Selection „Abba Cadabra“ sowie der Shanty „The Wellerman Comes“, der laut Nathalie Thoma im Repertoire der Berger Musik nicht fehlen durfte, „weil wir gerne als heimatverbundene Botschafter unseres schönen Landstriches auf Reisen sind“, war zu dem Zeitpunkt bereits Teil der Geschichte, die sicherlich allen noch lange ebenso im Gedächtnis bleibt wie die heißen und kalten Schauer, die vielen über den Rücken rieselten, als Theresa Herzog „The Story“ besang, mit der sie schon bei der Hochzeit der Aktiv-Musiker Anna-Lena und Simon Sütterlin begeistert hatte.

Fazit

Das Pfingstkonzert der Trachtler im Todtnauer Bergland war nicht nur wegen des Jubiläums ein ganz besonderes Erlebnis, das bei vielen noch geraume Zeit nachwirken dürfte. Zusammen mit den Zugaben, den „Sablonzer Perlen“ und dem „Mars der Medici“ machte es einfach nur Lust auf ein „Mehr“. Und das dürfte nicht lange auf sich warten lassen. Die „Berger“ versprechen, am Festwochenende vom 29. bis 31. Juli mit Marktständen und jeder Menge Musik vom Feinsten „nicht nur die Sektkorken knallen zu lassen“, sondern ihre „Liebe zu traditioneller wie auch moderner Blasmusik, zum schönen Bergdorf Todtnauberg sowie zur Schwarzwälder Tracht“ mit allen zur Verfügung stehenden Mitteln zu beweisen.

„Ehre, wem Ehre gebührt“, sagte Dominic Ivertowskis und nahm sich bei der Zeitreise die Zeit, langjährige und sehr verdiente Mitglieder der Berger Musik zu verabschieden und zu ehren. Nach 50 Jahren nahm Pius Zipfel seinen Hut. Ihm galt der Dank des Vorsitzenden ebenso wie Simon Sütterlin, den Roland Pfefferle für 25 aktive Musikantenjahre mit der silbernen Verbandsehrennadel bedachte.

Für 30-jähriges Musizieren wurden Cäcilia Matt, Silvia Steinebrunner, Michael Keller und die zweite Vorsitzende Simone Schubnell-Braunsberger zu Ehrenmitgliedern der Trachtenkapelle ernannt.

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