Weil am Rhein Mit einer Glaskugel statt einem Fernglas

Marco Fraune
Die Stadt hat weniger eingenommen, aber auch weniger ausgegeben. Foto: sba

Kämmereibericht: Dank Zuweisungen und geschobenen Projekten hält sich Defizit in Grenzen / Prognose für Zukunft schwierig

Weil am Rhein - Die Gewerbesteuer-Einnahmen tröpfeln statt sprudeln und der Blick in die Zukunft ist noch von dickem Nebel auf Sichtweite reduziert: Bei der Präsentation des Kämmereiberichts für das abgelaufene letzte Quartal 2020 zeigte sich im Finanzausschuss abermals, welche Spuren die Corona-Krise im Stadtsäckel hinterlässt – Ende offen.

Immer wieder ist von der Stadtspitze um OB Wolfgang Dietz und Bürgermeister Rudolf Koger sowie Räten am Montagabend das Bild der Glaskugel bemüht worden, in die man blicke. So viele Glasbläsereien habe Weil gar nicht, wie notwendig wären, reflektierte das Stadtoberhaupt in der Bildsprache bleibend.

Die nackten Zahlen für das abgelaufene Jahr vernebeln dabei den wahren Blick: Zwar wird das Defizit bei den ordentlichen Erträgen von gut 3,5 Millionen Euro auch durch Wenigeraufwendungen von knapp 4,9 Millionen Euro aufgefangen. Die Ergebnisprognose von minus rund 230 000 Euro statt eines befürchteten Millionen-Lochs dürfe auch laut OB Dietz aber nicht als pure Zahl so stehen bleiben.

Vielmehr sprach er von einer „Momentaufnahme“, einer Stichtagsbetrachtung zum 31. Dezember. Denn dies konnte nur dadurch erreicht werden, weil Bund und Land Millionen-Zuschüsse auch nach Weil am Rhein gepumpt haben und Rathaus sowie Gemeinderat auf die Ausgabenbremse getreten sind, womit aber die erforderlichen Maßnahmen in der Zukunft fällig werden.

Dietz machte aber nochmals klar, dass dies keine Dauerlösung ist: „Es geht um den Substanzerhalt, man kann nicht Dinge vor sich hertragen.“

Eine Kraftanstrengung

Sehr positiv bewertete er die im Rathaus geleistete Arbeit. So sei nicht mit der Rasenmähermethode über die Haushaltsansätze gekürzt worden, sondern mit Mut und Kreativität. „Das Haus hat exzellent gearbeitet.“ Exemplarisch nannte er die frühzeitig umgesetzte Kurzarbeit.

Personalamtsleiter Christoph Braun habe sogar Anrufe von anderen Personalverantwortlichen erhalten, wie Weil es macht. „Es erfordert Mut, der nicht jeden begeistert“, erklärte der OB.

„Wir sind mit einem blauen Auge davon gekommen“, zog auch Andreas Rühle (UFW) ein positives Zwischenfazit. Der Blick in die Glaskugel bleibe jedoch und die Aufwendungen seien nur geschoben worden. „Ich hoffe, dass im Sommer nicht höhere Kosten auf uns zukommen.“ Beachtet werden müsse zudem, dass das Laguna Badeland im Zahlenwerk nicht enthalten sei, was mittlerweile seit fast einem Jahr geschlossen ist und damit nur Ausgaben, aber keine Einnahmen hat.

„Wir hängen am Tropf“, ergänzte Jürgen Walliser (UFW) mit Blick auf die Landeszuschüsse. Wie sich diese angesichts der anstehenden Landtagswahl noch entwickeln, ist auch für OB Dietz unklar. „Wir müssen auf Sicht fahren.“ Man komme durch, und Haushaltsdisziplin sei in noch härterer Form schon ab dem Jahr 2000 gefragt gewesen. „Mit der Sänfte durch die Krise wird es aber nicht gehen.“

Keine Wiederholung

Das Bild des blauen Auges fand auch Koger zutreffend, doch dies sei vor allem den Kompensationszahlungen geschuldet. Ansonsten hätte das Defizit bei rund sechs Millionen Euro gelegen, rechnete der Bürgermeister hoch. Doch in diesem Jahr werde sich das nicht wiederholen, befürchtet der Kämmerer. Dies sei nicht nur eine Frage des nicht Wollens der Stuttgarter Regierung, sondern angesichts der hohen Belastungen auch eine des nicht Könnens, sorgt sich Dietz. Und letztlich müssten die Zuschüsse die Bürger über die Steuern zahlen.

„Klar und bewusst“ ist sich auch SPD-Fraktionschef Matthias Dirrigl, dass sich die finanzielle Situation täglich ändern kann. Wichtig sei aber weiter die Digitalisierung an den Schulen. „Die Verlässlichkeit der Stadt ist wichtig und die zeigen Sie.“

Als gut, dass rechtzeitig eine Haushaltssperre verhängt wurde, bewertete Grünen-Fraktionssprecher Martin Fischer das Vorgehen zu Beginn der Corona-Krise in Weil am Rhein. „Es war mutig.“

Gewerbesteuer unklar

Wie sich die Gewerbesteuereinnahmen weiter entwickeln werden, mag Bürgermeister Koger derzeit noch nicht prognostizieren. Erst wenn der zweite Quartalsbericht 2021 vorliege, sehe man „etwas klarer“. Im vergangenen Jahr ging diese zentrale Steuereinnahme der Stadt um 3,8 Millionen Euro zurück, obwohl es Kompensationszahlungen in Höhe von 4,75 Millionen Euro vom Land gab.

Die erste Befürchtung, dass ein Minus von elf Millionen Euro unterm Strich stehen könnte, das so genannte Worst-Case-Szenario, trat nicht ein. 12,1 Millionen Euro lautet vielmehr das Ergebnis nach dem vierten Quartal, geplant waren 15,9 Millionen Euro. Von „viel Unsicherheit im Markt“ sprach OB Wolfgang Dietz, auch mit Blick auf die anstehenden Impftermine.

Ein Minus von rund zwei Millionen Euro verzeichnet der Gemeindeanteil an der Einkommenssteuer, der statt geplanten 20 Millionen bei knapp 18 Millionen Euro lag. Dass die Lokale lange Zeit geschlossen waren, macht sich bei den Vergnügungssteuereinnahmen bemerkbar. Statt drei Millionen Euro gingen nur 2,5 Millionen Euro ein.

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