Weil am Rhein „Es ist unsere Existenzgrundlage“

Weiler Zeitung
Volker Scheurer und Ania Dziezewska dürfen aktuell keine Kunstinteressierten in das Kieswerk lassen. Fotos: Marco Fraune Foto: Weiler Zeitung

Rechtsstreit: Zugang zum Kieswerk verboten / Volker Scheurer geht von hohem finanziellen Schaden aus

Der Kieswerk-Künstler Volker Scheurer wirft der Stadt Schikane vor. Die Baurechtsabteilung hat kurz vor dem Kieswerk-Open-Air den Zugang zu seinem Domizil weiterhin untersagt. Bewusst wollte er sich während der zu Ende gegangenen Freiluft-Kino-Veranstaltung nicht mehr öffentlich ärgern.

Von Marco Fraune

Weil am Rhein. Im Gespräch mit unserer Zeitung macht der Künstler nun seinem Ärger kräftig Luft. Er fürchtet, ebenso wie seine mit ihm im Kieswerk wohnenden Frau, die Künstlerin Ania Dziezewska, um die Existenzgrundlage.

Frage: Das Kieswerk-Open-Air ist vorbei. Wie fielen an den Abenden die Rückmeldungen auf Ihre Vorwürfe aus, dass Sie von der Stadt schikaniert werden?

Ich habe erstaunlich viel Feedback bekommen. Der Nenner war, dass es viel Unverständnis hinsichtlich des Vorgehens der Stadt gab – und der rigorosen Durchsetzung. Wir haben uns aber mit dem Artikulieren unserer Meinung während des Festivals sehr zurückgehalten.

Frage: Sie hatten zwei große Plakate aufgestellt, auf denen der Titel „Schikane“ lautete. Ist das Zurückhaltung?

Der Schikane-Text existiert schon seit ein paar Jahren, und das ist ein von mir geschriebener Kunsttext. Außerdem waren es nur zwei Briefe, die abgedruckt wurden, einer von mir und ein anderer war der Antwortbrief der Verwaltung. Wir haben uns außerdem mit der Festivalleitung geeinigt, dass die Aufsteller relativ weit hinten auf unserem Gelände platziert werden. Diese wurden auch nicht beleuchtet.

Frage: Haben Sie im lockeren Rahmen einmal die Chance genutzt, mit Oberbürgermeister Wolfgang Dietz zu sprechen?

Nein. Herr Dietz weiß, dass ich schon lange mit ihm ins Gespräch kommen will. Es gibt diverse Briefe, seit Jahren schon. Es noch einmal am Kino zu forcieren, das war nicht meine Intention.

Frage: Sie werden vertreten durch den Rechtsanwalt Walter Schneider, den ehemaligen Lörracher Landrat. Als Parteikollege des OB müsste er doch einen guten Draht zur Rathausspitze haben, oder?

Ich weiß nicht, ob dieser Gesprächsfaden intakt ist. Herr Schneider ist ein sehr pragmatischer Mensch, und selbst er ist erstaunt über die Maßnahmen.

Frage: Es gab keine Führungen durch das Gebäude, da Sie nicht 3000 Euro Zwangsgeld zahlen wollten, nachdem Sie schon nach dem Besuch eines SWR-Filmteams 1500 Euro als Strafe berappen mussten.

Die Summe wurde von meinem Konto gepfändet. Doch ich habe immer noch keine klare Aussage, weshalb das so war. Es war im Zusammenhang mit dem Filmteam, aber es hieß, es wäre die Summe der Dinge und diese wollten wir vom Baurechtsamt erklärt haben.

Frage: Während des Kieswerk-Open-Airs haben Sie alle Auflagen erfüllt?

Wir durften währenddessen unsere Führungen nicht durchführen, das war für uns ein ganz großer Schlag. Seit dem 4. Mai hatten wir hier auf eine Antwort der Stadt gewartet und erst am Montag vor dem Kino wurden die Führungen verboten. Dabei hatte ich schon Leute engagiert. Es war daher unglaublich, wie spät wir die Antwort bekommen haben und dass sie dann auch noch negativ ausfiel.

Frage: Ist es eine Bringschuld oder eine Holschuld?

Wenn man so lange auf eine Antwort wartet, liegt die Schuld nicht bei uns. Wir haben wiederholt eine Antwort eingefordert.

Frage: Welcher wirtschaftliche Schaden ist Ihnen entstanden?

Der ist enorm. Wir haben auch Kunden eingeladen, und es gab Firmen, die auch schon Führungen gebucht haben, die wir wieder ausladen mussten. Wenn ich jeden Abend 20 Personen in der Führung habe, die interessiert an der Kunst sind, entsteht großes Potenzial. Den finanziellen Schaden möchte ich gar nicht beziffern, der kann sehr hoch sein.

Frage: Haben Sie denn keine Fehler gemacht, und sehen Sie nur Fehler bei der Stadt?

Natürlich haben wir sehr viele Fehler gemacht. Es ist natürlich nicht Usus, dass man einen Anbau errichtet und den erst hinterher bewilligen lassen will. Bei vielen Umbauten ging es aber nicht anders, da das Gebäude extreme Anforderungen stellt. Es ist aber unser Ziel, allen Bestimmungen gerecht zu werden. Der Weg dahin muss allerdings auch ein bisschen geebnet werden und nicht blockiert.

