Weil am Rhein Der Wünschebus ist da

Saskia Scherer
Blick ins Innere des Wünschebusses Foto: Fotos: zVg

Versorgung: Projekt des Palliativnetzes Lörrach ist startklar

Sterbenskranken Menschen einen letzten Herzenswunsch erfüllen – das soll der Wünschebus Südbaden möglich machen. Ins Leben gerufen wurde das Projekt vom Palliativnetz Lörrach, das seinen Sitz im Kesselhaus hat. Seit kurzem ist das Fahrzeug fertig und wird bald Menschen in ihrer letzten Lebensphase mit fachlicher Betreuung und der erforderlichen medizinischen Ausstattung an ihren Lieblingsort bringen.

Von Saskia Scherer

Weil am Rhein. „Es handelt sich um eine fahrende Intensiveinheit“, erklärt der Friedlinger Hausarzt und Palliativnetz-Gründer Mario Steffens. Es ist alles vorhanden – Utensilien für die medizinische Überwachung des Fahrgasts, die Schmerztherapie und die Sauerstoffversorgung. Ein Liegendtransport ist möglich – auf einem sogenannten Hoverboard, das mit Druckluftkissen für einen möglichst schonenden Transport sorgt und beispielsweise eine abfedernde Wirkung hat, wenn der Wagen über ein Schlagloch fährt. Auch einen Tragestuhl gibt es, wenn jemand sitzend fahren kann und will. Angehörige dürfen ebenfalls mit.

Zudem gibt es ein Ambientelicht, das in unterschiedlichen Farben leuchten kann, eine Klima- und eine Soundanlage sowie ein zusätzliches Fenster, damit der Patient die Möglichkeit hat, nach draußen zu schauen. Von außen hineinblicken kann man aber nicht, denn die Scheiben sind getönt. Im Wünschebus steht übrigens auch ein Fotodrucker, um dem Fahrgast nach dem Ausflug ein Fotobuch überreichen zu können.

Normalen Tag ermöglichen

Manche Patienten würden sich vielleicht nicht mehr trauen, solch eine Tour zu unternehmen. „Aber hier haben wir alles an Bord“, erklärt Steffens. Es gehe darum, ihnen einen normalen Tag zu ermöglichen, „nicht um Bespaßung“. Sie sollen die Möglichkeit haben, Abschied von etwas zu nehmen, betont der Facharzt für Allgemeinmedizin und Palliativmedizin.

Eigentlich sollte der Wünschebus schon vergangenes Jahr fertig sein – aber immer wieder fehlten bei der Herstellung und beim Umbau Teile aufgrund von Lieferschwierigkeiten. Doch nun, nach eineinhalb Jahren Wartezeit, steht das Fahrzeug vor den Toren des Palliativnetzes. Eine eigene Homepage wurde eingerichtet und ein Logo entwickelt, das auch das Fahrzeug ziert. Auf ein Blaulicht und Signalfarben wurde bewusst verzichtet. „Es soll nicht jeder schauen, wenn der Bus ankommt, das ist auch den Patienten wichtig“, weiß Steffens. Der Wünschebus wirke dezent. „Es ist eine edle Erscheinung, nicht plakativ“, findet er.

Die erste Fahrt wird vermutlich mit einem todkranken jungen Mann unternommen, der noch einmal seine Großmutter im Schwarzwald besuchen möchte. „Aber es wird auch längere Fahrten geben“, kündigt der Palliativnetz-Geschäftsführer an.

Lebensqualität schenken

Im Aufbau ist derzeit ein Team aus ehrenamtlichen Helfern, die mitfahren wollen. Das ganze Projekt wird durch Spenden finanziert, den Patienten und ihrer Begleitung entstehen keine Kosten. „Jeder Euro fließt ins Projekt, es geht nicht ums Geldverdienen“, stellt Steffens klar. „Es geht um Würde.“ Und darum, Menschen am Ende ihres Lebens Lebensqualität zu schenken. „Das ist uns ein echtes Anliegen.“

200 000 Euro hat der Wünschebus insgesamt gekostet. „Innerhalb kurzer Zeit hatten wir 70 000 Euro an Spenden zusammen“, freut sich der Arzt. Zusätzliche 25 000 Euro gab es vom Autohaus „Ernst+König“ mit Hauptsitz in Freiburg, von dem der Ford stammt: Das Unternehmen erklärte sich bereit, die Hälfte des Fahrzeugpreises zu übernehmen. Die restliche Summe wurde zum Teil von Steffens privat, zum Teil über das Palliativnetz finanziert.

Das Projekt Wünschebus soll übrigens auf eigene Füße gestellt werden und – wie der Name schon sagt – in ganz Südbaden zur Verfügung stehen, nicht nur im Landkreis Lörrach.

Weitere Informationen: wuenschebus-suedbaden.de

Weil am Rhein (sas). Das Palliativnetz Lörrach behandelt und begleitet Menschen mit schweren und weit fortgeschrittenen Erkrankungen bis zum Lebensende zu Hause, im Pflegeheim und im Hospiz. Es ist in den Räumen der ehemaligen Jugendwerkstatt im Kesselhaus beheimatet. Diese wurden komplett umgebaut, umfassen jetzt Büros, ein Ethik-Café und einen großen Raum für Vorträge & Co. Im Team sind fünf Ärzte – die ärztliche Leitung und die Geschäftsführung obliegen Steffens und seiner Kollegin Sandra Diemand, mit der er das Palliativnetz gegründet hat. Dazu kommen sechs Pflegekräfte, drei Koordinatoren und vier Kräfte, die sich etwa um Buchhaltung und Qualitätsmanagement kümmern. „Wir wachsen stetig. Der Bedarf ist da“, sagt Steffens. Die Akzeptanz gegenüber der Thematik sei gestiegen. Dennoch gelte es, noch Mauern abzubauen. „Wir alle können jederzeit in diese Situation kommen. Wir sitzen alle in einem Boot, und darin ist keiner besser als der andere.“

Und das wird auch beim Wünschebus-Projekt deutlich. Bevor eine Fahrt angetreten wird, gibt es eine Ethikberatung. Dafür ist eine Ethikausbildung nötig, über die zwei Kollegen im Palliativnetz verfügen, erklärt Steffens. Sie leiten die Runde, der zudem eine Krankenschwester, ein Sozialarbeiter und ein weiterer Arzt, aber auch ein Malermeister angehören. „Gemeinsam wird überlegt, wie der Wunsch ermöglicht werden kann.“ Als Beispiel nennt er eine Fahrt an die Nordsee: Diese dauert acht bis zehn Stunden. Wie viel Sauerstoff benötigt der Patient in dieser Zeit? Was braucht er sonst? Wo gibt es eine Übernachtungsmöglichkeit? „Die Versorgung muss gewährleistet sein“, betont Steffens. „Wir wollen für alles gewappnet sein.“

Zudem könne es sein, dass mehrere Anfragen gleichzeitig eintreffen. „In der Runde wird dann geklärt, wie wir allen gerecht werden. Das soll unabhängig und transparent geschehen, nicht willkürlich.“

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