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Weil am Rhein Neue Möglichkeiten für eine würdevolle Versorgung

Marco Fraune
Die Mitwirkenden des Palliativnetzes Lörrach sind im gesamten Landkreis unterwegs, um Schwerkranken zuhause ein Sterben in Würde zu ermöglichen. Foto: zVg

Medizin: Palliativnetz zieht von kleiner Friedlinger Praxis ins deutlich größere Kesselhaus um

Weil am Rhein - Das Palliativnetz Lörrach kann künftig auf eine deutlich bessere Infrastruktur zurückgreifen. Das Weiler Domizil nutzt ab April statt einer 30 Quadratmeter großen Fläche in der Friedlinger Praxis künftig 200 Quadratmeter im Kesselhaus. Damit wird zugleich dem enormen Anstieg der Nachfrage ein Stück weit Rechnung getragen, womit letztlich deutlich mehr Schwerkranken ein Sterbeprozess in Würde ermöglicht werden soll.

Das Aus für die altgediente Jugendwerkstatt im Kesselhaus 5 bedeutet für das Palliativnetz mit Mario Steffens und Sandra Diemand als Ärzte an der Spitze neue Möglichkeiten an dieser Stelle. Gegenüber den VHS-Räumen gelegen, können beispielsweise neue Kurse angeboten werden, wie ein „Letzte-Hilfe-Kurs“.

„Es geht darum, Lebensqualität bis zum Ende sicher zu stellen“, schildert der Friedlinger Hausarzt Steffens, der Mit-Initiator des kreisweit tätigen Netzwerkes, den Inhalt dieses Angebots und auch die grundsätzliche Ausrichtung. Auch für Fachpersonal könnte künftig die Palliativmedizin in der Praxis in weiteren Kursen vor Ort näher gebracht werden. Bisher seien lediglich Fortbildungen im Pflegeheim möglich.

Im Gespräch mit unserer Zeitung ist die Begeisterung für solche Angebote und die weiteren Möglichkeiten förmlich greifbar – von einer „genialen Sache“ spricht Steffens, für den der Bereich Tod und Sterben ein zentraler Teil seines Engagements darstellt. Dabei geht es ihm und seinen Mitstreitern im Netzwerk darum, Lebensqualität bis zum Lebensende zu ermöglichen.

Mit gemeinnütziger GmbH

Um die spezialisierte ambulante Palliativversorgung in der Region zu sichern, hat er in der Funktion des Geschäftsführers im Dezember vor zwei Jahren eigens eine gemeinnützige GmbH gegründet. Mit seiner Kollegin, der Anästhesistin Sandra Diemand, füllt er zudem die medizinisiche Leitung des Palliativnetzes Lörrach aus.

Im Kesselhaus soll künftig jede darin tätige Pflegekraft einen eigenen Arbeitsplatz erhalten – drei Vollzeitkräfte. Hinzu kommen drei Verwaltungsangestellte, die beiden hauptamtlichen Ärzte sowie vier Ärzte, die nebenberuflich auf Honorarbasis beschäftigt sind. Der Strukturerhebungsbogen ist laut Steffens auch abzuarbeiten, damit die Krankenkasse eine Genehmigung erteilt, worin eigene Räume maßgebend sind.

„Wir nehmen Fahrt auf“, freut sich der Palliativnetz-Sprecher angesichts des erst im Februar vergangenen Jahres erfolgten offiziellen Startschusses. Mehr als 500 Patienten sind mittlerweile in der Versorgung, ein Zehntel davon in der akuten Versorgung. 24 Stunden an sieben Tagen pro Woche gibt es eine Rufbereitschaft. Damit soll zugleich eine zuvor offene Lücke zwischen dem Hausarzt und anderen Akteuren wie Klinik oder Facharzt geschlossen werden.

Bei schwerer Krankheit mit schwerer Atemnot oder anderen kaum zu ertragenden Schmerzen soll mit entsprechenden Mitteln und der passenden Versorgung mehr Lebensqualität geschaffen werden. Heilung ist dabei nicht das Ansinnen. „Die Symptomlast ist das einzige, was behandelt wird.“ Während also das Hospiz am Buck für den Landkreis die stationäre Einrichtung darstellt, versorgen die Kräfte des Palliativnetzes die Patienten in den eigenen vier Wänden – also im Endstadium des Lebens und der Erkrankungsphase.

Zwar erstreckt sich die Palliativversorgung im Schnitt auf 21 Tage und wird nur im vierwöchigem Turnus von der Kasse genehmigt, doch es kann in Einzelfällen auch anders gehen, weiß der Friedlinger Hausarzt Steffens. So hat er schon Anfang vergangenen Jahres eine Patientin aufgenommen, die als Mitte-50-Jährige einen weit fortgeschrittenen Tumor im Körper hatte. Schmerztherapeutisch und mit Sauerstoff wurde sie passend eingestellt. Und dann ging es ihr wieder so gut, dass davon Abstand genommen werden konnte. Mittlerweile geht es ihr wieder schlechter und die Palliativversorgung greift erneut.

Bei diesem Angebot habe es im Landkreis Lörrach zuvor einen weißen Fleck gegeben, weiß der gGmbH-Geschäftsführer. Als Hausarzt habe er gemerkt, dass Not am Mann gewesen sei. Denn zuvor wollten Patienten den Angehörigen nicht zur Last fallen und gingen daher ins Krankenhaus. Doch seit es das 24-Stunden-Angebot gibt, werde das Sterben in den eigenen vier Wänden als deutlich würdevoller und weniger stressig geschätzt. „Eine Klinik ist nicht dafür da, dort zu sterben.“ Von „Menschenwürde“ und „Lebensqualität“ spricht Steffens daher immer wieder. Das Angebot gebe mit Notfallboxen für den Fall der Fälle auch Sicherheit.

Kritisch beäugt

Anfangs sei das Angebot von Hausärzten noch kritisch beäugt worden. „Wir nehmen aber niemandem etwas weg“, unterstreicht Steffens. Dies sei mittlerweile erkannt worden. Nach einer guten Zusammenarbeit würden die Vorbehalte verschwinden. „Es spricht sich rum.“

Die Rolle des Hausarztes will und soll das Palliativnetz nicht einnehmen, doch gerade in Richtung Wiesental rutsche dieses in die hausärztliche Versorgungslücke laut Steffens herein. Daher prüft der Medizinische Dienst der Krankenkassen schon jeden zweiten Fall, ob die Symptomlast beim Patienten gegeben ist, also mindestens zwei lebenseinschränkende Symptome vorliegen.

Obwohl immer mehr Menschen auf das Palliativnetz Lörrach zurückgreifen, weiß der Friedlinger Mediziner um die Grenzen. „Wichtig ist, dass die Qualität nicht wegen der Quantität kippt.“ Das Wachstum habe Grenzen. Ziel für die Zukunft sei aber, stärker mit dem Hospiz zu kooperieren oder auch mit den Pflegeheimen vertieft zusammenzuarbeiten.

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