Weil am Rhein – Konzert „Wir überschreiten Grenzen“

Markus Adler
Intensive Beziehung: Felix und Till Neumann auf der Bühne im Freiburger E-Werk im Oktober. Foto: Markus Adler

Die Band „Zweierpasch“ kommt am 25. Januar ins Weiler Kesselhaus.

Als Weiler Beitrag für das Festival Festival „Compli’Cité“ in der Nachbarstadt Huningue hat Kulturamtsleiter Peter Spörrer die in der Region verwurzelte und bekannte Hip-Hop Band „Zweierpasch“ ins Kesselhaus eingeladen.

Zweierpasch – Felix und Till Neumann – wo seht Ihr euch musikalisch und persönlich am Anfang dieses neuen Jahrs 2024? Was nehmt ihr euch konkret vor?

Till Neumann: Frohes Neues erst mal an alle. Die globale Lage ist ja ziemlich düster: Ukraine, Israel-Gaza, Klima … das überschattet vieles. Aber vielleicht ist das ja auch eine Chance, sich zu besinnen, seine Kräfte aufs Wesentliche zu bündeln? Als Musiker wollen wir etwas verändern. Auch 2024. Wir haben viel vor: Seit dem 12. Januar erscheinen im Wochentakt neue Songs von uns. Ab Juni wollen wir damit auf Tour gehen durch Grenzstädte. Im April sind wir mit Band für mehrere Shows auf der Vulkaninsel La Réunion. Außerdem planen wir ein interstellares Planetarium-Konzert und ein Konzert auf einem Schwarzwald-Gipfel.

Ihr habt gerade ein Konzert in einer fahrenden Tram zwischen Kehl und Strasbourg gegeben. Wie fühlte sich das an – seid ihr froh, dass ihr in Weil im Kesselhaus quasi wieder festen statt fahrenden Boden unter den Füßen habt? Was war die besondere Herausforderung in der Tram live zu spielen, und wie probt man das?

Felix Neumann: Die Tramshow war legendär. Mit deutsch-französischen Songs über die Grenze zu fahren, das war noch besonderer als erwartet. Nach einem Jahr Vorbereitung und etlichen zu klärenden Sicherheitsfragen, hat es im September geklappt. Mit 50 Zuschauenden, die die Tram ganz schön zum Wackeln gebracht haben. Den Konzertfilm gibt’s jetzt auf YouTube und einen Trailer aktuell auch live im Kino.

Wenn in Weil die Tram wie geplant verlängert wird, kommt ihr dann vorbei und macht ein Konzert zwischen Läublinpark und der Neuweiler Straße in Basel? Kommt die Schweiz in euren musikalischen Grenzerfahrungen zwischen Deutschland und Frankreich auch vor?

T. N.: Na klar, nichts lieber als das. In der Schweiz sind wir bisher selten. Wirklich erklären können wir uns das nicht. Aber Basel steht auf dem Tourplan für dieses Jahr. Und wir haben dort gerade das Video zu unserer Kopf-Hoch-Single „Head High” gedreht. Eine herrliche Kulisse.

Ist es etwas Besonderes in einer solchen Grenzstadt wie Kehl oder Weil aufzutreten und hat eine solche Location wie hier im direkten Dreiland zwischen Basel und St. Louis andere Vibes wie zum Beispiel Karlsruhe oder Freiburg?

F. N.: „Wir überschreiten Grenzen, grenzenlos über Grenzen”. Jeder Zweierpasch-Fan kennt die Zeile. Wir feiern Grenzstädte. Das sind Schablonen für das, was es im Großen braucht: Mehr Miteinander statt Zumauern. Was für ein Luxus unsere Lage hier. Ein Blick in die Ukraine oder Israel sagt doch alles. In Weil haben wir übrigens den Basler Rapper Pyro dabei. Hammer, dass wir so auch die Bühne grenzüberschreitend füllen.

Ihr seid jetzt zwölf Jahre mit „Zweierpasch“ am Start. Wie seht ihr selbst eure Entwicklung und wie bleibt ihr trotz dieser Zeit motiviert, kreativ und intensiv?

T. N.: Wir leben und lieben Musik. Motiviert bleiben ist da irgendwie das kleinste Problem. Die Finanzen sind der größte Knackpunkt: Wir leisten uns den Luxus einer sechsköpfigen Band. Logistisch eigentlich Harakiri, aber musikalisch ein Traum. Die Inflation trifft leider auch kreativschaffende Selbstständige hart: Vieles wird teurer, bei der Kultur wird schnell gespart. Wir schrauben Gagen daher leider runter derzeit.

Bei Zwillingen ist oft die Rede von einer besonderen Verbindung. Weiß Till, was Felix denkt oder kann Felix erahnen, was Till im nächsten Song umsetzen will? Oder müsst ihr das genauso mühsam aushandeln wie jede normale Garagenband?

F. N.: Haha. An höhere Mächte glauben wir nur bedingt. Die Verbindung ist natürlich dennoch intensiv. Je älter wir werden, desto unterschiedlicher ticken wir zwei. Das führt zwar zu viel Diskussionen und manchmal auch Streit, aber das können wir gut als Zwillinge. Und es macht die Band nur besser.

