Weil am Rhein Abstraktion und Wiederholung

Weiler Zeitung
Um die Bodeninstallation „Mikado“ gruppieren sich (von links) Kurator Martin Hartung, Kunsthistoriker Peter Lodermeyer und der Künstler Jürgen Meyer-Isenmann in der ersten Ausstellung im Jubiläumsjahr des Weiler Kunstvereins. Foto: Jürgen Scharf Foto: Weiler Zeitung

Kunstverein: Jürgen Meyer-Isenmann stellt im Stapflehus im Jubiläumsjahr aus

Von Jürgen Scharf

Weil am Rhein. Ein jüngerer Künstler mischt die regionale Kunstszene auf: Vor zwei Jahren ist Jürgen Meyer-Isenmann, gebürtiger Waldkircher Ende 30, mit seiner Familie nach Rheinfelden gezogen. Ihn gilt es in einer Einzelausstellung des Kunstvereins Weil am Rhein zu entdecken. In der Städtischen Galerie zeigt er „Werk“-Konstruktionen.

Schon wenn man sich dem Stapflehus in Altweil nähert, sieht man das große Banner mit dem Schriftzug „Werk“. Auch in den Innenräumen trifft man wieder auf dieses Wort in verschiedenen Handschriften, was auf eine Anregung des Grafikers Martin Golombek zurückgeht. Das hat mit dem Schaffen des Künstlers zu tun, mit dessen großem Thema Reproduktion und Autorschaft.

Am besten lässt sich das auf Konstruktionen wie „Mikado“, eine Bodeninstallation aus recycelten Holzstäben, oder die Serie „Holzwege“ übertragen. Bei Meyer-Isenmann geht es immer um das Konzept. Es sind Kunstwerke für die Vorstellungskraft, verdichtete Arbeiten, die sich um Abstraktion und Wiederholung drehen.

„Wie kann Abstraktion im 21. Jahrhundert neu erdacht werden?“, stellte sich Kurator Martin Hartung die Frage und kam unweigerlich auf die Konzeptkunst von Meyer-Isenmann, der originelle abstrakte Bilder schaffe, ohne auf ausgetretenen Pfaden zu wandeln. Hartung findet dessen Arbeiten inhaltsreich und kondensiert; man könne sich in dieser ruhigen Ausstellung vertieft damit beschäftigen.

Bei der Bodenarbeit „Mikado“ – 45 Stäbe in unterschiedlichen Oberflächen, teils farbig lackiert –, hat der Künstler frühere Arbeiten zerstört, in Streifen gesägt und in lagerfähiger Form in einer Art Wiederverwertung neu zusammengesetzt. Während andere ihre alten Bilder übermalen, macht er neue Konstruktionen aus zersägten Holzbildern. Den einen oder anderen erinnern diese flirrenden Mikado-Stäbe an einen Datenstrom.

Holz ist geduldig

„Holz ist sehr geduldig“, sagt der Künstler, der aus den zerstörten Kunstwerken mit der Zeit ein Prinzip gemacht hat. Im ersten Obergeschoss kann man sich auch auf den „Holzweg“ begeben. Die 2018 entstandene Folge von 20 kleineren Formaten passt wunderbar an die große Stirnwand. Diese „Holzwege“ sind eigenständige Kunstwerke, zwar ein Zyklus, der zusammengehört, auch wenn jedes Bild individuell mit Ölfarbe, Schellack, Intarsien, Beize, Wachs oder Holzfurnieren gestaltet ist. Hier ist Meyer-Isenmann ganz in seinem Metier der Bildobjekte, die zwar in einer Reihe hängen, aber doch sehr unterschiedlich in Struktur, Material, Maserung und malerischer Aussage sind. Die abstrakten Bilder auf Holz wirken sinnlich und sind mehrdimensional durch die eingearbeiteten Teile.

Auf Thema und Variation stößt man im Erdgeschoss. Da sich Meyer-Isenmann erklärtermaßen nicht wiederholen will, hat er zehn renommierte Fotografen zwischen Basel und Berlin gebeten, ein Spiegelobjekt mit ovalen (Eier-)Formen abzulichten – vor neutralem Hintergrund als einziger Vorgabe. Das Ergebnis ist erstaunlich unterschiedlich. Manche der Reproduktions- und Werbefotografen haben es dem Original entsprechend als klassische Kunstreproduktion abfotografiert, andere plakativer in der Art einer Katalogreproduktion. Einen „Ausreißer“ gab es mit einer speziellen Nachtaufnahme. Bei dieser Serie stellt sich die Frage: Was ist Original, was Abbild?

In einem „Arrangement“ mit Versatzstücken stellt Meyer-Isenmann im Dachgeschoss seine Arbeitsweise vor. Darunter sparsam ausgeführte Zeichnungen, jede anders angelegt. Ein nummeriertes und signiertes Buch mit zehn „imaginären Kunstwerken“, das er im Bleisatz in der Rheinfelder Werkstatt von Ruth Loibl 2019 selber gesetzt hat, zeigt seine künstlerische Herkunft von Duchamp und der informellen Kunst eines Wols und Emil Schumacher.

In diesem inzwischen vergriffenen Künstlerbuch stammt das Nachwort von dem Bonner Kunsthistoriker Peter Lodermeyer, der eigens einen Video-Vortrag erstellt hat, der in der Ausstellung läuft.

40 Jahre Kunstverein

Die Schau ist der Programmauftakt zum 40-jährigen Bestehen des Kunstvereins Weil. Wie Kurator Hartung, zugleich zweiter Vorsitzender, sagt, passt die Ausstellung programmatisch perfekt ins Konzept des Vereins: anspruchsvolle Kunst zu zeigen, die inhaltlich etwas zu sagen hat, den Betrachter herausfordert und Fragen über Kunst stellt. Für Hartung hat es zudem symbolischen Charakter, dass man einen jungen Künstler zeigt, der neu in der Region lebt. Schaue man doch mit Meyer-Isenmann in die Vergangenheit und setze gleichzeitig ein Zeichen für die Zukunft.   Bis 18. Juli, Sa 15 bis 18, So 14 bis 18 Uhr. Jubiläumsfeier 40 Jahre Kunstverein Weil am 17. Juli im Café Gupi

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