Die Invalidenversicherung in der Schweiz übernimmt die Personalkosten. Denn um sich im Abendgymnasium-Gebäude und auf dem Hin- und Rückweg zurechtzufinden, hatte ihn ein Lehrer von der schweizerischen Fachstelle für Sehbehinderte im beruflichen Umfeld (Sibu) begleitet. „Mit jeder neuen Baustelle muss ich den Weg neu lernen“, erklärt der 29-Jährige.
Mit seinen Klassenkameraden kommt Sherif gut aus: „Ich habe eine coole Klasse. Sie sind vollkommen unkompliziert, was mich betrifft.“ Zum Beispiel nimmt ihn ein Freund, den er in der Abendschule kennengelernt hat, immer mit zum SBB Bahnhof nach Basel, damit Sherif nach der Schule schneller wieder in Zürich ist.
Assistenz für Unterricht
Derzeit sind es 13 Schüler in Sherifs Klasse – eine kleine Gruppe, bei der man besser auf den einzelnen Schüler eingehen kann, betont Richter. „Wir haben eine sehr bunte Schülerschaft mit unterschiedlichen kulturellen und Bildungs-Hintergründen. Sie helfen und begleiten Mohamed Sherif immer.“ Doch die Klassenlehrerin sieht darin auch ein Problem: Die Mitschüler könnten weniger auf sich achten. „Das wollten wir dauerhaft nicht. Aber ihn ausschließen, das wollten wir auch nicht“, sagt Richter.
Damit Sherif im Schulalltag Unterstützung hat, wirkt seit diesem Schuljahr die Assistenzkraft Nicole Storm mit. Sie ist eine ehemalige Abendgymnasiastin. Die ehemalige Schülerin von Richter will ein Sozialpädagogik-Studium beginnen. „Ich wusste, dass sie ein pädagogisches Interesse hat und bereit ist, Neues zu lernen. Da habe ich sie einfach gefragt, ob sie bei uns arbeiten will“, erzählt Richter.
„Am Anfang war ich mir nicht sicher wegen einer Assistenz, da wir es vorher auch ohne hinbekommen hatten. Aber jetzt merke ich, dass sie mir sehr viel Arbeit abnimmt“, hebt Sherif hervor. Schließlich gebe es nicht alle Texte in digitaler Form und auch Online-Bücher müssen besorgt werden. „Sie weiß, wen man kontaktieren muss“, erklärt Richter. Aber Storm unterstützt ist auch im Unterricht.
Dass alles problemlos läuft, hänge von vielen Menschen ab. Helfen würde aber auch, dass Sherif gut kommuniziere. „Kommunikation ist das A und O. Nicht nur in er Schule, sondern auch grundsätzlich macht es den Umgang mit Menschen einfacher“, findet Sherif.
Keine Berührungsängste
Aber auch für die Lehrer galt es, sich umzustellen. „Den Aufwand, den wir und auch Sherif leisten, ist deutlich mehr. Wir haben wahnsinnig viel gelernt und lernen auch jetzt noch dazu“, sagt Richter. Einfache Dinge, wie „Schauen Sie sich das mal an“, werden schnell zur Unsicherheit. Oder auch, dass Vokabeln buchstabiert werden müssen, seien Teil des Lernprozesses.
Richter erinnert sich an eine Situation, als sie Sherif bat, in einen Nebenraum zu kommen, um mit ihr sein Halbjahreszeugnis zu besprechen. „Er hat seine Hand auf meine Schulter gelegt, um geführt zu werden – was normalerweise kein Schüler macht. Dann sagte er zu mir: ,Frau Richter, ich habe Sie mir immer viel größer vorgestellt.’ Erst dann hatte ich einen Aha-Effekt.“
Wichtig sei es auch, dass die Lehrer offen und motiviert sind. Auch Berührungsängste sollte man nicht haben. „Man braucht keine Angst haben, etwas Dummes zu sagen. Fehler sind menschlich“, betont Sherif.