Weil am Rhein Kunsthistorisch Interessierte statt Gläubige

Weiler Zeitung

Serie II: „850 Jahre Märkt“ / Kirchengemeinde sieht sich mit verschiedenen Entwicklungen konfrontiert

Weil am Rhein-Märkt (jas). Von der Kanzel herab predigt Jochen Debus eigentlich nie. Der Kontakt zur überschaubaren Zahl der Gottesdienstbesucher in der St. Nikolaus-Kirche lasse sich vom Chorraum aus und auf Augenhöhe besser herstellen, sagt er.

Rund 1160 Gemeindeglieder hat die evangelische Kirchengemeinde Eimeldingen-Märkt, davon sind etwa 300 in Märkt beheimatet. Von ihrer Größe her müssten insgesamt sechs Kirchengemeinderäte zusammen mit dem Pfarrer die Verantwortung in der Geschäftsleitung übernehmen. Schon die Wahl 2014 hatte es auf nur vier Mandatsträger gebracht, die aktuelle, am 1. Dezember, konnte mangels Kandidaten – lediglich zwei der bisherigen wollen weitermachen – gar nicht erst durchgeführt werden. Mindestens drei Bewerber wären nötig gewesen. Nun werden drei der vier amtierenden Ältesten kommissarisch weiterarbeiten. „Wir bemühen uns weiterhin, Interessenten für den Ältestenkreis zu gewinnen“, hofft Pfarrer Debus auf ein Gelingen der Nachwahl, „irgendwann im Frühjahr 2020“.

Mit zunehmend mangelnder Bereitschaft, sich ehrenamtlich zu engagieren, sind auch andere Einrichtungen und Vereine konfrontiert, Jochen Debus stellt aber einen „Traditionsabbruch“ fest. Der manifestiere sich nicht nur in den jährlich rund zwölf Kirchenaustritten, dem nur ein bis zwei Zugänge gegenüberstehen, und im Rückgang der Gottesdienstbesucher trotz wachsender Bevölkerungszahl in Märkt und Eimeldingen. „Kirchen werden vorwiegend von kunsthistorisch Interessierten besucht“, sagt Debus. Hinzu komme, dass Kinder den ursprünglichen Sinn von Weihnachten und anderen Festen des Kirchenjahres nicht mehr kennen. „Was ihnen noch bis vor ein, zwei Generationen die Eltern und Großeltern vermittelten, müssen nun häufig Kindergärten und der Religionsunterricht an Schulen leisten.“ Diesen sieht nun auch Pfarrer Debus, seit 2013 in der Kirchengemeinde tätig, als wichtigen Teil seiner Gemeindearbeit. Mit einigem Erfolg, wie er bei den jüngsten Konfirmanden beobachtet haben will.

Auch neue Gottesdienst-Formate wie der im Team ausgearbeitete „Gottesdienst 18.0“, zu dem mittlerweile gut 40 auch jüngere Besucher kommen, sollen dazu beitragen, die Gemeinde zu beleben und Gemeinschaft stärker zu betonen, „wie es die Landeskirche lehrt“. Das ist auch eine Reaktion auf den Zulauf der evangelischen Freikirchen, wie dem G5 in Eimeldingen.

Jüngere wieder anziehen

Arbeitskreise sind gegründet worden, um Gottesdienste unterhaltsamer, moderner und familiengerechter zu gestalten, Kindergärten stärker zu integrieren und um Veranstaltungen und Unternehmungen auszuloten, die auch jüngere anziehen. Ergebnisse und erste konkrete Schritte sind für Februar geplant.

Was davon in Märkt umgesetzt werden kann, muss sich noch zeigen. Mangels technischer Voraussetzungen etwa findet der „Gottesdienst 18.0“ nur in Eimeldingen statt. Gleichwohl hebt Pfarrer Debus die Bedeutung der kleinen Dorfkirche hervor, wo jeden Monat ein Gottesdienst stattfindet, den auch Eimeldinger Gemeindemitglieder gerne besuchen – zumal sie seit dem Brand in ihrer St. Martinskirche im Jahr 2013 die heimelige Atmosphäre in St. Nikolaus schätzen gelernt haben.

Beim bevorstehenden Weihnachtsfest dürften auch die Märkter zahlreich in ihre Kirche kommen, wenn am heutigen Heiligabend um 15 Uhr das Krippenspiel beginnt und um 16.30 Uhr die Christvesper. Und dass der Silvester-Gottesdienst mit Abendmahl im alten Jahr ab 18 Uhr stets in Märkt stattfindet, ist ohnehin beschlossene Sache.

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