Weil am Rhein Licht ins Dunkel bringen

Ingmar Lorenz
Robert Neisen Foto: ov

Geschichte: Nationalsozialistische Vergangenheit von Weil am Rhein soll aufgearbeitet werden

Der Historiker Robert Neisen wird die nationalsozialistische Vergangenheit der Stadt Weil am Rhein aufarbeiten. Die Mitglieder des Kultur-, Sport- und Verwaltungsausschusses gaben dafür am Dienstagabend grünes Licht. Dunkle Kapitel sollen beleuchtet und große Lücken in der Weiler Geschichtsschreibung geschlossen werden.

Von Ingmar Lorenz

Weil am Rhein. Dass es gravierende Leerstellen in den bisher publizierten Werken zur Weiler Geschichte zwischen 1933 und 1945 gibt, legte Neisen in der Sitzung dar, in der er die Grundzüge seines Konzepts zur Aufarbeitung der nationalsozialistischen Vergangenheit skizzierte. Der Historiker ging dabei auch kurz auf seine bisherige Tätigkeit im südbadischen Raum ein. Unter anderem hat Neisen bedeutende Beiträge zur Aufarbeitung der NS-Zeit in Lörrach beigesteuert. Gerade das sei für die Verwaltung mit ausschlaggebend gewesen, an Neisen heranzutreten, erklärte OB Wolfgang Dietz einleitend. Es sei ein sensibles Thema, mit dessen Umgang es Feingefühl und Sorgfalt brauche, legte der OB dar.

Vorhandene Werke sind lückenhaft

Neisen ging in der Vorstellung seines Konzepts zunächst unter anderem auf die vorhandenen Werke zur Geschichte von Weil am Rhein und den Ortsteilen ein. Es gebe gute Werke zu einzelnen Ereignissen, aber keine umfassende Gesamtdarstellung, so sein Fazit. Die Ortschroniken seien insofern problematisch, als dass weite Teile der nationalsozialistischen Vergangenheit ausgeblendet werden. Kommt es doch zu einer Erwähnung, so stehe meist das Kriegsgeschehen im Vordergrund, ohne dass auf dessen Ursprünge eingegangen werde. Die in den 1980er-Jahren entstandene Ortsbeschreibung gehe detaillierter auf die NS-Zeit ein, allerdings ohne beispielsweise die Rolle der Vereine, der Kirche oder auch das Verhältnis zu der Schweiz und zu Frankreich zu erörtern. Auf die Ausschaltung der politischen Gegner werde hingewiesen, allerdings ohne konkrete Fälle zu benennen.

Diese Bestandsaufnahme, so Neisen, führe zu der Schlussfolgerung, dass es zwei Desiderate gebe: erstens eine Gesamtdarstellung der NS-Zeit in Weil am Rhein und den Teilorten, zweitens eine Darstellung der Gewalttaten und der Schicksale der Opfer. Letztere könnten dadurch nachträglich ein Stück weit Gerechtigkeit erfahren. „Das ist auch für die Nachkommen sehr wichtig“, betonte der Historiker.

Neisen ist zudem daran gelegen, bei seiner Aufarbeitung der Weiler NS-Zeit nicht nur auf die sogenannte Führungsriege zu schauen, sondern die gesamte Gesellschaft – samt dem Mitläufertum – zu betrachten. Dabei gehe es aber nicht darum, sich moralisch über die Zeitgenossen zu erheben.

Eine wichtige Rolle spiele zudem Weils Lage im Dreiländereck. Vor diesem Hintergrund werde noch geklärt, ob auch die französischen Quellen in Huningue, Saint Louis und Colmar mit einbezogen werden sollen.

Eine Möglichkeit sei diesbezüglich gegebenenfalls die Zusammenarbeit mit der Universität Freiburg, indem die Erforschung im Zusammenhang mit dem Erstellen einer akademischen Abschlussarbeit erfolgt.

Auch erklärte Neisen, dass es prinzipiell möglich sei, auch die Nachkriegszeit mit in seinen Auftrag einzubeziehen, wobei dann aber aufgrund des hohen Arbeitsaufwands das Honorar erhöht werden müsste. Bislang sind für die Aufarbeitung 60 000 Euro vorgesehen.

Arbeit wird mehr als ein Jahr in Anspruch nehmen

Die Arbeit werde mehr als ein Jahr in Anspruch nehmen, blickte Neisen voraus. Zunächst habe er noch ein Projekt für den SC Freiburg abzuschließen, anschließend werde er mit der Aufarbeitung der NS-Zeit in Weil am Rhein beginnen. Dabei werden jedoch die Zeitzeugengespräche so früh wie möglich geführt, versicherte der Historiker.

Seitens der Ausschussmitglieder wurde das vorgestellte Konzept gelobt. „Ich bin sehr froh, dass es zeitnah losgeht“, sagte Irmgard Lorenz (Grüne). Auch Susanne Engler (UFW) befand: „Es ist wichtig, dass wir das Thema angehen.“

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