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Weil am Rhein „Grenzgänger im wahrsten Sinne“

Saskia Scherer

Interview: Vorsitzende Gabriele Foege spricht über die Orchestergesellschaft in Zeiten der Corona-Krise

Weil am Rhein - Die Orchestergesellschaft Weil am Rhein musste, wie viele andere Vereine auch, Veranstaltungen absagen. Proben können derzeit nicht stattfinden. Durch die Trinationalität des Vereins – sowohl Musiker als auch Vorstandsmitglieder leben in den drei Ländern – stellt sich die Lage kompliziert dar.

Unsere Zeitung sprach mit der Vorsitzenden Gabriele Foege über die aktuelle Situation und wie es für das Orchester weitergehen soll.

Das Orchester musiziert normalerweise grenzüberschreitend. Das stellte und stellt sicherlich eine besondere Problematik dar, oder?

Ja, wir wurden vollkommen ausgebremst, mehr als alle anderen. Nicht nur unsere Musiker leben in allen drei Ländern, sondern auch der Vorstand ist trinational aufgestellt. Die Grenzschließungen waren und sind für uns ein kaum zu überwindendes Hindernis. Das beginnt bei Kleinigkeiten, wie dass unsere Notenwartin, die in der Schweiz arbeitet und in Frankreich wohnt, nicht einmal die Noten kopieren kann, die im Notenschrank in Weil liegen. Es ist sehr kompliziert.

Wie funktioniert nun die organisatorische Arbeit im Vorstand?

Wir befinden uns im regen E-Mail-Austausch und arbeiten an vielen Dingen. So bereiten wir die künftigen Konzerte vor, soweit das derzeit möglich ist. Aber es ersetzt nicht den persönlichen Kontakt. Unsere Vorstandssitzungen sind stets von einer angenehmen Atmosphäre geprägt und sehr kreativ. Diese Kreativität des Austauschs bleibt nun auf der Strecke.

Sollen die abgesagten Frühlingskonzerte nachgeholt werden?

Ja, im übernächsten Jahr. Wir haben schon seit November dafür geprobt und standen vor der ersten Probe mit der Solistin aus Frankreich, als absehbar wurde, dass wir in diesem Jahr das bei unserem Publikum so beliebte Muttertagskonzert absagen müssen. Auch in der Waldorfschule Schopfheim war eine Aufführung geplant. Wir mussten das Programm nun um zwei Jahre verschieben, weil wir im Jahr 2021 bereits ein anderes Großprojekt in Planung haben.

Welches?

Ein Konzert mit Filmmusik quer durch alle Arten von Filmen, das in allen drei Ländern aufgeführt werden soll. Daran arbeiten wir schon seit drei Jahren.

Das Programm zusammen zu stellen, war sehr aufwändig.  Dafür haben wir eigens eine Gruppe innerhalb des Vereins gegründet. Dort wurde überlegt, welche Stücke geeignet und besonders attraktiv sind. Kooperationspartner ist ein Chor aus dem Elsass.

Mehrere Solisten und „verrückte“ Instrumente werden zu hören sein. Aber auch da hängen wir in der Krise, denn eigentlich wäre jetzt die Zeit, um in die Detailplanung einzusteigen und die Verträge mit den Solisten abzuschließen und die Konzertsäle in Frankreich und der Schweiz anzumieten. Der Kontakt mit den Kulturverwaltungen gestaltet sich derzeit als schwierig.

Andere Vereine proben oder musizieren via Videokonferenz. Das kommt vermutlich aufgrund der Größe des Orchesters nicht in Frage?

Natürlich haben wir uns darüber Gedanken gemacht, aber wir wollen ja auch eine gewisse Qualität bieten. Für solche Videos ist ein hoher technischer Aufwand nötig, dafür bräuchte es Tontechniker und jemanden, der alles passend zusammenschneidet. Bereits bei einer Zeitverzögerung bei der Übertragung von ein oder zwei Sekunden kann man nicht mehr zusammenspielen, das klingt nicht sauber. Deshalb machen wir da keine Experimente, zumal auch der Kostenaufwand hoch wäre.

Wie sehen denn die wirtschaftlichen Folgen für die Orchestergesellschaft aus?

Der wirtschaftliche Einbruch ist hoch. Wir können schließlich derzeit keine Einnahmen durch Konzerte generieren und der laufende Betrieb kann nicht durch den Förderkreis gestemmt werden. Wir haben zudem gerade erst eine neue Homepage erstellen lassen, die sehr teuer war. Auch der finanzielle Aufwand für das Konzert im kommenden Jahr ist immens im Hinblick auf die Gema-Gebühren sowie die teuren Noten.

Aber die Musik hat in diesen Tagen für die Musiker sicher trotzdem eine große Bedeutung?

Unsere Harfen-Solistin hat uns eine rührende Musik gesendet, wie sie vor der Haustür sitzt und für ihre Nachbarn spielt. Außerdem erhalte ich ständig Nachfragen, wann die Musiker wieder kommen können. Die regelmäßigen Montagsproben und die damit verbundenen persönlichen Begegnungen fehlen uns allen. Auch ich bin niemand, der gerne Musikvideos am Handy oder Computer ansieht. Nichts geht über Livemusik.

Wie wird es für die Orchestergesellschaft im Allgemeinen weitergehen?

Die generelle Grenzöffnung fehlt. Wir sind Grenzgänger im wahrsten Sinne. Unsere Treffen finden immer in Weil statt und wir überlegen, wie wir die Hygienemaßnahmen für die Proben umsetzen können.

Bei der politischen Diskussion um die Grenzöffnung liegt der Fokus derzeit zu sehr auf dem Randthema Einkaufstourismus. Die Infektionszahlen rechtfertigen es nicht, dass die Grenzen nach wie vor für viele geschlossen und wir von unseren Freunden in der Schweiz und in Frankreich getrennt sind. Das habe ich auch bereits an die Landrätin geschrieben.

Wir mussten außerdem den Besuch des Landesmusikfestivals Mitte Juli in Überlingen absagen, da es nicht stattfindet. Das sollte unser Jahresausflug sein mit einem Konzert am Nachmittag auf der Seebühne. Ich hoffe sehr, dass unser November-Konzert mit dem Titel „Neue Horizonte“ stattfinden kann. Aber auch da steht noch ein Fragezeichen dahinter.

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