Weil am Rhein Neue Wege einschlagen

Weiler Zeitung
Martin Zierold: Die Institutionen der Hochkultur müssen ihre „Systemrelevanz“ erst einmal beweisen. Foto: Beatrice Ehrlich Foto: Weiler Zeitung

Kulturdialog: Martin Zierold kritisiert schwerfällige Reaktion vieler Kulturinstitutionen auf Situation

An eine gemeinsame Kulturnacht der benachbarten Städte Lörrach und Weil am Rhein ist zur Zeit nicht zu denken. Um die guten Kontakte im Bereich der Kultur weiter zu pflegen, haben die Kulturverantwortlichen beider Städte daher den Kulturdialog Lörrach-Weil am Rhein, kurz Löwe, ins Leben gerufen.

Von Beatrice Ehrlich

Weil am Rhein. Hier soll es um die weitere Entwicklung der Kultur nach Corona, vor allem aber auch um die Frage gehen, wie die kulturellen Akteure sich den aktuellen Herausforderungen stellen können, um gut durch die Krise zu kommen.

Am Donnerstagabend ging die erste Ausgabe des Kulturdialogs online über die Bühne, mit einem Videovortrag und anschließendem Austausch der Teilnehmenden über die Videokonferenz-Plattform Zoom. Rund 30 Personen hatten sich eingeloggt, unter ihnen die beiden Kulturamtsleiter Lars Frick (Lörrach) und Peter Spörrer (Weil am Rhein).

Mit Martin Zierold, Kulturwissenschaftler und Professor für Organisationstheorie und Change Management an der Hochschule für Musik und Theater Hamburg, hatten die Organisatoren einen Referenten eingeladen, der in großen Dimensionen denkt. Als Gastgeber des Podcasts „Wie geht’s?“, in dem er sich mehrmals im Monat mit Kulturschaffenden und Kulturorganisatoren seit Ausbruch der Corona-Pamdemie unterhält, gewinnt Zierold aber auch regelmäßig lebendige Einblicke in die jüngsten Entwicklungen im Kulturbereich.

Er weiß also, wovon er spricht, wenn er damit hadert, wie schwerfällig die Kulturinstitutionen oft reagierten auf die große Transformation, die um sie herum stattfindet. Demografischer Wandel, Diversität, Klimawandel, Zukunftsangst: Entlang der zentralen Fragestellungen der heutigen Zeit müssten insbesondere die Institutionen der Hochkultur – Oper, Theater, Konzertsäle – neue Wege einschlagen, fordert er, und damit ihre „Systemrelevanz“ erst einmal beweisen.

Statt sich allzusehr auf die Überzeugungskraft des ästhetischen Erlebnisses zu verlassen, müsse über Beziehungen der Weg zu neuen Publikumsgruppen erschlossen werden. Eine Entwicklung, an deren Ende im Idealfall ein sinnstiftendes „Community Building“ steht.

Bis dahin ist in seinen Augen noch ein langer Weg zurückzulegen. Nach wie vor drehe sich bei vielen Einrichtungen marketingmäßig alles um die Frage: „Wie verkaufe ich mein Produkt?“ statt sich vor allem als „Ressource“ im Stadtraum zu begreifen und bei der Wahl einer Leitungsperson die Frage nach der Leitungskultur zu stellen, statt wie bisher die künstlerische Persönlichkeit in den Vordergrund zu rücken.

Mit seiner Vorstellung von Kultur als sozialer Praxis scheint Zierold nicht weit entfernt von Erfahrungen, wie sie Brigitte Rappl von ihrem Ötlinger Chor schilderte, auch wenn Vereine und ehrenamtliche Akteure, wie sie etwa das Weiler Kulturleben prägen, in seinem Referat keine Rolle spielten. Dabei zeigt sich hier die von ihm erwünschte Transformation im Kleinen: Gemeinsam beschreite man neue Wege des Singens über diverse Online-Formate und öffne sich damit nicht zuletzt neuen Zielgruppen, so Rappl.

Größeres Interesse an Kulturveranstaltungen nach Corona oder nicht?

Unweigerlich gingen dabei aber auch Menschen verloren, vor allem ältere, die sich mit den neuen Formaten nicht anfreunden könnten, bedauert die Vorsitzende. Den Engagierten Spielflächen eröffnen und den Kontakt zu ihnen aufrecht zu halten, gibt Zierold Weils neuem Kulturamtsleiter Peter Spörrer mit auf den Weg auf dessen Frage, wie man denn mit dieser spezifischen Weiler Situation umgehen solle. Die Hoffnung des Kulturamtsleiters, nach dem Ende der coronabedingten Einschränkungen würden die Menschen umso zahlreicher in Kulturveranstaltungen strömen, teilt der Kommunikationsexperte nicht.

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