Frage: Gehen wir einmal inhaltlich in die Tiefe. Woran liegt es konkret, dass die Statik des Gebäudes in der Kritik steht und damit der Zugang für die Öffentlichkeit verboten wird?

Wir sind der Meinung, wie es früher auch der Fall war, dass die Anbauten ihre statischen Nachweise bekommen, doch dass die Statik des Gebäudes von den Anbauten nicht beeinträchtigt wird. Weder zur Landesgartenschau 1999 gab es eine Statik und viele Umbauten, die vorliegen würde, noch beim Kauf des Gebäudes im Jahr 2010. Und nun will man von uns einen kompletten Statik-Nachweis. Dabei ist die Kernsubstanz völlig intakt, und das Gebäude hatte über 100 Jahre viel mehr Lasten zu tragen als im Moment.

Frage: Wurde Ihnen beim Kauf etwas anderes vorgegaukelt als jetzt zu erfüllen ist?

Zumindest sind wir davon ausgegangen, dass das Kieswerk als Kunstraum gut geheißen wird. Schließlich wurde uns das Gebäude durch die Stadt verkauft und das Gelände uns für 50 Jahre im Erbbaurecht gegen Pacht überlassen. Das Gefühl einer Unterstützung durch die Stadtverwaltung wurde mir und meiner Frau die vergangenen zehn Jahre in keiner Weise vermittelt.

Frage: Auch beim Brandschutz soll nachgebessert werden. Sind Sie dem vollumfänglich nachgekommen?

Natürlich nicht. Weil: Das Gutachten ist erstellt. Es wurden schon diverse Maßnahmen ergriffen, wie die geforderte Ausschilderung. Aber ich warte immer noch auf eine Bestätigung der Stadt, dass das Gutachten so in Ordnung ist. Das ist mittlerweile auch schon sechs Wochen her.

Frage: Wie viel Geld haben Sie bereits investiert und wie viel müssen Sie noch investieren?

Das hängt ganz von dem Gutachten ab. Wenn man ein statisches Gutachten für das ganze Gebäude erstellen muss, dann schlägt allein das Aufmaß schon mit weit über 10 000 Euro zu Buche. Das ist äußerst unüblich bei alten Industriebauten, dass man das verlangt. Wenn wir nur für die Anbauten ein statisches Gutachten benötigen, würden wir es finanziell geregelt bekommen. Die Statik des Gebäudes wurde aber noch von keinem Fachmann angezweifelt. Für das Brandschutz-Gutachten mussten wir 4000 Euro zahlen und die Maßnahmen liegen in ähnlicher Höhe.

Frage: Wo sehen Sie selbst noch Handlungsbedarf?

Vom Tüv-Gutachten haben wir schon viele Punkte abgearbeitet. Nun bedürfte es einer Begehung, dass man die verschiedenen Punkte noch einmal durchgeht und für die einzelnen Probleme Lösungen findet. Der größte Knackpunkt, den ich aktuell sehe, ist die Verglasung am Anbau in Richtung Hadid-Bau. Es muss gewährleistet sein, dass niemand durch die Scheibe fliegen kann. Da wäre ein anderes Glas oder ein Geländer am Außenbereich möglich.

Frage: Woraus schöpfen Sie die Hoffnung, in einem Jahr wieder gemeinsam mit Kunstinteressierten im Gebäude zu sitzen und Führungen anzubieten?

Spätestens in einigen Monaten muss das der Fall sein. Es handelt sich hier um unsere Existenzgrundlage. Uns wurde diese genommen. Es spricht doch nichts dagegen, wieder Führungen für 20 Personen anzubieten. Man muss immer bedenken: Wir sind auf einem klar abgegrenzten Grundstück. Die Leute sind hier unter unserer Aufsicht.

Frage: Was macht Ihnen die Hoffnung?

Unsere Hartnäckigkeit. Um die erforderlichen Maßnahmen umsetzen zu können, bedarf es aber ganz klar einer Kooperation mit der Stadtverwaltung. Mir wurde bisher nicht klar gemacht: Warum hat man uns das Kieswerk verkauft und überlassen, wenn man es nicht ideell fördert?

Frage: Haben Sie sich schon Gedanken darüber gemacht, falls die Öffentlichkeit keinen Zutritt mehr erhält?

Das geht gar nicht. Wir haben unser ganzes Geld und ich ein ganzes Haus ins Kieswerk investiert. Ich habe meine besten 20 Jahre für das Kieswerk geopfert. Jetzt sind wir an dem Punkt, an dem es anfängt sich auszuzahlen. Die Kunden kommen wegen unserer guten Kunst und wegen dem speziellen Gebäude, auch große Basler Firmen waren oft mit Kunstprojekten hier. Das ist die Grundlage fürs Haus und unsere Existenz.

Frage: Eine Exit-Strategie gibt es nicht?

Dass man sich aufs Private konzentriert? Das kann auch nicht im Interesse der Stadt sein.

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