Weil am Rhein „Man muss Menschen mögen“

Ingmar Lorenz
Schulleiter Martin Haas geht in den Ruhestand. Foto: Ingmar Lorenz

Interview: Martin Haas lässt seine langjährige Tätigkeit als Schulleiter am Kant Revue passieren

Mit dem heutigen letzten Schultag vor den Sommerferien endet am Kant-Gymnasium eine Ära. Denn für Martin Haas ist es zugleich sein letzter Tag als Schulleiter. Im Jahr 2001 war er an die Weiler Schule gekommen, nun geht er in den wohl verdienten Ruhestand.

Von Ingmar Lorenz

Weil am Rhein. Im Gespräch mit unserer Zeitung blickt Martin Haas auf die insgesamt 30 Jahre zurück, die er als Lehrer tätig war, skizziert die wichtigsten Entwicklungen am Kant in den vergangenen beiden Jahrzehnten und erklärt, wie sich die Schule und das Lehren im Lauf der Jahre verändert haben.

Frage: Herr Haas, heute endet Ihre berufliche Laufbahn. Blicken wir ein wenig zurück: Was ist Ihnen von Ihrem allerersten Arbeitstag als Lehrer in Erinnerung geblieben?

Eine direkte Erinnerung an den ersten Arbeitstag habe ich nicht mehr. Schließlich liegt er 30 Jahre zurück. Ich weiß aber noch, dass ich mich unheimlich gefreut habe, dass ich endlich Lehrer sein konnte. Woran ich mich allerdings noch gut erinnere, ist mein zweiter Arbeitstag am Kant-Gymnasium.

Frage: Wieso das?

An diesem Tag haben wir am Vormittag fröhlich die neuen Sextaner begrüßt, und am Nachmittag saßen wir alle gebannt vor dem Fernseher und haben gesehen, wie sich die Welt total verändert hat. Es war der 11. September 2001.

Frage: Wie sah Ihr beruflicher Werdegang aus, bevor Sie ans Kant-Gymnasium gekommen sind?

Ich war Lehrer am Hans-Thoma-Gymnasium in Lörrach. Zuvor hatte ich 1982 mein Staatsexamen gemacht. Zu dieser Zeit gab es aber keinerlei Einstellungen in den Schuldienst. In dieser Situation hatte ich das Angebot, an der Uni Freiburg zu bleiben – zunächst als Hilfskraft, später im Rahmen einer Assistentenstelle. Dort habe ich in Mathematik promoviert und erhielt einen Arbeitsvertrag über fünf Jahre. Zu meinen Aufgaben gehörte damals unter anderem die Betreuung der Studenten und Organisatorisches in der Verwaltung. Als der Vertrag 1990 auslief, bin ich ins Referendariat gegangen.

Frage: Konnten Sie von dieser Tätigkeit später in Ihrer Rolle als Schulleiter des Kant-Gymnasiums profitieren?

Ja, klar. Zum einen hatte ich bereits gelehrt, zum anderen Einblicke in die Arbeit der Verwaltung erhalten. Ich war an der Uni für die gesamten Prüfungsangelegenheiten in der Mathematik zuständig.

Frage: Wie kam es später dazu, dass Sie später am Kant die Leitung übernahmen?

Als ich im September 2001 ans Kant kam, war noch Manfred Krüger Schulleiter, später Ralf Bohn. Er ist im laufenden Schuljahr 2004/5 in den Ruhestand getreten. Da ich selbst also schon mehrere Schulleiter erlebt hatte, konnte ich ungefähr einordnen, wie ich in dieser Position agieren würde. Das habe ich zum Anlass genommen, mich zu bewerben.

Frage: Wie hat sich die das Kant-Gymnasium im Lauf der Zeit verändert?

Schule ist immer ein Spiegelbild der Gesellschaft. Wir hatten eine rasante Entwicklung. Als ich anfing, gab es am Kant etwa 800 Schüler. Dann kamen jährlich drei Klassen hinzu. Das heißt, wir hatten ein Anwachsen bis 2010/11 auf etwa 1300 Schüler. Es hat sich schon früh abgezeichnet, dass etwas passieren muss. Zuerst liefen ab 2003 die Vorbereitungen für die Errichtung des Humboldt-Baus, der 2005 eingeweiht wurde. Schnell wurde klar, dass auch dies nicht reichen würde. So begann 2008 die Planung für das OGW, das nach einer Rekord-Bauzeit 2011 in Betrieb gehen konnte. Jetzt sind wir wieder bei 800 Schülern angelangt.

