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Weil am Rhein Ohne Angst im neuen Zuhause

Alisa Eßlinger
Mona Mohammad und Refat Khabour wohnen seit eineinhalb Monaten in ihrer eigenen Wohnung in Friedlingen. Foto: Alisa Eßlinger

Serie „Fünf Jahre in Deutschland“: Teil 1: Refat Khabour und Mona Mohammad aus Syrien

Weil am Rhein  - Von Damaskus über Jordanien nach Deutschland – im Dezember werden es fünf Jahre, seitdem Refat Khabour von Syrien nach Deutschland geflohen ist. Seine Frau Mona Mohammad und Tochter Aya folgten ihm drei Jahre später. Nach einer lebensgefährlichen Flucht und Ängsten im Flüchtlingslager sind sie nun glücklich in Weil am Rhein angekommen.

„Ich bin sehr glücklich in Deutschland zu sein. Hier haben wir mehr Freiheit und die Menschen respektieren sich“, sagt Khabour. Denn auch wenn es überall Probleme gibt, würde man sich in Deutschland im Grunde verstehen. Für den 59-jährigen Syrer steht fest, dass vor allem Politik die Probleme zwischen den Menschen schafft. „Wir haben nur einen Planeten und wir alle wollen ein gutes Leben haben. Warum machen wir Krieg und das nur für einen Präsidenten, der an der Macht bleiben will?“, fragt sich Khabour.

Gefängnis-Erfahrungen

2011 begannen in Syrien die Revolten gegen das Regime. Über Nacht stand überall das Militär in den Straßen und hat Menschen aus ihrem Zuhause geholt, erzählt Khabour. Auch der 59-Jährige wurde eine Woche vor seinem Geburtstag von der Arbeit mitgenommen. „Wir waren 13 in einer kleinen Zelle. Es war dunkel und beengt, sodass man kaum schlafen konnte“, schildert Khabour. „Er hatte dunkle Augen, war abgemagert und konnte wegen der Enge nicht mehr richtig laufen“, beschreibt Mona Mohammad.

Seine Frau und Tochter seien derweil zum Onkel geflohen, da nahe ihres Wohnhauses geschossen wurde. Später fanden sie ein Zimmer, das sie sich mit vier weiteren Familien teilten. Als Khabour nach einem Monat Gefängnis entlassen wurde, stand für die Familie fest, nach Jordanien zu fliehen.

Doch die Entscheidung barg auch Gefahren für die Familie, denn auf dem Weg zur Grenze wurde sie beschossen. Dabei traf eine Kugel Khabours Tochter Aya in den Rücken und blieb erst in ihrer Bauchdecke stecken. Vom jordanischen Militär wurde die Familie in Empfang genommen. Sie brachten Aya ins Krankenhaus, wo man ihr die Milz entfernte.

Ohne Geld in Jordanien

Familie Khabour hatten zu Beginn kein Essen, keine Kleider, keine Wohnung und kein Geld. Sie lebten dreieinhalb Jahre in einem Büro und haben versucht, sich mit Schwarzarbeit über Wasser zu halten. Gleichzeitig sparten sie Geld, um nach Deutschland auswandern zu können.

Khabour schickte 2015 seinen ersten Sohn und drei Monate später seinen zweiten nach Deutschland. Bis er ihnen erneut drei Monate später folgte. „Es war nicht leicht, meine Frau und meine zwei Töchter zurückzulassen. Aber manchmal muss man etwas riskieren ,und ich bereue den Schritt nicht“, sagt Khabour. Im Juni 2018 kamen dann auch Mohammad und Aya nach Deutschland.

