Weil am Rhein Möbel, Macht und Moderne

Weiler Zeitung
Der East River Chair von Hella Jongerius: Niedrige Lehnen, ungezwungener Stil, ein Symbol für den Mut zur Veränderung: Das steckt hinter der Philosophie der Sessel, auf denen die Damen Trump, Lagarde und Merkel beim W-20-Frauengipfel Platz nahmen, Ausdruck einer neuen weiblichen Macht in der Politik                                   Foto: Gabriele Hauger Foto: Weiler Zeitung

Ausstellung: „Stühle der Macht – und wer darauf sitzt“ im Schaudepot

Von Gabriele Hauger

Weil am Rhein. Es ist an sich ein banaler Vorgang: das Sitzen. Sein Ruf ist ziemlich lädiert, stundenlanges Sitzen mache schließlich krank. Entscheidend ist aber auch heute noch: Worauf sitzen wir? Denn das ist über die Jahrhunderte stets auch eine Frage des Status, des Selbstverständnisses gewesen.

Mit der Sonderausstellung „Stühle der Macht – und wer darauf sitzt“ will das Vitra Design Museum aufzeigen, wie eng die Geschichte des Stuhls und des Sitzens seit jeher mit dem Ausdruck von Macht verbunden ist. Im Schaudepot hat Kuratorin Heng Zhi inmitten der rund 400 dauerhaft ausgestellten Stuhl-Exponate aus der Museumssammlung (insgesamt sind es 7000) auf 16 schwarzen Podesten sehr unterschiedliche Sitzegelegenheiten inszeniert, ergänzt von Fotografien, die das jeweilige Stuhlobjekt in einer Gebrauchssituation zeigen.

Die Ursprünge des modernen Stuhls gehen auf die Thronsitze der Antike zurück. Lange Zeit waren Sitzgelegenheiten den Reichen und Mächtigen vorbehalten. Erst mit der Entstehung des Bürgertums in der Neuzeit änderte sich dies. Die 16 heterogenen Stuhlobjekte ermöglichen einen Rundgang durch Gesellschaften, Stile und Designkunst.

Überraschend zierlich, mit Goldfarben verziert, dazu mythische Tierformen, so präsentiert sich der Chaise de Garde des belgischen Hoftischlers Chapuis aus dem Jahr 1802, auf dem einst Napoleon Platz nahm. Wie man damals wohnte, galt als Zeichen von Anspruch und Macht. Bestellt hatte der französische Kaiser das Stück für sein Schloss in Brüssel.

Eine Zeitreise weiter, steht gegenüber der weltbekannte Barcelona Sessel von Mies van der Rohe, den dieser für den Deutschen Pavillon der Weltausstellung 1929 schuf: modern gestaltet und mit mondäner Eleganz wurde er später vielfach in repräsentativem Bürolobbys genutzt.

Einen Hingucker hat die Kuratorin mit dem thronartigen Stuhl von Goncalo Mabunda aus Mosambik von 2012 ausgesucht. Die Stuhlbeine sind aus Mörsergranaten, die Armlehnen aus Gewehr- und Pistolenteilen, das ganze Objekt besteht aus alten Waffen, deren todbringende Macht durch das Verschrotten und Recyceln gebrochen ist. Mit seiner Größe und Form erinnert es zudem an die Sitzegelegenheiten afrikanischer Herrscher – und beinhaltet gleichzeitig Kritik an deren Despotentum.

Der schwarz-bedrohliche, sehr futuristische Harkonnen-Stuhl von H.R. Giger, der für einen Science-Fiction- Film entworfen wurde; ein Liegesessel mit roten Fransen aus dem 19. Jahrhundert, der Ausdruck eines neuen Freizeitbewusstseins und Rechts auf Muse war; oder der Safari-Stuhl von 1928, der in den britischen Kolonien für Beamte auf Dienstreise entworfen worden war – transportabel und zerlegbar: All das sind weitere Beispiele für Stühle, ihren Sinn und Nutzen und ihre demonstrative Aussagekraft.

Entstanden im 20. Jahrhundert viele Sitzmöbel, die Macht und Autorität durch Bequemlichkeit und Großzügigkeit ausdrückten, gibt es später auch eine Tendenz zur Einfachheit. So wird hier Enzo Maris Stuhl Autoprogettazione gezeigt, ein unspektakuläres Holzobjekt zum Selberbauen mit der Intention: Design als Mittel zur Selbstermächtigung.

Der quietschbunte neobarocke Mendini-Sessel, der Mino-Thron von Martino Gamper, der alte Plastik-Gartenstühle mittels gefundener Materialien aufpeppt – die Stuhlobjekte zeigen, wie sich die Codes der Macht verändern und welche Rolle das Design dabei spielt.

Anschaulich zusammengefasst wird dies im Papst-Thron, der für den Besuch Paul II. in Zagreb 1994 entworfen wurde und der mit seiner extrem hohen Lehne, der erzwungenen Steifheit beim Sitzen und der Erhöhung mitten im modernen 20. Jahrhundert einen ganz traditionellen Machtanspruch symbolisiert.  bis 17. Februar, Schaudepot: täglich 10 bis 18 Uhr

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