Weil am Rhein Eine schicksalhafte Begegnung am Meer

Saskia Scherer
Künstlerin und Autorin Inken Maria Drozd mit ihrem neuen Buch „Sonnenaufgänge – Eine Farbpalette aus der Camargue“ Foto: Saskia Scherer

Es ist eine Liebeserklärung an das Landschaftsidyll in Südfrankreich und an ihren verstorbenen Mann: das neue Buch der Weiler Künstlerin und Autorin Inken Maria Drozd mit dem Titel „Sonnenaufgänge – Eine Farbpalette aus der Camargue“.

Sie klingt wie eine Szene aus einem Roman, diese Begegnung in Saintes-Maries-de-la-Mer im Sommer 1974: Inken Maria Drozd malte gerade, als ein Mann vorbeilief, neben ihr stehen blieb und schaute. „Er sagte nichts, guckte nur streng“, erinnert sich die heute 86-Jährige mit einem leisen Lächeln. Später kam er wieder des Weges, die beiden unterhielten sich – und er lud sie zu einem Aperitif bei sich ein, er habe gerade Gäste in seiner Cabane, die sogar Teil ihres Malmotivs war. Cabanes, das sind die für die Gegend typischen reetgedeckten Häuschen. Im Weggehen sagte er noch, er sei professioneller Maler. Es war der russisch-ukrainische Künstler Nicolas Barrera (gebürtig Nicolai Drozd).

Ein Jahr in einem Buch

Die damals 37-Jährige folgte der Einladung, sie sprachen miteinander, er zeigte ihr sein Atelier. „Es war so voll, gab fast keinen Platz, aber hoch interessant“, erzählt sie. Dort restaurierte der Maler auch alte Gemälde – und bot ihr an, mitzuarbeiten. Ihren VW-Bus, mit dem sie mit einer Freundin und deren Sohn in die Camargue gereist war, durfte sie auf Barreras Grundstück abstellen. „Diese Begegnung war unglaublich.“ So konnte die gemeinsame Arbeit beginnen. Es sollte auch der Beginn ihres gemeinsamen Lebens sein.

Drozd lebte damals bereits in Weil am Rhein, war als Kunsterzieherin im Schuldienst in Lörrach tätig. Nach den Ferien ging es also wieder nach Deutschland. Doch sie kehrte zurück in die Camargue. Anekdoten aus dieser Zeit reihen sich in ihrem Buch „Sonnenaufgänge“ aneinander. „Es umspannt ein ganzes Jahr“: das Jahr 1975, als sie kam, um zu bleiben. Die Autorin beschreibt den „einsamen Winter, den heiteren Frühling, die Zeit der Touristen, das Malen im Herbst“. Der Herbst sei die schönste Zeit für Maler. „Dann verändert sich die Landschaft am meisten.“ Jahrzehntelang verbrachte das Paar den Winter in Weil und den Sommer am Meer.

Wie die Dinge wirklich sind

Nicolas Barrera wurde nicht nur ihr Ehemann, sondern auch ihr Lehrer. Großartig sei er gewesen, aber unglaublich streng. Als sie einst drei Eier auf einer Schale mit einem Seidentuch darunter malen sollte und „Fertig!“ rief, habe er nach einem kurzen Blick gesagt: „Ja, fertig für den Mülleimer.“ Also begann sie von vorne. „Es war eine riesige Aufgabe, zu malen, wie die Dinge wirklich sind.“ Aber sie habe gelernt und sei mit sich selbst geduldig geblieben. „Er hat einmal zu mir gesagt: ,Man muss lieben, was man malt. ’ Und das stimmt.“

Schon vor 15 Jahren hat Drozd das Buch verfasst. „Es war mir eine innere Notwendigkeit, das aufzuschreiben – ihm zuliebe.“ Bereits damals habe sich ein Verlag für die Geschichte interessiert. Doch dieser meldete Konkurs an, Drozd erhielt die Druckrechte zurück. Später entdeckte ein Neffe das „schlafende Manuskript“ und bat darum, das Lektorat übernehmen zu dürfen. Gemeinsam arbeiteten die beiden an dem Buch, und es ging in den Druck. Nicht ein Verlag, sondern der N.Barrera-Bund, ein Zusammenschluss von Menschen, die das Werk des Malers bewahren wollen, kümmerte sich um die Veröffentlichung. Viele von Barreras Bildern, der im Jahr 2006 verstorben ist, finden sich in „Sonnenaufgänge“ – aber auch Werke der Weilerin.

Geboren wurde Inken Maria Drozd übrigens in Dresden. Während des Zweiten Weltkriegs flüchtete die Familie in die Heimat der Mutter nach Schleswig-Holstein. Die Neugierde auf den Süden führte sie nach Freiburg, und schließlich nach Weil am Rhein. Eigentlich war sie von Beruf Innenarchitektin, davor hatte Drozd eine Lehre zur Tischlerin absolviert. „Doch die Kunst war mir immer näher.“

Düster und heiter

Ihre frühere Spezialität war die Unterglasurmalerei. Gemeinsam mit ihrem Mann stellte sie auch in Weil aus, im Museum am Lindenplatz oder im Stapflehus. Dort würde sie gerne noch einmal Werke ihres Mannes zeigen: Bei einem Frühjahrsputz, damals 1975, war Drozd eine Zeichenmappe in die Hände gefallen. Sie enthielt viele Blätter, manche nur armselige Stücke Papier, mit Zeichnungen, die Barrera als Gefangener im KZ angefertigt hatte. „,Ich hatte sie vor mir selbst versteckt’, sagte er, als er mich damit fand“, erzählt Drozd und wird ganz still. Unter genau diesem Titel hat sie die Zeichnungen im Jahr 2020 zu einem eigenen Buch zusammengefasst, das sie mit ausstellen will. Quasi als Kontrastpunkt, etwas „Heiteres“, sei das Buch „Sonnenaufgänge“ zu sehen. Und als Ergänzung zu „Leben und Werk“, die Biografie, die sie über Nicolas Barrera verfasst hat. Gleichzeitig sei es ein Dank an die Camargue und an ihren Mann. „Mein Leben ist unendlich reich.“

Inken Maria Drozds Buch „Sonnenaufgänge – Eine Farbpalette aus der Camargue“ ist in der Buchhandlung Lindow oder über den N.Barrera-Bund unter Tel. 07621/71639 oder per E-Mail an mail@nicolasbarrera.de erhältlich.

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