Schlechte Erfahrungen machte die Familie im Flüchtlingsheim am Messeplatz in Weil am Rhein. „Es gab oft Probleme zwischen den Afrikanern, und viele nahmen Drogen. Meine Tochter hatte immer Angst“, schildert Khabour. Erst seit eineinhalb Monaten wohnt die Familie in ihrer eigenen Wohnung in Friedlingen. „Ich danke Deutschland dafür, dass ich hier leben kann“, sagt Khabour und fügt hinzu: „Weil am Rhein ist mit seiner Grenznähe zur Schweiz und Frankreich so schön und gibt uns eine neue Chance. Jetzt haben wir auch keine Angst mehr.“

Sprachbarrieren

„Die deutsche Sprache ist sehr groß“, sagt Khabour und meint, dass es nicht leicht ist, sie zu erlernen. Vor rund neun Monaten hatte er in Rheinfelden seinen Deutsch-Sprachkurs in B1 absolviert. Jedoch habe er die Sprache besser im Gespräch mit Ärzten, Verkäufern oder Nachbarn gelernt.

Auch Mohammad hat erst kürzlich die B1-Prüfung abgelegt und wartet nun auf das Ergebnis. „Ich kann nicht verstehen, warum Menschen 20 Jahre in einem Land leben, ohne die Sprache zu lernen. Ich will nicht immer jemanden fragen müssen, damit er mich zum Arzt begleitet“, findet Khabour.

Erschwerend hinzu käme, dass er und seine Familie nur wenige Deutsche kennen würden. „Die Integration fehlt, auch dass man eine Beziehung zu seinen Nachbarn aufbaut, kennen wir so nicht. Sonst bringt man dem Nachbarn etwas zu essen vorbei und lernt sich und die jeweilige Familie kennen.“ Auch Tochter Aya erzählt, dass sie in ihrer Schule meistens nur mit Syrern Kontakt hat. „Zuerst war es schwierig für mich, aber jetzt bin ich glücklich“, sagt Aya.

Von Pilot zu arbeitslos

Dennoch schätzt Khabour die Freundlichkeit der Deutschen und auch, dass sie die Regeln einhalten. Sei es beim Autofahren oder wenn ein Gerät in der Garantiezeit kaputtgeht. „In Syrien musste man immer mit Geld alles bezahlen“, erklärt Kahbour.

Die syrische Kultur sei viel komplizierter als die deutsche, meint Khabour. „Die Familien sind viel größer und intensiver.“ Für Deutsche würde laut dem fünffachen Familienvater die Arbeit zuerst kommen, da meistens beide Elternteile arbeiten und daher die Gespräche fehlten.

Die Arbeit ist aber auch für Khabour und seine Familie sehr wichtig: „Es ist schwierig, den ganzen Tag zu Hause zu sitzen. Arbeit ist Leben“, sagt Khabour daraufhin. Jedoch sei sie nicht leicht zu bekommen: „Die Möglichkeiten zu arbeiten sind sehr begrenzt. Ich hatte gehofft, dass ich durch das Einarbeiten eine Arbeit bekomme“, erklärt der ehemalige Pilot für Frachtmaschinen. „Mein Traum war es, hier als Pilot zu arbeiten, doch wegen meines Alters finde ich wohl keinen Job. Daraufhin habe ich eine Weiterbildung als Elektroniker gemacht.“ Doch trotz Weiterbildung und Praktika in diversen Firmen hat Khabour noch keinen Platz gefunden „Keine Arbeit zu haben, ist nicht gut.“

Arbeit als Zukunftswunsch

Für die Zukunft in Deutschland wünscht sich Khabour einen Arbeitsplatz, ein Auto und dass Aya ihren Wunschberuf machen kann. Auch die 54-jährige Mohammad hofft bald eine gute Arbeit zu finden. Tochter Aya weiß auch schon, welchen Beruf sie in Zukunft ausüben will: „Ich möchte Pharmakologin werden.“ Die 17-Jährige besucht derzeit die Gemeinschaftsschule in Weil am Rhein und macht dieses Jahr noch ihren Hauptschulabschluss. Danach will Aya den Realschulabschluss und das Abitur nachholen, um dann für ihren Wunschberuf studieren zu können.

In einer dreiteiligen Serie „Fünf Jahre in Deutschland“ stellen wir Familien vor, die aus Syrien und Afghanistan geflüchtet sind. Nun wohnen sie in Weil am Rhein und berichten über ihre Erfahrungen und Erlebnisse.

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