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Weil am Rhein Immer mehr kehren der Kirche den Rücken

Zoë Schäuble

Religion: Kirchenaustritte nehmen auch in Weil am Rhein zu / Kirchensteuer als Grund

Die Kirchenaustritte nehmen vielerorts zu, so auch in Weil am Rhein. 262 Personen sind in diesem Jahr bereits ausgetreten. Weitere werden erfahrungsgemäß bis zum Jahreswechsel folgen. Häufig wird die Kirchensteuer als Grund genannt, wissen die Weiler Pfarrer Michael Hoffmann und Gerd Möller – aber nicht nur.

Von Zoë Schäuble

Weil am Rhein. 2019 sind 250 Personen ausgetreten. „Diese Zahl haben wir nun bereits überschritten“, bilanziert Mirko Bähr, Pressesprecher der Stadt Weil am Rhein, auf Nachfrage unserer Zeitung. Erfahrungswerte zeigen, dass insbesondere zum Jahresende einige Mitglieder den Schritt zum Austritt beschließen. Damit rechnet jedenfalls das Haltinger Standesamt, von dem die Zahlen stammen.

Wer seine Mitgliedschaft bei der Kirche beenden will, muss dies persönlich beim Standesamt melden. Die Zuständigkeit richtet sich dabei nach dem jeweiligen Wohnort. Vorgelegt werden muss ein Personalausweis, alternativ ein Reisepass mit aktueller Meldebescheinigung. Gebührenpflichtig ist der Austritt zudem. In Weil am Rhein zahlen Erwachsene 13 Euro für den Vorgang. Mit 6,50 Euro ein wenig günstiger ist es für Jugendliche bis 17 Jahre – in Lörrach schlägt der Austritt mit 50 Euro zu Buche. Bähr: „Wenn man den Austritt beantragt, wird man schon für den darauffolgenden Monat von der Zahlungspflicht der Kirchensteuer entbunden.“ Dennoch, so mutmaßt der Pressesprecher und bezieht sich dabei auf die Informationen seitens des Standesamts, sei es nicht zwingend die Kirchensteuer – in Baden-Württemberg liegt sie bei acht Prozent – die viele zum Austritt bewege. „Ich vermute dahinter eher auch eine gewisse Kritik an den kirchlichen Strukturen.“

Steuer als Solidaritätsakt

Michael Hoffmann, Pfarrer der evangelischen Kirchengemeinde, betrachtet die Kirchensteuer hingegen als triftigen Grund für einen Austritt. „Seitens der Landeskirche ist das bestätigt.“ Wegen der strikten Verbindung von Kirchenmitgliedschaft und Zahlung der Kirchensteuer, die es so übrigens in kaum einem anderen Land gibt, sind die Zahlen der Austritte hierzulande auch so genau erfasst. Die Ursachenforschung der kirchlichen Verantwortungsträger gehört deshalb schlichtweg zum Amt dazu, findet Hoffmann. „Wir müssen uns mit den Gründen der Menschen beschäftigen, auch wenn wir sie nur selten tatsächlich erfahren.“

Auffällig sei, dass besonders jüngere Mitglieder häufig der Kirche den Rücken kehren. „Grundsätzlich ist jeder Austritt zu bedauern“, gerade bei der jüngeren Generation fehle aber oft ein direkter Bezugspunkt zur Institution Kirche, glaubt Hoffmann. „Wenn die Kinder und Jugendlichen Konfirmandenunterricht machen – also persönliche Feste feiern, dann entsteht auch eine engere Bindung.“

Als Solidaritätsakt solle man die Zahlung der Kirchensteuer betrachten, findet der evangelische Pfarrer. „Mit den Geldern werden die Gottesdienste gefeiert, Religionsunterricht ausgeübt und die Kirchengebäude erhalten“, nennt Hoffmann nur einige der Einsatzbereiche. „Selbst wenn man persönlich nicht direkt davon profitiert, so gibt es doch viele andere, die die seelsorgerische Tätigkeit der Kirche in Form von Gottesdiensten und anderem in Anspruch nehmen wollen.“

Nach den Gründen fragen

„Wenn Mitglieder uns den Rücken kehren, dann schreiben wir sie persönlich an und fragen auch nach den Gründen“, erklärt Gerd Möller, Pfarrer der katholischen Kirchengemeinde. Nicht immer erhalte er Rückmeldung. Falls doch – und das sei besonders in jüngster Zeit aufgefallen – nenne das Gros der ehemaligen Mitglieder politische und medial stark bearbeitete Themen, wie den unlängst aufgedeckten Missbrauchsskandal der Kirche. Möller: „Eher selten liegen die Gründe innerhalb der eigenen Kirchengemeinde.“

Auch die Kirchensteuer, pflichtet Möller Hoffmann bei, sei ein viel genannter Austrittsgrund. Obwohl er Austritte in allen Altersschichten beobachte, sei das Phänomen bei der jüngeren Generation verstärkt. „Viele Eltern lassen ihr Kind zwar taufen, aber im weiteren Verlauf des Aufwachsens spielt der Glaube dann oft keine große Rolle mehr.“ Es verwundert Möller daher nicht, dass gerade die Jugendlichen den Bezug zur Kirche verlieren. „Diesbezüglich hat sich in den vergangenen 20 Jahren einiges verändert.“ Die Kirche als Institution, als Ort, an dem man Geborgenheit erfahren könne, trete immer mehr in den Hintergrund.

Unverständlich findet der katholische Pfarrer auch, dass die Stadt die Austritte verwaltet. „Eigentlich sollte das Aufgabe der Kirche sein.“ Denn so habe man die Chance, mit den Menschen in einen Austausch zu treten, die Gründe zu erfahren. „Und“, das ist Möller besonders wichtig, „so bekämen wir die Möglichkeit, zu lernen und unter Umständen eine Veränderung zu bewirken.“

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