Weil am Rhein Abgründige Begegnung auf der Bühne

Susanna Wipf Fischer
Kabarettistin und Sängerin Marianne Blum als Anne Frank und Schauspieler Thomas Linke als Adolf Hitler Foto: Susanna Wipf Fischer

In einer musikalischen Lesung im Haus der Volksbildung ließen Marianne Blum und Thomas Linke Anne Franks Tagebuch und Hitlers „Mein Kampf“ aufeinanderprallen – ein Abend voller Gegensätze.

Es braucht schon eine Portion Mut, sich der Lektüre „Mein Kampf“ von Adolf Hitler zu widmen, um sich für eine Lesung oder wie der Schauspieler Thomas Linke für eine seiner wichtigsten Lesungen der vergangenen Jahre vorzubereiten. Es habe ihn viel Kraft gekostet, diese Rolle vorzubereiten, und manchmal hätte er „kotzen können“. Die Kabarettistin und Sängerin Marianne Blum hat 2016 mit dem Schriftsteller Guido Rohm zur Neuauflage von „Mein Kampf“ die szenische Lesung „Annes Kampf“ geschrieben.

Die Protagonistenstellen sich vor

Da stehen zwei ganz nah nebeneinander – zwei, die sich nie begegnet sind und doch das Leben des anderen drastisch beeinflussten. Der Theaterabend beginnt gleich heftig mit den Protagonisten auf der dunklen, kargen Bühne, ein Lesepult, ein Notenständer mit Ukulele und ein Rednerpult. Anne Frank, subtil gespielt von Marianne Blum, und Adolf Hitler, wortstark interpretiert von Thomas Linke, stellen sich dem Publikum vor.

Gleich zu Beginn der dramaturgisch geschickt aufgebauten Lesung überrascht Blum mit einem Mix aus Nationalhymne und Jiddischem Lied, mit ihrer grandiosen Singstimme.

Für Hitler waren alle Juden Abschaum, Anne Frank für ihn, selbst wenn er sie gekannt hätte, nur ein abscheuliches Ungeziefer. Für Anne Frank, welche zwei Jahre mit Familie und Bekannten in einem Versteck lebte, war Hitler sehr wohl ein „Bekannter“, eine „Bestie“, ein Wahnsinniger, welcher sie ihrer Freiheit beraubte, aber ihr trotzdem nie die Hoffnung für eine Zukunft rauben konnte.

Unschuld und Zartheit, Grauen und Rassenwahnsinn stehen sich gegenüber, einen Theaterabend lang, prallen aufeinander, Spannung pur über fast zwei Stunden. Die gut ausgewählten Buchstellen werden immer wieder mit musikalischen Fermaten, Verschnaufpausen bereichert, mit Liedern, Gassenhauern, gesungen und teilweise auf der Ukulele begleitet von Marianne Blum.

Das Grauen einervergessenen Zeit

Blum und Linke rezitieren die junge Anne Frank und den „Führer“ Adolf Hitler so packend, dass das Grauen einer vergessenen Zeit wieder Realität wird. So erzählt Anne Frank ihrer imaginären Freundin Kitty aus dem Alltagsleben in ihrem Versteck in Amsterdam, und neben ihr brüllt der Führer seine diktatorischen, propagandistischen Parolen schauspielerisch so gekonnt, dass einem fast das Blut in den Adern gefriert. Er beschimpft das gesamte Judentum mit einer Obszönität, wie es eben nur Hitler vermochte. Anne erzählt mit zarter Stimme über die Gefühle ihrer ersten Liebe, unterbrochen vom Geschrei Hitlers mit seinem hasserfüllten Judenbild, wo diese zarte erste Liebe degradiert wird zum satanisches Gelüst eines schwarzhaarigen Judenjungen.

Viele junge Zuhörersind gekommen

Jedoch sind Annes Briefe an Kitty nicht nur traurig, sondern oft auch humoristisch und zeigen das schriftstellerische Talent des jungen Mädchens, ganz im Gegenteil zum autodidaktischen Despoten Hitler, der alles andere als ein begnadeter Schriftsteller war.

Erfreulicherweise waren unter den Zuhörenden viele Jugendliche, teilweise mit ihren Eltern, anwesend. Nach dem verdienten stürmischen Applaus, nahmen sich die beiden Protagonisten noch Zeit, Fragen im Publikum zu beantworten und vehement darauf hinzuweisen, wie wichtig es sei, diesem Rassenhass entgegen zu wirken.

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