Weil am Rhein Gewerkschaft ja, Kundgebung nein

Marco Fraune
Die Bahn spielt in Weil am Rhein als Verkehrsträger eine große Rolle, als Arbeitgeber mittlerweile hingegen deutlich weniger. Foto: Marco Fraune

Arbeitnehmer: Ex-GdED-Ortsbevollmächtigter Gerhard Pfister bewertet Tag der Arbeit und Weiler Historie

Weil am Rhein - Gerhard Pfister hat in den zurückliegenden Jahrzehnten schon so einige Tage der Arbeit erlebt. Als Gewerkschafter gehörten der 1. Mai und Kundgebungen für ihn zusammen. Doch nicht nur, dass diese Corona-bedingt in diesem Jahr ins Internet verlagert werden müssen, habe sich verändert. Die Solidarität unter den Arbeitnehmern sei zusehends der Individualisierung zum Opfer gefallen.

Der 31. Dezember 2003 bildete für den heutigen Vorsitzenden der „Senioren der Eisenbahner-Verkehrsgewerkschaft (EVG) des Ortsverbands Weil am Rhein/Bad Säckingen“ das Ende seiner aktiven Berufslaufbahn. Noch heute erinnert er sich an die früheren Zeiten, als er beispielsweise am 1. Mai 1983 in Lörrach auf dem Rathausplatz die DGB-Kundgebung mit 250 Teilnehmern mitverfolgte. In der Weiler Zeitung vom nächsten Tag lautete die Schlagzeile darüber „Lohnverzicht schafft keine Arbeitsplätze“. Musikalisch umrahmt wurde die Veranstaltung auch vom Weiler Eisenbahner-Musikverein.

Erhalt des Rangierbahnhofs

Noch als Gewerkschaft der Eisenbahner Deutschlands (GdED) hatte die heutige EVG im Jahr 1983 insgesamt 1800 Mitglieder aus Weil beziehungsweise dem „Platz Basel“. Einige wohnten mit Grundlage des Staatsvertrags dort, da der Badische Bahnhof für den Krisenfall aufrecht erhalten werden sollte.

Pfister selbst war in Basel bei der Nachrichtenmeisterei tätigt, doch öfter auf deutscher Seite im Einsatz, konkret dann in der Fernmeldezentrale in Weil am Rhein, der Telefonzentrale im Sozialgebäude in der Lessingstraße 9. Ursprünglich aus Lenzkirch kommend, zwischendurch in München in der Fernmeldemechaniker-Ausbildung tätig, ab 1966 in Freiburg und ab 1971 nach Basel versetzt, fand der heutige Pensionär schon vor Jahrzehnten hier dann seine neue Heimat.

Der Erhalt des Rangierbahnhofs Mitte der 1980er-Jahre beschäftigte den Gewerkschafter und die heimischen Bahn-Arbeiter ganz besonders. „Da war richtig Stimmung in der Bude“, erinnert sich Pfister an den Arbeitskampf, der in Form von Demonstrationen und auch weiteren Aktionen erfolgte. 1985 seien die Gerüchte über die Stilllegung des Weiler Rangierbahnhofs aufgekommen.

„Gefruchtet haben unsere Aktionen letztlich wenig“, weiß der Weiler um den erfolgten großen Job-Abbau. Früher habe der Rangierbahnhof noch 800 Arbeitsplätze gehabt, heute etwa noch ein Zehntel. Auch Gespräche im Weiler Rathaus mit OB Willmann und DB-Verantwortlichen aus Frankfurt hätten nicht helfen können. Später erfolgte dann der Rückbau. Die Zeit, als in Weil noch tausende Bähnler lebten, sei nun Geschichte. Mit Gustav Walliser (CDU) sitzt nur noch ein pensionierter Bahn-Mitarbeiter im Gemeinderat, in dem von 1994 bis 1999 auch Pfister ein Mandat hatte.

Sinn von Kundgebungen?

Als Ortsbevollmächtigter der Weiler GdED erlebte Pfister von 1982 bis 1987 nicht nur die sinkende Bedeutung der Bahn als Arbeitgeber für Weil am Rhein mit, sondern auch die sich schon abzeichnende rückläufige Bedeutung von Gewerkschaften für die Arbeitnehmer.

Ob der 1. Mai in einer Nicht-Corona-Zeit als Kundgebungstag und allgemein als Tag der Arbeit begangen werden muss? „Ideologisch vielleicht“, schränkt der EVG-Senioren-Vorsitzende ein. „Notwendig ist er nicht mehr, es geht kaum noch einer hin.“ Denn wenn es den Menschen gut gehe, hätten sie es nicht nötig, für ihre Rechte zu streiten, vermutet der Gewerkschafter. Dies habe sich ab Mitte der 1980er-Jahre abgezeichnet.

1. Mai im Internet

Die Gewerkschaft an sich sei aber sinnvoll. Schließlich gehe es darum, dass die Arbeitnehmer auch eine Interessenvertretung haben. Zu bestimmten Aktionen und Demonstrationen ließen sich auch immer noch einige Leute motivieren. „Doch wie früher mit riesigen Massen, das gibt es heute nicht mehr. Heute ist jeder eher auf sich selbst bezogen.“ Und ob am 1. Mai im Internet der Tag der Arbeit auf Resonanz stoße, bezweifelt der 72-Jährige stark.

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