Dann kam bekanntlich Corona und andere Dinge rückten in den Fokus. In einer der letzten Sitzungen hatte ich selbst nochmals nachgefragt, und von Herrn Dietz die Auskunft erhalten, dass an eine gemeinsame Arbeit mit den Hüningern nicht mehr zu denken sei, da diese keine finanziellen Mittel hätten. Hauptamtsleiterin Annette Huber wies darauf hin, dass Sie mit Dr. Kühl im Austausch sei, aber die Stelle des Stadtarchivars damals nicht besetzt war und sich alles verzögere.
Frage: In anderen Gemeinden und Städten wurde der Aufarbeitung der NS-Zeit bereits früher mehr Aufmerksamkeit geschenkt. Warum war das in Weil am Rhein – zumindest in größerem Rahmen – nicht der Fall?
Warum das in Weil am Rhein konkret so lange dauert, kann ich nicht wirklich beantworten. Da kann ich nur vermuten, dass die Auseinandersetzung mit dieser dunklen Zeit unserer Geschichte immer noch alte Wunden aufreißt, denen sich viele Menschen nicht unbedingt gerne stellen wollen. Die Familie von Frau Sütterlin hat ja auch betont, wie schmerzhaft die Erkenntnisse für sie waren.
Die Nachkriegsgeneration zeichnet sich nicht gerade dadurch aus, dass sie bereit ist, „die Leichen aus dem Keller“ zu holen. Es ist nun eher die Generation der Enkel, die bereit ist, aufzuarbeiten und Dinge öffentlich zu machen.
Mit unserem fraktionsübergreifenden Antrag wollen wir diese Arbeit nun endlich möglich machen und hoffen, dass sich zeitnah eine geeignete Persönlichkeit finden lässt, um die professionelle Abwicklung zu gewährleisten. Soweit ich weiß, hat der Historiker Robert Neisen gerade eine Arbeit in einer Nachbargemeinde beendet und könnte für diese Aufgabe eventuell angefragt werden.
Frage: Wie kam es bezüglich des gemeinsamen Antrags zur Zusammenarbeit mit den Freien Wählern?
Innerhalb des Gemeinderats tauschen wir uns natürlich regelmäßig aus, zum Teil auch, wenn geplant ist, Anträge zu stellen. Eugen Katzenstein und ich hatten beide unabhängig voneinander mit Dr. Kühl vom Geschichtsverein Kontakt und wir sahen beide die Notwendigkeit, nun endlich aktiv an die Sache heranzugehen. Geschichtliche Aufarbeitung wird nicht einfacher, je mehr Zeit vergeht.
Frage: Gab es bereits einzelne, kleinere Bestrebungen zur Aufarbeitung der NS-Zeit, an die man nun gegebenenfalls anknüpfen kann?
Der Weiler Verein für Heimatgeschichte ist, soweit ich weiß, seit über zehn Jahren dabei, die NS-Zeit genauer aufzuarbeiten und hat zum Thema auch Fachvorträge organisiert, die auf breites Interesse stießen.
Frage: Die Parteien am rechten Rand sind in vielen Teilen Europas erstarkt. In der Ukraine tobt Krieg, was sich noch vor kurzer Zeit kaum jemand vorstellen konnte. Messen Sie auch vor dem Hintergrund dieser jüngsten Entwicklungen der Auseinandersetzung mit der NS-Zeit auf lokaler Ebene eine besondere Bedeutung bei?
Die Wiedererstarkung der rechten Parteien und der Krieg in der Ukraine sind für Europa und unsere Demokratie meiner Meinung nach eine starke Bedrohung. Nicht auszudenken, wenn die Wahlen in Frankreich zugunsten von Marine Le Pen ausgegangen wären.
Kriegsverbrechen, wie sie derzeit in der Ukraine geschehen, müssen zeitnah dokumentiert und die Täter zur Rechenschaft gezogen werden. Das trifft sowohl für vergangene Zeiten als auch für die Gegenwart zu.