Weil am Rhein Läuft es oder läuft es nicht?

Beatrice Ehrlich

Bestandsaufnahme an der Weiler Hauptstraße

Für Beat Rütti beginnt sein Weiler Glück beim Aussteigen aus der Straßenbahn. „Hier zu sein, ist immer ein bisschen wie Urlaub“, schwärmt der ehemalige Leiter des Archäologieparks Augusta Raurica, der sich im Eiscafé an der Hauptstraße bei einem Capuccino die Sonne ins Gesicht scheinen lässt. Mit ihm unterwegs ist Beat Gerber, Sozialpädagoge im Ruhestand. Er hat gerade eine Reise nach Griechenland gebucht – in einem Weiler Reisebüro. Später will er noch in einem nahe gelegenen Geschäft die Batterie seiner Uhr wechseln, „das ist hier halb so teuer wie in der Schweiz“. Beide schätzen, dass sie hier draußen in einem Café sitzen können. In Basel, wo sie leben, gebe es das so nicht. Dass in Weil über eine Fußgängerzone abgestimmt wurde, haben die beiden verfolgt. „Das hätten wir toll gefunden“, sagt Rütti, „es wäre schön, wenn es weniger Verkehr gäbe“. Aber auch so sei es schön, fügt er gleich hinzu.

Einkaufen anderswo

Ganz anders als die beiden Gäste aus Basel sieht es Roswitha Baumgartner, die direkt an der Hauptstraße wohnt. Wenn man den Dreck in der Stadt sehe, mache das Einkaufen keinen Spaß, schimpft sie. Zum Beispiel die Gelben Säcke etwas weiter die Straße hinauf, die die Müllabfuhr wieder einmal nicht mitgenommen hat, und die jetzt einfach so daliegen. Sie hat im Februar für die Fußgängerzone gestimmt.

„Leider hat das nicht geklappt.“ Eine Bekannte, ebenfalls Weilerin, die neben Baumgartner im Café sitzt, stimmt ihr voll und ganz zu. Sie fahre nur noch nach Lörrach oder Freiburg zum Einkaufen.

Kaffee trinken, Autos gucken

Eine dritte Perspektive vertreten drei Männer, die ebenfalls im Eiscafé Platz genommen haben – alte Bekannte, die in Haltingen aufgewachsen sind, und heute dort und in Eimeldingen wohnen. Kaffee trinken, Menschen treffen und die Lastwagen zählen, die trotz Durchfahrtsverbot durch die verkehrsberuhigte Zone fahren, ist das, was sie hierher zieht.

Manchmal fahre auch ein schöner Sportwagen vorbei, sagt einer von ihnen mit anerkennender Miene. Eine Fußgängerzone braucht es wegen ihnen nicht, sie haben dagegen gestimmt. Ein Trämli im Ringverkehr, das würden sich die drei, die Weil lieben und schätzen, wie es früher war, schon eher wünschen.

Internetcafé und Nagelstudio

Fußgängerzone hin oder her – im unteren Bereich der Hauptstraße stehen Anfang Mai weniger Geschäfte leer als noch vor zwei Monaten. Einige Geschäfte haben geschlossen oder sind weggezogen, andere haben neu aufgemacht: ein Internetcafé, ein Nagelstudio, ein Geschäft für Schönheitsprodukte, das nach längeren Renovierungsarbeiten wegen eines Wasserschadens nun am kommenden Montag eröffnet werden soll.

Wo bis letzten Sommer Goldschmied Christian Heim handgefertigten Schmuck verkauft hat, stehen jetzt Döschen mit Pillen und Cremetöpfe in den Regalen. Ganz in Weiß gestaltet sind die Räume mit einer tiefvioletten Orchidee als Blickfang. Ein Kosmetikstudio im oberen Stockwerk gehört auch dazu. Ansprechen wolle man junge Frauen und Mütter, sagt Cherine Taing, eine junge chinesische Unternehmerin aus Basel. Sie habe schon lange ein Ladengeschäft in Weil gesucht, jetzt habe sich die Gelegenheit ergeben.

