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Weil am Rhein Alternativen geboten

Weiler Zeitung

2020: Kulturamtsleiter Tonio Paßlick blickt zurück. Ab dem 13. März ging erstmal nichts mehr. Kultursommer kommt gut an.

Weil am Rhein - Auf ein in fast jeder Hinsicht ungewöhnliches Kulturjahr blickt der Weiler Kulturamtsleiter Tonio Paßlick in seinem letzten Arbeitsjahr nach 34 Jahren zurück. Die Corona-Pandemie habe nicht nur das vorgesehene Veranstaltungs- und Angebotsprogramm der städtischen und privaten Kultur-Institutionen aus dem Kalender geblasen, sondern mit den jeweiligen Verordnungen auch die Frage nach dem Stellenwert der Kultur innerhalb der systemrelevanten Dienstleistungen gestellt.

Denn diesbezüglich stellten sich auch in der Stadt viele Musiker, Künstler oder Leiter und Kuratoren von Kultureinrichtungen die Frage, weshalb trotz effizienter Hygiene-Maßnahmen manche Einrichtungen wie Museen geschlossen werden mussten, auch wenn das Einverständnis und die Einsicht für die Notwendigkeit einschneidender Maßnahmen bei fast allen vorhanden sei, heißt es in einer Mitteilung des Kulturamts.

Anders als in vielen anderen Ländern attestiert der scheidende Weiler Kulturamtsleiter den jeweils zuständigen Entscheidungsträgern vor allem auf lokaler Ebene eine absolute Bereitschaft, allen Betroffenen gerecht zu werden. „Die Corona-Pandemie hat alle Schwachstellen organisatorischer Abläufe und Strukturen beleuchtet“, sagt Paßlick, „und gerade bei den digitalen und virtuellen Alternativen zu Präsenz-Leistungen wie beim Musikschul- oder VHS-Unterricht ist klar geworden, was noch alles an Strukturen nachgeholt werden muss.“

Dennoch hätten sowohl städtische Mitarbeiter als auch Musiklehrer und VHS-Dozenten nach dem ersten Lockdown Mitte März ein beeindruckendes Engagement gezeigt, um Bildung und Kultur am Leben zu erhalten. Wo es möglich war, wurde Musikunterricht online angeboten, die Integrationskurse der VHS liefen bis zum zweiten Lockdown weiter und das Herbstsemester war vor dem Oktober in unverminderter Größe vorbereitet worden.

Mit 21 Konzerten in Gärten

Als klar war, dass die Sommerfestivals verschoben werden mussten, hatte man es geschafft, Engagements auch bekannter Gruppen in das nächste Jahr zu verschieben. Gleichzeitig waren die meisten Mitarbeiter des Kulturamts auch aus Solidarität zur finanziell gebeutelten Verwaltung von Juni bis September in Kurzarbeit gegangen. Reduziert auf eine Halbtagsstelle stellte der Kulturamtsleiter dennoch einen Antrag beim Land, um finanzielle Hilfen des Landes für einen Kultursommer im Kesselhaus und in der Stadt zu erhalten, was zwischen Mitte August und Ende September zu 21 Konzerten in Gärten von Gastwirtschaften in der Stadt und einem Kesselhaus-Abend mit vielen Kurzauftritten von lokalen und regionalen Musikern führte.

Die zwischenzeitlichen Lockerungen ermöglichten es, dem kultur-hungrigen Publikum Angebote zu schaffen, der Gastronomie mehr Gäste zuzuführen und vor allem Musiker, Gruppen und Techniker zu beschäftigen. Höhepunkt des vom Land bezuschussten Kultursommers war vermutlich der „Face2Face“-Abend im Kesselhaus am 25. September, heißt es.

Auch die Ausstellungen in der Stadt zwischen Vitra Campus und dem Museum am Lindenplatz oder den Galerien mussten nach dem Frühjahr geschlossen bleiben. Die Ausstellung „Weil-Welt-Weit“ im Museum am Lindenplatz oder die „Home Stories“ im Vitra Design Museum, die „Knopf dran“-Ausstellung im Museum Weiler Textilgeschichte, die Arbeiten von Hannelore Weitbrecht in der Galerie Underground oder von Konstantin Weber und Edith Oellers in der Galerie Stahlberger sowie die geplante Sommerausstellung der Colab Gallery litten unter der Pandemie genauso wie die Kunstausstellungen im Stapflehus. Eine Ausstellung des Kunstvereins musste nach der Vernissage gleich wieder geschlossen werden, die bewährte Regionale wurde um ein Jahr verschoben. Immerhin blühte der neue Designer-Garten von Piet Oudolf auf dem Vitra Campus zum ersten Mal und unverdrossen.

Zwischen Januar und März noch Veranstaltungen

Zuvor hatte das Kulturjahr wie seit drei Jahrzehnten mit einem Neujahrskonzert in der Ötlinger St. Gallus-Kirche begonnen, in diesem Jahr mit dem Arcadia-Ensemble. Das Kesselhaus erlebte mit der Inszenierung des Sommernachtstraums vom Spielzeit-Team-Tempus Fugit eine fulminante Theater-Premiere und Ende Januar einen Abstecher des Hüninger Festivals „Compli’Cité“ mit der deutsch-bretonischen Folk-Gruppe „An Erminig“. Auch der Buurefasnachts-Umzug konnte sich noch trotz der heraufziehenden Sorgen ohne Folgen gegen die Pandemie behaupten. Vom 13. März an ging dann nichts mehr bis zum Kultursommer.

Mit der zweiten Welle wurden auch die Herbst- und Weihnachtsveranstaltungen aus dem Kalender radiert. Wie im Frühjahr gab es vereinzelte musikalische Balkon-Beiträge.

Persönliches Erleben nicht ersetzbar

Aber die Sorge bleibt, wie lange sowohl die Kulturbranche als auch das Publikum auf Veranstaltungen verzichten muss, heißt es in der Mitteilung weiter. Selbst gut gemeinte Alternativen in den sozialen Netzen hätten nur deutlich gemacht, dass das persönliche Erleben von Kultur nicht ersetzt werden könne.

Im letzten Quartal gab es zwei Kulturamtsleiter in der Stadt. Der Gemeinderat hatte im April Peter Spörrer aus Berlin zum Nachfolger von Tonio Paßlick gewählt, der am 1. Februar seinen Ruhestand antreten wird und seinen Nachfolger in den letzten Monaten einarbeiten durfte. Der Ausfall von Veranstaltungen war nicht mit weniger Arbeit gleichzusetzen: Das Kulturamt nutzte die Zeit, um zahlreiche Strukturen zu überarbeiten und insbesondere den Wandel zum digitalen Dokumenten-Management zu beginnen, die Kunst-Bestände zu digitalisieren und Anwender-Strukturen zu optimieren. Wie in vielen Bereichen des öffentlichen Lebens eine spürbare Herausforderung.

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