Weil am Rhein Ortsgeschichte auf Alemannisch

Jürgen Scharf
Auf dem Platz vor dem Museum am Lindenplatz startete Monika Merstetter ihre Erlebnisführung durch Alt-Weil. Foto: Jürgen Scharf

Stadtführung: Monika Merstetter beleuchtet verschiedene Facetten von Alt-Weil / Gut 30 Teilnehmer

Seit 25 Jahren gibt es Stadtführungen in Weil am Rhein. Die jüngste mit Monika Merstetter war eine sehr spezielle und führte auf Alemannisch durch das historische Alt-Weil.

Von Jürgen Scharf

Weil am Rhein. Alles schon mal dagewesen. Die Verdunkelungsmaßnahmen, die in diesem Winter drohen bis hin zum großen Lichterlöschen von Schaufensterbeleuchtung und Gebäudeanstrahlung – solche „dunklen“ Zeiten haben Menschen früher schon erlebt. Bis 1884 waren die Straßen in Alt-Weil nachts finster. Erst danach gab es Straßenlaternen, später 3700 Lichtmasten in Weil. Und dass historische Gebäude nicht mehr angestrahlt wurden, um Strom zu sparen, gab es auch schon.

Da passte es doch ganz gut zum aktuellen Thema Energiekrise, dass bei dieser Erlebnisführung durch das historische alte Weil mit Stadtführerin Monika Merstetter das Elektrohaus Gempp Erwähnung fand, das in zwei Jahren sein 100-jähriges Bestehen feiert.

Rund 30 interessierte Leute – mehr als angemeldet – ließen sich von Merstetter auf Alemannisch durch die lokale Zeit- und Ortsgeschichte führen. Das Leben von damals wurde bei diesem knapp zweistündigen Rundgang lebendig.

Warum eine Führung in Mundart? „Ich liebe Alemannisch“, sagt Monika Merstetter, die diese historische Tour bereits 2014 ausgearbeitet, aber seither nicht wieder im Rahmen der VHS-Stadtführungen angeboten hat. Die Spaziergänger ließen sich von Merstetter gerne durch die idyllischen Altstadtgassen und malerischen Winkel führen. Es ging rund um die Altweiler Kirche.

Zuerst saß man noch gemütlich im schattigen Halbrund unter den Bäumen vor dem Museum am Lindenplatz und lauschte der versierten Stadtführerin, die aus der Chronik von Ludwig Keller zitierte, einem Lehrer, Kommunalpolitiker und Chronisten, der in seiner „Geschichte der Stadt Weil am Rhein“ (1961) mancher Tradition nachtrauert: „Die schmucke Markgräfler Tracht wird im Dorf kaum mehr getragen“, bedauerte Keller. Auch die Gemeinde habe ihren ursprünglichen Charakter immer mehr verloren, und es würden immer mehr neue Mundarten gesprochen. Seine letzte Hoffnung setzte der Ortschronist auf die Kinder, dass sie in der Schule Hebel-Gedichte lernten.

Interessantes aus der Weiler Historie

Die Teilnehmer erfuhren Interessantes und Unbekanntes aus der Historie Weils, denn die Chroniken, Gemeindebücher, alte Festschriften und Ausschnitte aus dem Zeitungsarchiv sind wahre Fundgruben.

Auch in alten Dorfgeschichten hat Merstetter viel gefunden, Anekdoten und weise Sprüche. Für ihre Führung konnte sie aus 50 Büchern als Quelle schöpfen.

Vor der Gedenktafel für Gustave Fecht erfuhr man, dass die „teuerste Freundin“ Johann Peter Hebels aus einem alten badischen Pfarrergeschlecht stammt. Nicht weit davon entfernt erinnert ein Gedenkstein an Helene Zapf, ein Weiler Original, die unzählige Radiosendungen gestaltete und mit einer Schauspieltruppe durch Südbaden reiste.

Weiter geht es zur Kirche – und das hat auch einen Grund, denn Monika Merstetter berichtet von der Altweiler Kirche als einer der ältesten, spricht über das Erdbeben von Basel, wobei sie die Jahreszahl 1356 sofort präsent hat (gewisse Daten haben die Stadtführerinnen im Kopf). 1791 wurde dann die Altweiler Kirche gebaut, wie man sie heute kennt. Hebel hielt die Predigt beim Einweihungsgottesdienst, der Markgraf war anwesend, erst zwölf Jahre später kam die Orgel dazu.

Gedichte in Mundart runden die Führung ab

Eine kleine Verschnaufpause gab es beim weiteren Rundgang im Domhof vor der 1933 gepflanzten Lutherlinde. Manche Mitwanderer hätten wohl allzu gern eine Besichtigung des Weinkellers im Pfarrhaus vorgenommen. Imposante Zahlen zu dem einst im Keller lagernden Messwein wusste Merstetter zu benennen. Und hier kam auch der kleine Nebenstrang dieser Führung zum Tragen: die Gedichte in alemannischer Mundart, die diese Tour bei passenden Momenten abrundeten.

Ausgesucht hatte sie Verse des Genzacher Heimatdichters Werner Richter, darunter Weingedichte wie Merstetters Lieblingsgedicht über den „Burgunder“. Eine alemannische Poesie mit „gesundem und sauberem Humor“ hat das einmal Gerhard Jung genannt. Nah am Pulsschlag der Menschen sind auch die heiteren alemannischen Gedichte des Dialektautors und Lehrers am Weiler Kant-Gymnasium, Werner Ohm, die Merstetter auch gerne vorlas.

Das waren kleine lyrische Oasen auf diesem Rundweg, bei dem man ferner den Bläsihof, den ältesten Herrensitz, kennenlernte, Originelles über den Waggisschopf der Fasnachtsclique Wiler Rhy Waggis erfuhr, über das Stapflehus, die gute Stube Weils, das Alte Rathaus, die Hebelschule, Weingüter und verschiedene Wirtschaften bis hin zur ältesten Gastwirtschaft, der heutigen „Krone“.

Zu den meisten Stationen gab es ein schönes Gedicht zu hören, mal lustig, mal tiefschürfend, mal zeitkritisch mit manchen Erinnerungen an anno dazumal. Dies verlieh dem Spaziergang über historisches Pflaster eine besondere Note.

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