^ Weil am Rhein: Hommage an die Stadt der Liebe - Weil am Rhein - Verlagshaus Jaumann

Weil am Rhein Hommage an die Stadt der Liebe

Weiler Zeitung

Fotografie: Paris-Aufnahmen des Lörracher Fotografen und Malers Friedrich Reinert­ in Buchform

Von Jürgen Scharf

Weil am Rhein-Haltingen. Paris heute: „Gelbwesten“-Proteste, Demonstrationen, geschlossene Metros und Museen, überfüllte Busse, Streik, genervte Passanten. Man fragt sich, ob Paris noch eine Reise wert ist.

Paris gestern: die Stadt der Liebe und des Citroen 2 CV, üblicherweise „Ente“ genannt. Ein junges Paar auf den Treppenstufen an der Seine; ein Mann umarmt eine Frau auf dem Turm von Notre Dame, sie blicken über die Dächer der Stadt; der legendäre Renault-Bus mit Plattform, der bei den Parisern sehr beliebt war, weil er das Auf- und Abspringen ermöglichte.

Ein ganz anderes Paris

Das Paris der 1950er und 1960er Jahre war für Fotografen eine Reise wert. Auch für Friedrich Reinert, der damals ein ganz anderes Paris vor die Linse seiner legendären Leica M 3 bekam. Vom heutigen Stand aus ein nostalgisches Paris in Schwarz-Weiß-Aufnahmen: wahre fotografische Meisterwerke.

Darüber sind sich der Weiler Fotograf Rolf Frei und sein Luxemburger Kollege und Freund Lé Sibenaler einig. Frei hat zusammen mit seinem Mitarbeiter René Thoma eine Auswahl der großartigen Paris-Aufnahmen des Lörracher Fotografen und Malers ausgesucht und in einem kleinen, aber feinen Fotobuch „Paris 1952-1968“ herausgebracht.

Rolf Frei besitzt den fotografischen Nachlass der alten Schwarz-Weiß-Negative von Reinert, und Sibenaler hat literarische Texte zu den Aufnahmen erfunden. In seinen charmanten, originellen und witzigen Bildbeschreibungen ordnet er jedem Foto eine Geschichte zu.

Man blättert sehr gerne in dem fadengehefteten Büchlein. Der Blick bleibt an hübschen Momentaufnahmen von Straßencafés, Künstlern am Montmartre und Szenen an den Quais der Seine hängen, an dem Flic, der den Verkehr regelt oder dem Mann an einer der 43 Brücken, dessen Kopf auf seiner Baskenmütze ruht. Notre Dame erstrahlt bei Nacht, mit parkenden Autos davor, und ein Uniformierter salutiert am Amtssitz des französischen Präsidenten.

Es sind wahre Top-Bilder, die mit den Straßenfotografien des weltberühmten Henri Cartier-Bresson mithalten können. Nur ein Beispiel für diese Behauptung: Sommer 1958, ein Quartiermarkt, Frauen beim Einkauf, ein alter Mann, der einen Vogelkäfig anschaut: ein Alltagsmoment, ein besonderer Augenblick, bei dem die Kamera im richtigen Moment ausgelöst wurde.

„Das perfekte Bild“

Genauso war es bei der Impression am Trocadéro-Platz im Morgengrauen an einem Novembertag 1958, ein Spätherbstbild: der Nebel der Seine, der den Eiffelturm nur ahnen lässt. „Das perfekte Bild“, schreibt Sibenaler mit Recht dazu, „alles ist richtig, der goldene Schnitt, die Raumnutzung, die Tiefe, die Position der Menschen, einfach perfekt“.

Aber nicht nur das ist ein wahrhaft gutes Bild des Haagener Leica-Fotografen, der diese Szenen auf Kleinbildnegative bannte, die er später säuberlich archivierte und beschriftete. Die Eindrücke aus Paris geben nur einen kleinen Ausschnitt aus dem großen Fundus des Archivs, das auch viele Ordner mit Nachkriegsbildern aus anderen Städten wie Berlin, Köln, Dresden, Hamburg und Rom umfasst, ein „wahres Juwel“, wie Rolf Frei sagt.

Es sind Straßenszenen der 50er Jahre, die getreu Wirklichkeit wiedergeben, heute in dieser Art fast unmöglich zu realisieren. In diesen Fotos zeigt sich Friedrich Reinert (1908-1989), der beruflich Musterzeichner bei der KBC und Mitglied im Fotokreis Lörrach war, als Vorreiter der Street-Fotografie und des „Schiefhaltens“ der Kamera, was, so Lé Sibenaler, jetzt wieder aktuell sei.

Auffallend in Reinerts expressivem Fotostil sind die ungewöhnlichen und eigenwilligen Perspektiven, meist von einem Standpunkt oberhalb des abgelichteten Motivs, der gelungene und ausgewogene Aufbau der Bildkomposition und die starken Licht-Schatten-Kontraste.

Jedes Bild erzählt eine Geschichte

Im Kommentar zu den Paris-Bildern schreibt Rolf Frei, dass Reinert die französische Metropole in all ihren visuellen, magischen und poetischen Aspekten kannte, die Stadt und die alltägliche Umwelt liebte, instinktiv Situationen erkannte und Standorte suchte, wobei Menschen, Paare und Autos in den abgebildeten Szenen oft die Hauptrollen spielen: „Jedes Bild erzählt eine kleine Geschichte dieser Stadt“.

Bei der Buchvorstellung in der Weiler Buchhandlung Lindow las Wolfram Reinert, der Sohn des Fotografen, Texte aus dem Buch, und einige Aufnahmen wurden im Großformat gezeigt. Sibenaler würde sagen: Chapeau, Monsieur Reinert!   „Paris 1952-1968“, Fotografien: Friedrich Reinert, Texte: Lé Sibenaler, creavis Verlag, erhältlich in der Buchhandlung Lindow in Weil am Rhein und im Atelier Rolf Frei.

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