Weil am Rhein Bunte Motive aktuell tabu

Saskia Scherer

Tätowieren: Weiler Künstler bewerten das neue Farbenverbot unterschiedlich

Ein herber Schlag für die Tattoobranche: Seit dem 4. Januar sind zwei Drittel der Farben, die für die Bilder unter der Haut bisher genutzt wurden, verboten – weil sie möglicherweise Hautallergien auslösen oder krebserregend sein könnten, so die Begründung der Europäischen Chemikalienagentur. Inhaltsstoffe seien nicht ausreichend erforscht. Unsere Zeitung hat Weiler Tätowierer befragt, was das für ihre Arbeit bedeutet.

Von Saskia Scherer

Weil am Rhein. Melanie Brühl, die das Tattoostudio „Schattenwerk“ in Alt-Weil betreibt, kann das Verbot nicht nachvollziehen: „Mit den Farben wurde seit Jahrzehnten gearbeitet.“ Sie seien etabliert und hätten sich bewährt. Natürlich seien nun manche Kunden verunsichert. „Sie fragen sich, ob die Farben schädlich sind.“ Der Tätowiererin, die ihrem Handwerk seit 20 Jahren nachgeht, seien aber keine Fälle bekannt, in denen es zu Schäden gekommen ist. „Die Farben sind ja eigentlich seit Jahren getestet und damit erforscht“, sagt sie.

Aktuell kann sie keine Farben bestellen und entsprechend nur in schwarz und grau tätowieren. „Ich habe noch keine Alternativfarben gefunden.“ Bei Herstellern heiße es, solche seien „bald“ erhältlich – aber niemand wisse, wann das sein wird. Die Tattoofarben müssten ohnehin besondere Anforderungen erfüllen, wie dass sie sehr kräftig sind und auch in der Haut bleiben. „Sonst kann man sich Farbtattoos sparen“, findet Brühl. Man müsse abwarten, was die Alternativen „taugen“.

Dass nun nicht mehr in Farbe gestochen werden kann, sei natürlich vor allem für Menschen ungünstig, die bereits mit farbigen Motiven angefangen haben. Brühl hat allerdings darauf geachtet, begonnene Projekte noch vor dem Jahreswechsel zu Ende zu bringen. Ohnehin hat sich die Tätowiererin auf Realistik spezialisiert und sticht viel in schwarz-grau. Dennoch geht sie davon aus, dass das Farbenverbot nicht ohne Einfluss auf die Terminanzahl bleiben wird. Und für Künstler, die sich auf Farbe spezialisiert haben, wird es auf jeden Fall schwierig. Ein Beispiel: „Den Watercolor-Stil kann man komplett knicken.“

Martin Ruf, Inhaber des Tattoostudios „Art-In“ an der Weiler Hauptstraße, will die Änderung der Verordnung nicht verteufeln: „Es ist gut, dass was gemacht wird, schließlich bleibt die Farbe ein Leben lang unter unserer Haut. Und Gesundheit ist das höchste Gut“, betont er. Allerdings äußert er Kritik an der Umsetzung. „Das war alles sehr kurzfristig.“

Der Künstler sticht zwar generell nur Motive in schwarz-grau, weist aber darauf hin, dass auch für diese Farben nun neue Vorgaben gelten und es nur noch zwei Hersteller gebe, die solche ohne verbotene Zusatzstoffe anbieten – andere hätten die Produktion eingestellt. „Ich habe seit dem 31. Dezember versucht, Farbe zu bestellen.“ Erst vor zwei Tagen glückte ihm das nachts um 3 Uhr. „Die Nachfrage ist so hoch.“ Bei einem Blick auf den Online-Shop zeigt sich: Es ist schon wieder alles ausverkauft. Der Bedarf könne aktuell nicht gedeckt werden. „Schließlich gilt das Verbot EU-weit.“

Heute soll sein neues Arbeitsmaterial ankommen, dann kann der Tätowierer wieder stechen. Seit dem 4. Januar ging gar nichts mehr. „Ich habe stattdessen Beratungsgespräche geführt und Termine verschoben“, berichtet Ruf. Die Situation sei schwierig. Sowieso, wenn die Corona-Pandemie ohnehin schon für Existenzängste sorge (siehe nebenstehenden Bericht). Und auch er bemerkt Verunsicherung im Freundeskreis.

Der Tätowierer ist sich sicher, dass Farben in die Tattoobranche zurückkehren werden. „Es ist eben Entwicklungszeit nötig.“ Aber der Schlussstrich sei auch gut. „Es gehört ohnehin schon viel Vertrauen dazu, jemandem seine Haut anzubieten. Da sollte sich der Kunde keine Gedanken machen müssen.“

Weil am Rhein (sas). In Tattoostudios gilt derzeit die 2G-plus-Regel. „Das schließt Ungeimpfte als Kunden schon mal aus“, erklärt Melanie Brühl vom „Schattenwerk“. Und andere müssen einen Test machen. „Das macht es nicht einfacher. Aber wir achten streng darauf.“ Die Hygienestandards seien ohnehin hoch. „Wir desinfizieren sowieso ständig.“ Pro Tag kämen auch nur ein bis zwei Kunden. Es wird durchweg Maske getragen. Durch Corona habe zudem die Online-Terminbuchung zugenommen.

Seit Anfang Oktober betreibt Brühl ihr Studio in Alt-Weil, davor arbeitete sie in Lörrach und erlebte dort auch die beiden Lockdowns. „Die Erwerbsgrundlage wurde mir entzogen.“ Zwar seien Hilfen „schnell und problemlos“ geflossen. Doch nun müsse sie möglicherweise etwas zurückzahlen. Die Kunden seien zum Teil zurückhaltend. „Manche haben vielleicht selbst Existenzprobleme.“

Martin Ruf hat sich mit seinem Tattoostudio „Art-In“ mitten im Lockdown im März 2021 selbstständig gemacht. „Es war klar, dass es nicht einfach wird.“ Die erste Zeit nutzte er zum Einrichten, anschließend hatte er noch drei, vier Wochen geschlossen, bevor der Lockdown endete. Seit die Regeln wieder verschärft wurden, habe die Laufkundschaft abgenommen. Dafür würden viele über Rezensionen im Internet auf ihn aufmerksam. „Ich habe auch viel in Werbung investiert“, sagt er.

Ruf arbeitet in seinem kleinen Studio aktuell ohnehin nur mit Terminen. Froh zeigt er sich über das Verständnis der Kunden, sei es beim Scannen der QR-Codes oder bei der Kontaktdatenerhebung. „Das gehört dazu, wir arbeiten hier hautnah zusammen.“ Er ist froh, dass er geöffnet haben darf. „Ich kann meinen Traum verfolgen.“

Bestimmte Tattoofarben können aufgrund einer Änderung der EU-Chemikalienverordnung „Reach“ nicht mehr benutzt werden. Das Akronym steht für „Registration, Evaluation, Authorisation and Restriction of Chemicals“, zu deutsch „Registrierung, Bewertung, Zulassung und Beschränkung chemischer Stoffe“. Es handelt sich um eine Verordnung der Europäischen Chemikalienagentur (Echa).

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