Der Wandel in den pädagogischen Grundsätzen eines Gymnasiums findet in diesen Bauten seinen Niederschlag. 2003 gab es von der Rot-Grünen Bundesregierung ein Programm zur Förderung von Ganztagsschulen, ideal für den Einbau einer Cafeteria im Humboldt-Gebäude. Gleichzeitig hatten wir in Baden-Württemberg eine CDU-geführte Regierung. Das Wort „Ganztagsschule“ konnte man zu diesem Zeitpunkt im Grunde noch gar nicht in den Mund nehmen. Das heißt, dass wir ein Förderkonzept für eine Schule mit ganztägigem Betrieb schreiben mussten, ohne das Wort „Ganztagsschule“ zu benutzen (lacht). Der Bau des OGW wurde dann schon wie selbstverständlich an den Erfordernissen einer Ganztagsschule ausgerichtet.

Frage: Wie haben sich die pädagogischen Konzepte im Lauf der Zeit verändert?

Es gab eine Verlagerung vom stark Inhaltsspezifischen und Fachlichen hin zum Methodischen, zum Präsentieren und zu dem, was man summiert unter Kompetenzorientierung zusammenfasst. Es geht dabei darum, die Schüler zum Beispiel zu befähigen, mit Geräten entsprechend umzugehen oder sich gezielt Informationen zu beschaffen, zu verarbeiten und zu präsentieren. Damit geht auch einher, dass der klassische Frontalunterricht nicht mehr die gleiche Rolle spielt wie früher. Fremdsprachen werden vermehrt über das Sprechen selbst vermittelt, während früher Strukturen und Grammatik im Vordergrund standen. In der Mathematik versucht man sehr stark, einen Anwendungsbezug aufzuzeigen, über den die Schüler dann ein mathematisches Modell entwickeln können.

Frage: Was hat sich im Bereich Digitalisierung getan?

Als ich noch als Lehrer in Lörrach tätig war, habe ich jahrelang an einem Pilotprojekt mit dem Namen „Mobiles Klassenzimmer“ mitgewirkt. Dabei wurden in zwei Klassen alle Schüler mit Laptops ausgestattet, auf denen eine spezielle Software für Mathematik installiert war. Das hat den Mathe-Unterricht vollkommen verändert. Es taten sich ganz neue Fragestellungen auf. Ich habe das später auch am Kant eingeführt, leider wurde das Projekt dann aber vonseiten des Ministeriums eingestellt. Man war aber im Grunde Mitte der 90er-Jahre schon an einem Punkt, an den man später gerne angeknüpft hätte. In puncto Ausstattung waren wir am Kant um die Jahrtausendwende gut aufgestellt. Nur ist die Technik inzwischen veraltet. Man muss bei der Digitalisierung der Schulen immer bedenken, dass die Mittel nicht einmal zur Verfügung gestellt werden und sich die Sache damit erledigt hat, sondern dass es ein stetiger Prozess ist.

Von den Lehrern wird viel verlangt, weil die Vermittlung der digitalen Inhalte eine Menge Zeit in Anspruch nimmt, die gegebenenfalls an anderer Stelle fehlt. Auch die Organisation zur Instandhaltung der Geräte oder die Klärung von rechtlichen Fragen nimmt mehr Zeit in Anspruch, als den Lehrern eigentlich zur Verfügung steht.

Frage: Welche Veränderungen im Schulsystem halten Sie für nötig?

Die Schule braucht dringend wieder ein wenig Ruhe. Schule lebt von dem Miteinander von Lehrern und Schülern im Klassenzimmer. Das ist das absolute Kerngeschäft. Ganz wichtig ist außerdem, dass das Schulleben neben dem Unterricht wieder durch die Belebung von AGs oder durch Ausflüge gestärkt wird. Dabei wird man auch vieles neu aufbauen müssen.

Frage: Was war für Sie persönlich ausschlaggebend dafür, den Beruf des Lehrers zu ergreifen?

Ich wollte schon immer Lehrer werden. Es war in meiner Jugend keinesfalls selbstverständlich, dass ein Kind aus einer Arbeiterfamilie aufs Gymnasium gehen kann. Das hat mir gezeigt, wie wertvoll Bildung ist. Natürlich haben mich auch meine eigenen Lehrer und meine späteren Erfahrungen

geprägt. Auf einer meiner ersten Fortbildungen wurde die Motivation, die ein Lehrer mitbringen muss, auf den Punkt gebracht: Man muss Menschen mögen. Zudem gibt es nirgendwo so vielfältig zu tun, wie im Lehrerberuf.

Frage: Haben Sie schon Projekte für den anstehenden Ruhestand?

Ein Projekt ist sicher, Abstand zu gewinnen von dem, was ich 20 Jahre lang in absoluter Verantwortung getan habe. Das braucht Zeit. Ich werde mich ausruhen, mich auf mich selbst besinnen und mich auch ganz anderen Dingen zuwenden.

Frage: Was möchten Sie Ihrem Nachfolger, Stefan Wiedenbauer, mit auf den Weg geben?

Jeder Schulleiter geht seinen eigenen Weg, und das ist gut so. Deswegen werde ich mich hüten, irgendeinen Rat zu erteilen (lacht).

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