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Weil am Rhein „Fake news“: Das Schüren des großen Zweifels

Weiler Zeitung
Willi Steul: Erst die Reaktion richtet den Schaden an. Foto: Fraune Foto: Weiler Zeitung

Wirtschaftstreffen II: Ex-Deutschlandradio-Intendant kritisiert auch eigenen Berufsstand / Metropolenblick und Meinungen

Weil am Rhein (mcf). Erst die Reaktion auf „Fake news“ richtet den Schaden an. Diese Ansicht vertrat Willi Steul, bis August 2017 Intendant des Deutschlandradios, beim Wirtschaftstreffen am Mittwochabend im Rathaus vor mehr als 300 Besuchern. Sein Vortrag stand unter dem Titel „Fake news – die neue Realität? Herausforderungen für seriösen Journalismus und aufgeklärte Öffentlichkeit“. Die Resonanz war positiv.

Den „Fake news“ könne man nicht wirklich begegnen, zeigte der Gastredner auf. So gehe es dabei nicht um Fakten und um die Wahrheit, „sondern es gehe darum, Zweifel zu säen“. Dabei spiele Angst eine zentrale Rolle. Diese sei an sich nichts Schlechtes, doch bei einer populistischen Manipulation hingegen schon, wenn beispielsweise geschildert wird, dass Merkel angeblich Deutschland in der Islamisierung untergehen lassen will. Angst schlägt sogar mitten in Deutschland in Hass um, hat Steul bereits Pegida-Demonstranten hautnah bei deren Protesten gegen die Kanzlerin in die Augen geblickt.

Die „asozialen Medien“, wie er die sozialen Medien auch bezeichnete, würden bei der Verbreitung der „Fake news“ als „Brandbeschleuniger“ fungieren. Bei „Fake news“ gehe es nicht um die Wahrheit. „Ziel ist die Verunsicherung, das Schüren des großen Zweifels“, was sich letztlich negativ auf die Demokratie auswirke, so der Gastredner. Einem Experten stimmte er zu, dass es eine Wahrheitskrise gebe und eine Erregungsgesellschaft.

Doch auch die Politik selbst arbeite mit Angst, wie bei den Themen Waldsterben, BSE oder zuletzt Glyphosat. Vielfach gebe es hier eine „aktionistische Politik“. Grundlage von Entscheidungen seien nicht nur rationale Risikoentscheidungen. Auch bei der Diskussion um den Atomausstieg und die Diesel-Auswirkungen plädierte Steul für eine unemotionale und rationale Auseinandersetzung mit den Themen.

Die zunehmende Verunsicherung der Menschen, deren Ängste und die Suche nach einfachen Lösungen seien Grundlage dafür, dass „Fake news“ ihre Wirkung erzeugen könnten.

Kritisch betrachtete der ehemalige Deutschlandradio-Intendant dabei die Rolle der Journalisten. Der relevante Journalismus werde in Großstädten gemacht und leide daher unter einem „Metropolenblick“, schildert er auch selbstkritisch. So müsse aufgepasst werden, dass die Realität angemessen wahrgenommen wird. Die mediale Darstellung sei ein Grund dafür, dass die Realität von den Menschen teilweise verzerrt wahrgenommen wird.

Die Menschen meinten, dass die Zahl der Morde in Deutschland steige, obwohl sie vor zehn Jahren noch bei 400 lag, im vergangenen Jahr hingegen bei insgesamt 240. Auch beim Thema Hunger und Kriege würden die Bürger eine Verschlechterung erkennen, was nicht zutreffe. Noch nie sei Deutschland zudem so wohlhabend gewesen. „Das bildet sich nicht in Zufriedenheit ab.“ In Ruanda gebe es mehr Zufriedenheit. Die Deutschen seien so zufrieden wie die Rumänen mit ihrer Lebenslage. Sogar bei Jugendlichen stehe die Angst vor sozialen Unruhen ganz oben auf der Liste. „Was machen wir Journalisten falsch?“

Journalisten meinen zu oft zu schnell, wobei erst Fakten herausgestellt werden müssten, ohne gleich eine Bewertung abzugeben, riet der Experte. Sogar in Qualitätszeitungen verschwimme zusehend die Grenze zwischen Nachricht und Kommentar. Die zunehmende Personalisierung, die Boulevardisierung und die Sensationalisierung sei der falsche Weg im Journalismus. Auch gebe es keine einfachen Lösungen.

Das Vertrauen in den Journalismus bröckele. Doch das treffe auch Ärzte, die Patienten haben, die schon mit einer „Wikipedia-Diagnose“ in ihre Praxis kommen. Mindestens eine Tageszeitung sollen die Menschen jedenfalls lesen, warb Stell – „damit kaufen sie ihr eigenes Urteilsvermögen“.

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