Weil am Rhein-Bauernproteste Sie wollen von ihren Produkten leben

Kathryn Babeck
Die Bauern in der Regio grenzen sich von antidemokratischen Parolen ab. Foto:  

Rund 80 Landwirte aus Deutschland, Frankreich und der Schweiz demonstrieren auf einem Maisfeld bei Weil am Rhein. Von der Politik verlangen Sie Planbarkeit. Von den Verbrauchern fordern sie Wertschätzung der regionalen Nahrungsmittel.

Rund 70 Traktoren fahren an diesem Morgen auf das Maisfeld, das sich neben dem Autoteilehersteller ARaymond an der Alten Landstraße befindet. Rund 80 Landwirte mit etwa 60 Traktoren aus Deutschland, der Schweiz und Frankreich haben sich versammelt. Ein Feuer ist angezündet, ab und zu hört man ein Hupen. Die Landwirte sind miteinander ins Gespräch verwickelt, halten Getränkebecher in den Händen. Plötzlich fliegt eine Drohne über das Feld.

Man fühlt sich der Region grenzüberschreitend verbunden. Foto: Kathryn Babeck

Für Rechtsstaatlichkeit

Max Hagin aus Haltingen ist Vollerwerbslandwirt. Er betreibt auf knapp 15 Hektar überwiegend Obstbau auf konventionelle Weise. Ihn ärgert der Vorwurf, Landwirte hätten jüngst enorme Gewinne gemacht. In Baden-Württemberg würde man von rund 77 000 Euro pro Jahr ausgehen. Dies seien lediglich die Einnahmen, sagt er. Für ihn käme ein Reingewinn von rund 40 000 Euro im Jahr heraus. Davon müsse er die Beiträge für die Krankenkasse, die Altersvorsorgung und betriebliche Investitionen abziehen. Auf die Politik könne man sich nicht verlassen. In der Landwirtschaft müsse man langfristig, in einer Zeitspanne von zehn bis 20 Jahren, planen können, gerade wenn man Geld investieren solle, fügt er hinzu. „Ich arbeite weit unter dem Mindestlohn“, sagt er.

Die Galgensymbolik bei den Demonstrationen lehnt er ab: „Für eine gesittete Demonstrationskultur“ und „gegen nationalistische Denkweisen“ spricht er sich aus. „Jeder einzelne ist verantwortlich, sich rechtsstaatlich zu verhalten.“

Foto: Kathryn Babeck

Solidarität aus der Schweiz

Aus Baselland ist Adrian Hunziker angefahren gekommen. Er ist einer von acht Schweizer Bauern, die diesen Protest unterstützen. Insgesamt seien sie mit fünf Traktoren an diesem Morgen aufs Feld gefahren, am Nachmittag kämen noch mehr, sagt er. Er hat auf dem elterlichen Hof bis vor zwei Jahren mitgearbeitet. Der Hof besteht noch: Es ist ein konventioneller Betrieb mit 50 Kühen, die im Stall angebunden gehalten werden. Die deutschen Proteste unterstützt er, weil man in der „Landwirtschaft zusammenhält“ und sie in der Schweiz dieselben Probleme hätten.

Sie wollen, dass sich endlich etwas ändert. Foto: Kathryn Babeck/Kathryn Babeck

Nicht wettbewerbsfähig

Für die Versammlung auf dem Maisfeld ist der Schallbacher Landwirt Simon Weber verantwortlich. Auf rund 25 Hektar pflanzt er konventionell Gemüse, Obst und Wein an. Zugleich leitet er einen Argrarservice. Er drischt gegen Bezahlung anderen die Felder. „Seit vielen Jahren haben die Landwirte Redebedarf“, sagt er. Das Fass sei übergelaufen, als es am 18. Dezember im vergangen Jahr hieß, die Bauern müssen für ihre grünen Kennzeichen Steuern zahlen. „Wir fahren mit den Maschinen doch nur auf den Feldern und nicht auf der Straße“, sagt er. Die Bauern seien genauso wenig konkurrenzfähig wie die Lufthansa, wenn sie jetzt diese Kfz-Steuer bezahlen müssten, erläutert Weber die Gründe für den Protest. Deshalb habe die Bundesregierung auch die Erhöhung der Kerosinsteuer zurückgenommen.

Für die Pläne, den Agrardiesel zu verteuern, zeigt er kein Verständnis. Er verweist auf eine Tabelle der EU-Staaten. In Frankreich würden die Bauern sieben Cent für den Liter Diesel bezahlen, in Großbritannien seien es 15 Cent. Im Jahr verbrauche er für seinen eigenen Betrieb rund 3000 Liter Diesel, der Kraftstoff für seinen Argarservice sei nicht miteingerechnet.

Mit den elsässischen und Schweizer Kollegen essen und trinken sie heute, man tauscht sich aus. „Irgendetwas muss passieren, ansonsten lassen wir die Traktoren auf der Straße stehen und ziehen die Schlüssel ab“, sagt Weber.

Regionales wertschätzen

Wertschätzung für Regionalität erwarte er und zwar nicht nur von den Politikern. Die Verbraucher zeigen im Gespräch Verständnis für die teureren, einheimischen Lebensmittel, aber im Supermarkt würden sie sich für Billigprodukte entscheiden. Für die Importware fordere er deshalb dieselben Standards. „Wir wollen keine Subventionen, sondern ordentliche Produktpreise.“ Mit den Subventionen habe man im Grunde die Verbraucher ruhig gestellt. So blieben die Preise niedrig.

Möglichst billig

Aus Rümmingen ist an diesem Morgen Marvin Pannach mit dabei. Als Nebenerwerbslandwirt hat er Reben, Grünland und Ackerbau, alles konventioneller Anbau. Er erzählt, dass er gerade die Zwischenfrucht, unter anderem Klee, Phacelia und Rettich, ausgesät hat. „Die Landwirtschaft ist das einzige Gewerbe, das CO₂ bindet.“ Die großen Traktoren würden auch viel weniger giftige Gase ausstoßen als zehn kleine Traktoren, die früher noch im Einsatz waren.

Axel Reiner aus Wollbach sagt, er betreibe aus Überzeugung konventionellen Weinbau. Auf dem Markt gebe es vielmehr Bioprodukte als nachgefragt werde.

Und Rainer Homberger, Tannenkirch, zeigt auf die Autobahn in Sichtweite. Dort stehen Lastwagen dicht an dicht. Auch er betreibt Reben und Ackerbau auf konventionelle Weise. Man zeige nur auf die Landwirte. Mittlerweile fahren jedoch viele riesige Autos mit Klimaanlage, man kaufe „Billigklamotten“ aus Bangladesch, die Kinder hergestellt hätten und fliege günstig in den Urlaub. Keiner sei wirklich bereit bei sich selbst anzufangen, fügt er hinzu.

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