Habt ihr selbst jeweils eine eigene deutsche und eine parallele französische Perspektive auf die Themen der Songs und wie setzt ihr diese Teile hinterher zusammen? Ergibt sich das rein intuitiv und wie kommen Text und Musik zusammen?

T. N.: Das geht komplett fifty-fifty: Mal legt Felix vor, mal Till. Wir ringen oft intensiv um Singles, Themen und Strukturen. Unsere Perspektiven sind manchmal überraschend anders. Da prägt uns auch das Umfeld: Felix lebt in Kehl, arbeitet nebenher mit Migranten. Till ist in Freiburg, hat einen Job als Journalist. Wir halten es da aber ganz mathematisch: 2 mal 2 macht 1.

Mir kommt es so vor, als seien eure Songs heute viel politischer als zu Beginn, als es doch auch um Alltagserfahrungen ging. Themen wie Krieg oder Frieden, Rassismus, Rechtsextremismus - braucht man aus eurer Sicht als Künstler zu allem eine klare Haltung oder sind einfach die Zeiten härter geworden?

F. N.: Ja, es braucht Haltung. HipHop war immer schon politisch. Und das sind wir auch. Wir glauben an die Kraft der drei Minuten, wollen mit unserer Musik aufrütteln und Dinge anstoßen. Unsere Single, die am 12. Januar erschienen ist, fasst diese Zweierpasch-Haltung in zwei Worte: Positive Rebellion.

Ein Liveauftritt, den ich im Freiburger E-Werk gesehen habe, kam mir durch den Einsatz der Bläser deutlich funkiger und ska-mäßiger vor als der Sound aus der Konserve. War das ein Zufall oder spielt ihr live einfach anders?

T. N.: Wir spielen Songs live anders, die Bläser sind da ein zentrales Element. Wir lieben es einfach mit Band auf der Bühne und bauen unsere Songs für Shows um. Die Studioversionen sind seit 2020 zu großen Teilen elektronisch produziert. Das hat in Corona-Zeiten gezwungenermaßen angefangen - und wir fahren das weiter so. Zum einen weil wir diese Soundästhetik lieben, zum anderen weil es vieles einfacher macht. Im Kern bleiben wir aber eine waschechte Liveband.

Songs wie „Le Feu“ erscheinen mir auch vom emotionalen Erlebnis deutlich intensiver als früheres Material. Sieht man die Welt mit Mitte 30 noch einmal etwas farbiger oder worauf führt ihr das zurück?

F. N.: Oh, das freut uns sehr. Ich denke, wir werden einfach besser. Auch live zahlt sich viel Spielen einfach aus. Unsere Shows sind zweifelsohne deutlich tighter als früher. Trotzdem bleibt Grenzgänger unser erfolgreichster Song. Und der ist zehn Jahre alt. In Kürze kommt eine 2024er-Reloaded-Version davon. Da freuen wir uns riesig drauf.

Kultur allgemein und Musik haben es nach der Pandemie immer noch relativ schwer. Wie geht ihr mit dem Spagat zwischen künstlerischem Anspruch, dem Wunsch nach Spaß sowie der Notwendigkeit, auch wirtschaftlich auf den Schnitt kommen zu müssen, um? Wann ist ein Konzert gut - wenn die Texte sitzen, alles technisch klappt oder wenn das Publikum abfeiert?

T. N.: Die Zeiten sind hart, das hören wir auch von Kollegen. Wir hatten zuletzt so viele Absagen, manchmal zieht das arg runter. Zwei Beispiele: Im November wären wir eine Woche nach Tunesien, im Januar eine Woche nach Frankreich auf Tour. Dann waren die Budgets zu knapp. Auf dem Drumset unseres Schlagzeugers Max steht ein vielsagender Aufkleber: „Don’t cry, work.” Das ist ein guter Slogan. Weitermachen, besser werden. Dann wird’s wieder. Die coolsten Shows sind die, mit frenetischen Fans. Technik und Details sind dann ziemlich egal.

 

Till und Felix Neumann

Die Zwillingsbrüder sind 1983 in Heilbronn geboren und in Adelsheim-Sennfeld bei Osterburken im Neckar-Odenwald-Kreis aufgewachsen.  Till Neumann ist  Musiker und Redakteur in Freiburg und hat einen Sohn. Sein Bruder Felix hat Politik/Sozialwissenschaften  studiert und arbeitet beim Diakonischen Werk in Kehl. Er hat zwei Kinder.

Das Konzert

Zweierpasch bei Compli’Cité
Donnerstag, 25. Januar 2024
Einlass: 18.30 Uhr
Konzertbeginn: 19 Uhr
Kulturzentrum Kesselhaus
Am Kesselhaus 9
79576 Weil am Rhein
Vorverkauf: 12 Euro / 9 Euro (ermäßigt)
Abendkasse: 13 Euro / 10 Euro (ermäßigt)
Vorverkaufsstellen: bei der Geschäftsstelle der Weiler Zeitung in Weil am Rhein oder dem Reisebüro Rebland in Haltingen oder im Internet unter www.reservix.de

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