Weil am Rhein Rote Karte für Rassismus und Hetze

Adrian Steineck

Amateursport: Bosporus FC Friedlingen lädt zur Diskussion / Gesellschaftliches Klima rauer geworden

Weil am Rhein - Ein Spieler des Bosporus FC Friedlingen (BFCF) verletzt sich bei einem Auswärtsspiel so, dass er leicht blutet. Daraufhin bekommt er von einem Gegenspieler zu hören, dass das ja gar kein richtiges Blut sei. Bei einem anderen Anlass wird die Mannschaft aus Friedlingen von gegnerischen Anhängern als „Döner-Truppe“ verunglimpft.

Wie man mit solchen Situationen umgehen kann und wie massiv das Rassismusproblem im Amateurfußball ist, darum ging es bei einer Online-Diskussion des Bosporus FC Friedlingen. Zu den Teilnehmern gehörten Teberdar Yildirim, Stefan Walzer und Riza Bilici vom BFCF, Werner Bolte vom Südbadischen Fußballverband sowie der heimische Landtagsabgeordnete Josha Frey (Grüne), der zugleich Schirmherr der Jugend des BFCF ist.

Kein neues Phänomen

Walzer, D-Jugend-Trainer und Moderator der Online-Diskussion, blickte zunächst 30 Jahre zurück, in die Zeit Anfang der 1990er-Jahre und nach der Wiedervereinigung: „Nach dem Brandanschlag von Solingen mit fünf Toten gingen wir alle zu Mahnwachen auf die Straße und dachten, jetzt ändert sich ganz viel.“

30 Jahre später seien im Amateurfußball rassistische Entgleisungen wie die eingangs beschriebenen keine Seltenheit. „Man muss sich mit der Zeit an vieles gewöhnen“, sagte Bilici.

Umgangston ist rauer

Das habe auch mit einem veränderten Klima in der Gesellschaft zu tun, waren sich die Diskussionsteilnehmer einig. Frey erinnerte daran, dass der Sport immer auch ein Spiegelbild darstellt. Auch in anderen Bereichen des Zusammenlebens sei der Ton rauer geworden. In Zeiten, in denen die Landtagspräsidentin Muhterem Aras aufgrund ihrer kurdischen Herkunft von Mitgliedern der Alternative für Deutschland (AfD) verunglimpft wird, sei es leider nur folgerichtig, dass sich derlei Gedankengut auch auf dem Fußballplatz wiederfinde. Dabei spiele laut Frey gerade beim Sport die Nationalität keine Rolle. „Was interessiert mich der Pass meines Gegenspielers?“, fragte er.

Frey betonte auch, dass man auf rassistische Ausfälle mit Taten antworten müsse. „Man muss in solchen Fällen gleich reagieren, etwa indem man ein Spiel abbricht oder Zuschauer des Stadions verweist“, sagte er. Der Sportplatz sei kein rechtsfreier Raum, bei dem der Respekt quasi an der Garderobe abgegeben werden könne.

Profis als Vorbilder

Auf die Frage einer Zuschauerin nach der Vorbildfunktion des Profifußballs sagte Frey, dass diese klar gegeben sei. „Man müsste Christian Streich klonen können“, wand er dem Trainer des SC Freiburg ein Kränzchen. Dieser hat in Interviews immer wieder klar Stellung gegen jede Form des Rassismus bezogen.

Vereine in der Pflicht

Werner Bolte, Vorsitzender des Bezirkssportgerichts beim Südbadischen Fußballverband, sieht hier auch die Sportvereine als Hausherren in der Pflicht. „Wenn ein Zuschauer rassistisch ausfällig wird, muss der Sportverein zu ihm sagen: Auch wenn du seit 15 Jahren jeden Samstag bei uns Eintritt zahlst, so etwas geht bei uns einfach gar nicht“, machte er deutlich. So sei etwa ein Fußballanhänger vom Bezirkssportgericht jüngst für mehr als 200 Spieltage als Zuschauer gesperrt worden. „Den wird man jetzt ein Jahr lang nicht auf der Tribüne sehen“, so Bolte.

Zugleich aber ist er überzeugt, dass es im Südbadischen Fußballverband keinen flächendeckenden Rassismus gebe. In der jüngsten Saison, die allerdings aufgrund der Corona-Pandemie nicht zu Ende gespielt worden war, habe es „keine fünf Urteile“ wegen rassistischer Äußerungen gegeben. In der vorhergehenden Saison, der bisher letzten vollständigen im Jugend- und Aktivbereich, habe es 37 Urteile wegen Gewalt gegeben, das seien etwa fünf Prozent aller Urteile.

Vieles kommt von außen

Die Erfahrung zeige aber auch, dass das, was an Rassismus und Pöbeleien komme, von außen, sprich: von den Zuschauern auf den Platz getragen werde. „Das wiederum macht es für die Schiedsrichter schwierig, denn sie können nur ahnden, was auf dem Platz passiert“, sagte Bolte, der sich mehr Kooperation von den Sportvereinen wünscht: „Wenn mir ein Verein nicht die Namen der Mitglieder nennt, die rassistisch pöbeln, dann unterstützt er damit zumindest indirekt dieses Verhalten.“

Als Einheit reagieren

Dass Gewalt und Pöbeleien überwiegend in der B-Jugend auftreten, also in der Altersgruppe von 15 bis etwa 17 Jahren, legte Teberdar Yildirim, Vorsitzender des BFCF, dar. „Ich habe im Jahr 1984 mit dem Fußballspielen angefangen und hatte von der F- bis zur C-Jugend keinerlei Probleme.“

Erst als er als damaliger B-Jugend-Spieler anlässlich eines Spiels der deutschen Nationalmannschaft gefragt wurde, warum er denn überhaupt für Deutschland jubele, sei ihm bewusst geworden, dass es verschiedene Nationalitäten gebe. „Man muss auf Rassismus mit emotionaler Intelligenz reagieren“, ist der BFCF-Vorsitzende überzeugt.

Wie das gehen kann, legte Riza Bilici, sportlicher Leiter beim BFCF, dar. „Wir als Verein und als Mannschaft müssen versuchen, eine Einheit zu sein und zu zeigen: Wir gehören zusammen“, sagte er.

Blick in die Zukunft

Zum Abschluss bat Moderator Stefan Walzer die Teilnehmer um eine Einschätzung, wo sie den Amateurfußball im Jahr 2030 sehen. „Es wird weniger einzelne Vereine geben“, sagte Teberdar Yildirim und vermutete, dass immer mehr Fußballvereine zusammengelegt werden müssten, um erhalten zu bleiben. Riza Bilici gab ihm hierin Recht: „Fusionen werden die Rettung des Amateurfußballs sein.“

Werner Bolte wies darauf hin, dass es schwieriger werde, jungen Leuten zu vermitteln, warum sie kicken sollten. Hier gelte es gegenzusteuern. Josha Frey appellierte, im Sport wie in der Gesellschaft stärker das Verbindende zu sehen, nicht das Trennende.

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