Weil am Rhein "Morgen ist der Mülleimer wieder voll"

Marco Fraune

Stadtleben: Ibrahim Abdallah entsorgt in seiner Wochenend-Tour reichlich Unrat / „Dafür bin ich da“

Weil am Rhein - In der Innenstadt, an den Hauptstraße-Haltestellen, dem Rheinpark oder auch an der Kandermündung: Überall ist am Wochenende teilweise säckeweise Müll liegen geblieben. Viel zu tun für Ibrahim Abdallah, der am Samstag und Sonntag erneut kräftig anpacken musste. Unsere Zeitung hat ihn begleitet – und dabei einen Müllmann mit Herz und wachem Geist kennengelernt.

"Rheinpark ist am Wochenende immer vermüllt“

Direkt an der Dreiländerbrücke befindet sich am Sonntagmorgen ein vollgestopfter Mülleimer, rundherum liegen noch mehr Einwegverpackungen, Flaschen und weiterer Unrat. Aus dem Müllfahrzeug ausgestiegen, muss Abdallah fast das gesamte „Besteck“ von der Ladefläche nehmen: Besen, Schaufel und Rechen. Nur die Zange packt der 57-Jährige nicht an, da die Menge einfach zu groß ist.

„Der Rheinpark ist am Wochenende immer vermüllt“, weiß er aus Erfahrung. Schon am Tag zuvor bot sich ihm das gleiche Bild. Am Samstag und Sonntag bleibt aber nur Zeit, die Mülleimer zu leeren und den gröbsten Dreck zusammenzukehren. Den Rest muss der größere Reinigungstrupp ab Montag erledigen.

„Ich mache meine Arbeit, dafür bin ich da.“

Ärgert er sich über solch ein Müllaufkommen? „Ich mache meine Arbeit, dafür bin ich da.“ Ein stetes Lächeln auf den Lippen zeugt davon, dass sich Abdallah gefühlt von nichts aus der Ruhe bringen lässt. Wenig glücklich über seine Tätigkeit seien hingegen seine drei schon erwachsenen Kinder. Diese hätten lieber, wenn der Papa nicht Müllmann wäre, denn der Beruf sei nicht sonderlich gut angesehen. „Zum Überleben muss man schaffen“, ist der Familienvater aber von Pflichtgefühl getrieben.

42 Jahre lebt Ibrahim Abdallah schon in Deutschland. Als Asylbewerber ist er in jungen Jahren aus Eritrea gekommen. Nach anderen Tätigkeiten kam er zur Landesgartenschau-Gesellschaft und blieb dann bei der Stadt im Bereich Reinigung. Ohne anerkannte Ausbildung geht es für ihn darum, seinen Lebensunterhalt zu bestreiten.

„Gut ist, dass ich mit Menschen zu tun habe“, gewinnt er der Tätigkeit aber auch positive Seiten ab. Und das merkt man an verschiedenen Stellen. An einer grüßt er freundlich ein kleines Kind, an der anderen erhält er von einer Anwohnerin am Rhein ein dickes Lob für seine Arbeit sowie seine freundliche Art und wieder an einem anderen Ort legt ein Mädchen ihre leer getrunkene Dose in den blauen Müllsack, den Abdallah gerade aus dem Eimer gezogen hat, was er mit einem „Dankeschön“ quittiert.

Einigen Mitbürgern fehlt die Wertschätzung

So freundlich und unproblematisch geht es aber längst nicht immer zu, wird während der Tour im Gespräch deutlich – nicht nur wegen einiger Mitbürger, die ihm keine Wertschätzung entgegenbringen. Nebenbei erzählt der Mitarbeiter der Straßenreinigung der Stadt Weil am Rhein, wie er vor einiger Zeit in Höhe der „Einkauf-Insel“ die Mülleimer geleert hat und auf dem Weg über den Zebrastreifen angefahren wurde. Der gebrochene Arm und die ausgekugelte Schulter sorgten für eine dreimonatige Zwangspause.

Doch auch die Leerung der Mülleimer an sich birgt Gefahren. Ein Messer ragte einmal sogar aus dem Müllsack, auch Drogenspritzen fanden sich schon im Unrat. Eher ärgerlich sei, wenn der Inhalt von halb vollen Milch- oder Süßgetränkegefäßen auf seiner Hose landet, woraufhin ein Zwischenstopp beim Betriebshof zum Umziehen erforderlich wird. Hinzu kommt aktuell angesichts der Pandemie die Sorge, sich an den weggeworfenen Masken, Einweghandschuhen oder Sonstigem anzustecken. „Momentan habe ich auch große Angst wegen der Krankheit. Aber was soll ich machen.“

Etwa 400 Kilo Müll an einem Wochenende

Auf etwa 400 Kilo schätzt seine Chefin, die Betriebshof-Leiterin Andrea Müller, die gesammelte Unrat-Menge grob, wenn am Wochenende schönes Wetter ist. Dass der Müll immer wieder wenige Meter entfernt vom Eimer liegen gelassen wird, gehört für sie zum Alltag. „Das Müllaufkommen hat sich insgesamt gesteigert“, kann sie auf 23 Jahre Tätigkeit im Bereich Straßenreinigung blicken. Seit einigen Jahren werde daher auch am Wochenende eine Tour gefahren, wobei jeder Mitarbeiter zwischen Mitte März bis Mitte Oktober drei Mal an der Reihe ist.

Schon um 6 Uhr in der Früh startet der Straßenreiniger am Samstag und Sonntag seine Fahrt, wobei samstags speziell rund um das Rheincenter viel los und für den Müllwagen kaum ein Parkplatz frei ist.

Gestern war noch bei etwas kühleren Temperaturen der Bereich der „Einkauf-Insel“ mit der Tram-Haltestelle der Startpunkt. Die Hauptstraße ging es dann entlang zum Berliner Platz, wo eine Menge Müll eingesammelt und auf den zum Ende des Tages vollen Wagen gehievt wurde. Die Zigarettenkippen an den Haltestellen werden hingegen für die Kehrmaschine am Montagmorgen schon an den Straßenrand gefegt. „Die Bürger sind unsere Brotzahler“, weiß Abdallah um den Arbeitsauftrag, möglichst eine saubere Stadt zu bieten.

Auch Hausmüll wird entsorgt

Doch so manche Bürger wollen auch sparen. In und neben den städtischen Eimern befindet sich Hausmüll, der eigentlich in die privaten grauen Tonnen gestopft werden müsste. Die Verursacher seien schwer ausfindig zu machen, sagt Abdallah, auch wenn er angehalten ist, hier auf mögliche Adressfelder zu achten. „So dumm sind die Leute aber auch nicht.“

In Friedlingen und an der Kandermündung fällt am Wochenende besonders viel Müll an, schildert der Straßenreiniger. Am Samstag hatte er bei seiner Tour sich schon darauf einstellen können, denn eine Familie bereitete am Rhein ein Fest vor, die Verpackungen einen Tag später zeugen davon.

Pro Tour kommen so unterm Strich mehr als 40 große blaue Müllsäcke zusammen sowie weitere kleinere graue. „Morgen ist der Mülleimer aber wieder voll“, weiß Abdallah beim Blick auf das am Rhein aufgestellte grüne Gefäß. Sagt es, und steigt wie jede paar Minuten rein in den Wagen, um zum nächsten Mülleimer zu fahren.

Eine Frage bleibt dann noch: Was ist eigentlich, wenn er Geld im Müll findet? Das will Ibrahim Abdallah dann zum Fundbüro geben. „Ich bin arm und bleibe arm, aber glücklich. Ich bin ein ehrlicher Mensch.“

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