Kein „100-Tage-Gucken“
„Mir selber ist der Abschied aus Berlin nicht so schwer gefallen, denn ich hatte den politischen Höhepunkt erreicht.“ Ein Ministeramt hielt der Christdemokrat nicht für möglich. Stimmen, die unterstellen, dass er zu oft gegen den Strom geschwommen sei und es ihm nun reiche, widerspricht der 59-Jährige. „Das stimmt nicht.“
Er habe auch keine Stellenannonce aufgegeben. Und dass der zwischenzeitlich vakante Verfassungsschutz-Präsidenten-Posten für ihn am Merkel-Veto gescheitert ist, gehört für den Haltinger in eine lange zurückliegende Vergangenheit – sauer auf die Kanzlerin zu sein, sei nicht die Kategorie, in der er denke.
Im Verfassungsschutz- Amt hätte er nach eigener Einschätzung eine leichtere Aufgabe gehabt, so der als profilierter Innenpolitiker bekannte Schuster. Statt eines Heimspiels sei es nun wie in einem Club, der vorerst nur Auswärtsspiele bestreitet. „Es gibt kein 100-Tage-Gucken.“
Neuausrichtung steht an
Jetzt muss er eine Behörde leiten und diese im laufenden Betrieb umstellen und neu ausrichten. „Ich muss mich komplett neu in ein wesentliches Thema der deutschen Sicherheitsarchitektur einarbeiten, das ein Randdasein hat, außer es passiert etwas.“ Zum Bereich der Neuausrichtung, über die Innenminister Seehofer zum späteren Zeitpunkt informieren will, zählen einige Megatrends. Pandemien, Klimafolgen, Naturkatastrophen oder auch hybride Bedrohungslagen.
In letztere fallen auch Cyberangriffe eines fremden Staates in Deutschland auf zentrale Infrastruktureinrichtungen für Strom, Telekom oder Gesundheit. „Heute braucht es keine Raketen mehr.“ Der demografischen Gesellschaft Sicherheit und Schutz in einer Pandemie-Lage zu geben, bleibe eine Herausforderung, wie anhand der bundesweiten Impfung deutlich werde. „Ich sitze in einem Amt, das leider Konjunktur haben wird.“
Seit dem 10. November heißt es für Schuster, dass die Lernkurve steil nach oben zeigen muss. Viele Gespräche mit den zentralen Akteuren lassen den Terminkalender fast zum Bersten bringen. Die Neuausrichtung will er in erster Linie von außen betreiben. 16 Bundesländer, fünf Hilfsorganisationen, THW, Bundeswehr, Nachbarsicherheitsbehörden oder auch Bundespolizei und Verfassungs-schutz sind dabei.
„Die Arbeitsbelastung ist identisch mit der im Bundestag.“ Doch nun ist „nach Hause“ in einem Ortsteil von Bonn, wo Schuster eine neue Wohnung bezogen hat, wobei ihm seine Tochter geholfen hat. Den Umzugslaster ist er nach persönlicher Überreichung der Mandatsverzichtserklärung an den Bundestagspräsidenten Wolfgang Schäuble selbst gefahren.
„Heim“ nach Haltingen
Nun geht es am Wochenende stets „heim“, wo zwar die früheren Wahlkreis-Termine entfallen, die Schuster durchaus fehlen. Doch ein Katastrophenamts-Präsident muss in Alarmbereitschaft sein. „Es passiert jeden Tag etwas, auch an Weihnachten.“
Es bleibe bei der Pendelei, seine Frau könne jedoch zumindest öfter unter der Woche mal kommen, in die Stadt, wo die Schusters schon 1985 bis 1990 gelebt und auch geheiratet haben sowie die Tochter geboren wurde. „Wir warten auf das Ende des Lockdowns, um Bonn neu entdecken zu können.“
Von Haltingen aus will Schuster zugleich in der CDU mitwirken. Für ein Gemeinderatsmandat bleibe aber keine Zeit. „Ich muss einen neuen Weg finden, so dass sich niemand daran stößt, was ich tue und ich aber nicht leugnen muss, woher ich komme ( u Seite „Regio“).“ OB Wolfgang Dietz schaffe es vorbildlich, diese Neutralität trotz CDU-Parteibuch an den Tag zu legen. Die Ausweitung seines ehrenamtlichen Engagements sei möglich. „Erst einmal muss ich aber eine Routine im Beruf bekommen.“
Armin Schuster ist 1961 in Andernach am Rhein geboren. Er gehörte 29 Jahre der Bundespolizei an und war deutschlandweit in unterschiedlichen Führungspositionen tätig, zuletzt als Leiter des Bundespolizei-Amtes/Inspektion Weil am Rhein. Seit 2009 war Schuster direkt gewähltes Mitglied des Deutschen Bundestags und Mitglied im Innenausschuss. 2014 wurde er Obmann der CDU/CSU-Fraktion im Innenausschuss und Mitglied im Parlamentarischen Kontrollgremium der Nachrichtendienste des Bundes. Seit dem 10. November ist er neuer Präsident des Bundesamtes für Bevölkerungsschutz und Katastrophenhilfe (BBK).