Weil am Rhein „Man kann es nicht allen Leuten recht machen“

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Rainer Stickelberger Foto: sif

Interview: Rainer Stickelberger zur Lage der SPD / Forderung nach einem klareren, markanten Profil

Weil am Rhein - Rainer Stickelberger (70) hat die Landespolitik 20 Jahre als Landtagsabgeordneter, davon fünf Jahre als Justizminister, mitgeprägt. Die SPD ist seine Partei, ihr gehört er seit nunmehr 50 Jahren als Mitglied an. Unsere Zeitung sprach mit dem Sozialdemokraten, der, wie berichtet, sich Ende dieses Monats aus der Landespolitik zurückzieht. Stickelberger wünscht sich von seiner Partei künftig ein klareres Profil.

Frage: Wie sind Sie einst zur SPD gekommen?

Da mein Vater SPD-Gemeinderat in Haltingen war, wurde zuhause schon immer politisiert. Das hat mich geprägt. Ein guter Gemeinschaftsunterricht am Gymnasium tat ein Übriges dazu. In den 60er-Jahren habe ich mit dem heutigen langjährigen SPD-Stadtrat Jürgen Valley die Jusos in Haltingen gegründet und mich seither für die sozialdemokratische Partei und deren Werte und Überzeugungen engagiert.

Frage: Ihre politischen Vorbilder?

Die Ära Brandt mit der Ostpolitik zog einen schon in den Bann. Und die 68er-Bewegung, der Protest gegen verkrustete Strukturen, und die Liberalisierung der Gesellschaft lösten natürlich eine Faszination auf junge Leute aus. Das war eine spannende Zeit, eine Zeit des Aufbruchs.

Frage: Seit nunmehr 50 Jahren sind Sie Sozialdemokrat und gelten als ein Mann der Mitte. Sie haben in all den Jahren Höhen und Tiefen Ihrer Partei erlebt. Gab es mal einen Moment, in dem Sie der SPD den Rücken kehren wollten?

Nein. Mit der eigenen Partei geht man immer kritischer um. Und natürlich war ich hie und da anderer Meinung, das ist doch normal. Aber Querelen, vor allem Personalquerelen, die stets Vertrauen kosten, weil die Leute keinen internen Parteienzwist wollen, ärgern einen schon. Doch nie hatte ich den Gedanken an eine Abkehr von der SPD.

Frage: Bei Ihrer ersten Wahl in den Landtag 2001 hatten Sie mit 41,6 Prozent der Stimmen auf Anhieb ein überragendes Ergebnis und das Direktmandat im Wahlkreis geholt.

Ja, mein Ergebnis damals war das zweitbeste der SPD auf Landesebene. Das gab natürlich schon kräftig Rückenwind.

Frage: Ein paar Jahre später setzte die Talfahrt der SPD ein, die heute in Baden-Württemberg bei elf Prozent dümpelt. Was sind die Ursachen?

Da gibt es viele. Ein wesentlicher Grund ist die Verschiebung des Parteiengefüges. Es kamen zuerst mit den Grünen, dann mit der Linken und schließlich 2013 mit der AfD neue Parteien hinzu. Viele Stimmen der SPD sind zur Linken und zu den Grünen abgewandert.

Das Parteienspektrum ist nicht mehr stabil wie früher, die Volksparteien zerbröseln. Um so mehr freue ich mich, dass unser Kandidat Jonas Hoffmann im Wahlkreis trotzdem den Sprung in den Landtag geschafft hat und mein Nachfolger wird.

Frage: Was raten Sie Ihrer Partei, um aus diesem Tief wieder hinauszukommen?

Sie muss lauter, klarer und markanter in ihrem Profil werden. Man kann es nicht allen Leuten recht machen. Und sie darf sich nicht im Klein-Klein verlieren. Man muss zur Kenntnis nehmen, dass der Zeitgeist derzeit stark grün geprägt ist. Das wichtige Thema Klimapolitik wird automatisch bei den Grünen verortet. Es ist derzeit schick, Grün zu sein, Grün ist fast ein Selbstläufer. Dagegen müssen wir als SPD Antworten finden und, wie gesagt, unser Profil deutlicher schärfen.

Frage: Sind Sie enttäuscht, dass die SPD an der neuen Regierung nicht beteiligt sein wird und Ministerpräsident Kretschmann lieber mit der CDU regiert?

Was heißt enttäuscht? Natürlich hätte ich eine Ampelkoalition lieber gesehen. Doch mit einer geschwächten CDU kann Kretschmann wohl leichter regieren als in einer Dreier-Koalition.

Frage: Wie ist Ihr Verhältnis zu Winfried Kretschmann?

Persönlich habe ich ein gutes, respektvolles Verhältnis zu ihm, auch wenn wir in der Sache oftmals unterschiedlicher Auffassung waren.

Frage: Wie ist das politische Klima im Landtag?

Es ist im Laufe der Zeit deutlich rauer geworden, auch sind persönliche Angriffe viel ausgeprägter. Manche Landespolitiker gehen andere schon hart an. Aber 20 Jahre Landtag härten ab.

Frage: Werden Sie nach dem Rückzug aus der Landespolitik politisch aktiv bleiben?

Ja, aber nicht an vorderster Front. Im Ortsverein und im Kreis, wo ich dem Vorstand angehöre, werde ich mich weiterhin engagieren. Doch in der vorderen Reihe müssen jetzt Jüngere ran.

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