^ Weil am Rhein: Mütter in der Krise - Weil am Rhein - Verlagshaus Jaumann

Weil am Rhein Mütter in der Krise

Zoë Schäuble
 Foto: sba/Julian Stratenschulte

Corona: Spagat zwischen Beruf und Kinderbetreuung / Einblick in Weiler „Organisation für Mütter in der Arbeitswelt“

Weil am Rhein - „Das bisschen Haushalt macht sich von allein“, sang die Schlagersängerin Johanna von Koczian bereits im Jahr 1977 und spielte damit auf die traditionelle Rollenverteilung bei der Haus- und Familienarbeit in ironisierender Weise an. Mehr denn je scheint jener Satz dieser Tage für Frauen und ganz besonders für Mütter an Bedeutung zu gewinnen. Denn neben dem Haushalt gilt es, im Homeoffice zu ackern, die Kinder zu betreuen und nebenbei noch das Home-Teaching zu übernehmen.

Die Corona-Krise trifft aber nicht nur erwerbstätige Mütter geballt, sondern auch solche, die wieder in den Arbeitsmarkt einsteigen wollen, weiß Michael Schmitt-Mittermeier, Geschäftsführer von „AfA“ (Arbeit für Alle), einer Gesellschaft zur Beschäftigungsförderung. Diese ist im Friedlinger Mehrgenerationenhaus des Diakonischen Werks im Landkreis Lörrach angesiedelt.

Die Gesellschaft hat das vom europäischen Sozialfonds geförderte Projekt „O.M.A.“ in Weil etabliert. Die „Organisation für Mütter in der Arbeitswelt“ unterstützt Familien, Alleinerziehende und erwerbslose Menschen aus jedem Kulturkreis.

„Das O.M.A.-Projekt berücksichtigt vor allem arbeitslose Frauen, die eine Rückkehr ins Arbeitsleben planen“, erklärt Schmitt-Mittermeier im Gespräch mit unserer Zeitung.

Mehrfachbelastung für Mütter

„Besonders in der jetzigen Situation stellt das Vereinbaren von Familie und Beruf eine Herausforderung für die Frauen dar“, sagt Schmitt-Mittermeier. Er hält die Wiedereinstiegsmöglichkeiten in einen Beruf für Frauen und besonders Mütter durch Corona für stark eingeschränkt. „Einerseits möchten sie in der Arbeitswelt wieder Fuß fassen, zeitgleich gibt es aber niemanden, der die Kinderbetreuung übernehmen kann.“ Obwohl es im O.M.A.-Kinderhaus in Friedlingen ein Betreuungsangebot für Kinder bis sechs Jahre gibt, fällt in Zeiten von Corona der Großteil der Betreuungsarbeit auf die Eltern, und damit zumeist auf die Mütter zurück.

Auch im Mehrgenerationenhaus stelle man fest, wie stark die Herausforderungen auf die Familien einprasseln: „Seit rund einem Jahr ist das Haus zu – das heißt, dass sowohl das Betreuungsangebot als auch der Austausch für die Mütter komplett wegfallen“, erklärt Schmitt-Mittermeier.

Die zahlreichen Angebote, die vor der Pandemie regen Zuspruch erfuhren, wie beispielsweise das vom Diakonischen Werk angebotene „Internationale Frauencafé“, in dem sich Frauen mit Migrationshintergrund zum Austausch und zum Sprachtraining treffen können, sind abgesagt. „Die Frauen kehren deshalb verstärkt in die Isolation zurück“, sagt Schmitt-Mittermeier.

Betreuungsangebot und Austausch fehlen

Ähnliche Erfahrungen macht auch Marion Kerkmann, Sozialpädagogin beim Diakonischen Werk im Mehrgenerationenhaus. „Von den Müttern wird momentan sehr viel abverlangt – die Kinder sind mehr zuhause, also müssen die Frauen neben ihrer Arbeit auch noch Betreuerin und Lehrerin sein.“ Kerkmann, die nach wie vor in Beratungsgesprächen in persönlichem Austausch mit jungen Müttern ist, spürt die Verzweiflung. „Ich sehe sehr viel Leid, bei den Familien liegen die Nerven blank.“

Eine Studie des „Wissenschaftszentrums Berlin für Sozialforschung“ bestätigt diese Erfahrungen. Demnach nimmt die Arbeitszufriedenheit der erwerbstätigen Mütter ab, da diese einer Doppelbelastung mit Kinderbetreuung und Job ausgesetzt sind. Hinzu komme, dass überproportional viele Frauen in gerade jenen Branchen arbeiten, die mit am stärksten von der Corona-Krise betroffen sind: Im Gastronomie-Gewerbe, aber auch im Tourismus und im Kulturbereich arbeiten vornehmlich Frauen.

„Es wird sicher einige Betriebe geben, die die Krise nicht überstehen und dann auch nicht wieder aufmachen“, vermutet Kerkmann. In den Beratungsgesprächen erfährt sie von vielen Frauen, die entweder in Kurzarbeit oder gar arbeitslos geworden sind. „Wenn dann keine finanziellen Reserven vorhanden sind, herrschen Verzweiflung und Angst“, weiß die Sozialpädagogin.

Dass Kinderbetreuung und -erziehung eine wichtige Grundlage für alle anderen Wirtschaftsleistungen darstellen, hat die Pandemie verdeutlicht. „Wenn die Betreuungsangebote wegfallen und berufstätige Mütter beides leisten müssen, ist das ein erheblicher Spagat“, so die Sozialpädagogin.

Umfrage

Bundeswehr

Braucht Deutschland wieder die allgemeine Wehrpflicht?

Ergebnis anzeigen
loading