Traum vom eigenen Laden

Über zwei Monate gesucht hat auch Birgit Seyfried, bevor sie vor acht Wochen ihren Traum vom eigenen Geschäft für Tee, Kaffee, Pralinen und Geschenke verwirklichen konnte. „Nicht schimpfen, einfach mal machen“, sagt sie mit Blick auf die vielen Debatten um Fußgängerzone und Ladenleerstand. Die Innenstadt soll nicht aussterben. Für sie ist das so: „Es läuft doch.“ Im „Tea & Time“ riecht es nach Tee und Kaffee, in der Auslage liegen Pralinen aus Belgien, vom Cupcake Lemon Cheesecake bis zum Sommerfruchttörtchen, sorgfältig beschriftet mit Füller und in schöner Handschrift.

Dass sie auch Wolle verkauft, ist für Seyfried folgerichtig: Teetrinker stricken gern, ist sie überzeugt, und Leute, die stricken, tränken gern eine schöne Tasse Tee – eine gute Mischung. Die Leute fänden das Angebot toll, immer wieder bekomme sie Komplimente für ihren schönen Laden. „Ich habe offensichtlich einen Nerv getroffen.“ Das findet auch Rita Herder, die auf der anderen Straßenseite wohnt: „Der Teeladen ist eine Bereicherung“. Über fehlende Läden will sie sich nicht beschweren: „Wir haben hier wirklich alles in der Nähe“.

Im Ladenlokal nebenan, einer ehemaligen Buchhandlung wird noch renoviert. Dem Vernehmen nach soll ein türkisches Restaurant eröffnen. Der Inhaber will sich aber dazu nicht äußern.

Friseur und Bioladen als Anlaufpunkte

Ein paar Schritte weiter, bei der Apotheke, sind Marianne und Sarah Falchi, Mutter und Tochter aus Muttenz in der Schweiz, kurz stehengeblieben, um zu telefonieren. Sie waren beide gerade beim Friseur und wollen jetzt noch schnell ein Geschenk für Sarahs Tochter kaufen, die gerade das Abitur bestanden hat, wahrscheinlich ein kleines Schmuckstück.

„Wir kommen sehr oft“, sagt Marianne Falchi, neben dem Friseur seien auch der Bioladen und das Reformhaus feste Anlaufpunkte. Manchmal kämen sie auch abends zum Essen, türkisch oder asiatisch. Auch in der Dreiländergalerie waren sie schon mal. „Schön, aber leer“, kommentiert Sarah Falchi.

Die Atmosphäre im Dreiländereck genießt eine Französin aus Wentzwiller in Frankreich, die mit ihrer elfjährigen Tochter beim City-Grill für Bratwurst mit Pommes ansteht. Die beiden nutzen den schul- und arbeitsfreien Mittwoch in Frankreich, um in Deutschland auf die Suche nach einem Paar Schuhe zu gehen.

400 Quadratmeter stehen bald wieder leer

Dass in der Pop Up Gallery im ehemaligen Commerzbankbau abends manchmal viel los ist, haben Anwohner und Ladenbetreiber schon bemerkt: immer dann, wenn Dieter Korb eine Ausstellung eröffnet, so auch wieder am Freitag um 18 Uhr. Dann ist auch schon Schluss: Die Pop Up Gallery schließt Ende Mai, um an einem anderen Ort ihre Pforten zu öffnen. Dann stehen die 400 Quadratmeter Fläche wieder leer.

Korb ist vehementer Befürworter einer Fußgängerzone in diesem Abschnitt der Hauptstraße. An die geltende Geschwindigkeitsbegrenzung würde sich kaum jemand halten, eine Frau mit Kinderwagen komme kaum auf die andere Seite der Straße, so dicht sei der Verkehr und so rücksichtslos die Fahrer, hat er durch die Glasscheiben seiner Räume beobachtet. Sein Ziel: keine Autos. „Die Straße sei so breit, man könnte richtig toll flanieren“, findet er.

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