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Weil am Rhein Sicherheit vermitteln und schützen

Zoë Schäuble

Corona: Wie die Pandemie Kinder und Jugendliche psychisch belastet – ein Weiler Therapeut berichtet

Weil am Rhein -  Das Coronavirus stellt nicht nur für die physische Gesundheit ein Risiko dar. Auch die Psyche leidet unter den Auswirkungen der Pandemie.

Zwar gerät diese immer stärker in den Blick, allerdings wird doch einem wichtigen Bestandteil der Gesellschaft – den Kindern und Jugendlichen – noch recht wenig Beachtung zuteil. Dass aber gerade sie durch diverse Lockdowns und Kontaktbeschränkungen besonders psychisch belastet sind, weiß der Weiler Kinder- und Jugendlichenpsychotherapeut Peter Herrmann.

Kinder und Jugendliche psychisch besonders belastet

Rund 41 Prozent der in Baden-Württemberg lebenden Menschen sind mittleweile vollständig geimpft. Allerdings sind von diesen 41 Prozent nur rund zwei Prozent unter 18 Jahren, das zeigen die aktuellen Erhebungen des Robert-Koch-Instituts (RKI).

Kinder und Jugendliche scheinen aber nicht nur bezüglich des Impfschutzes eine Sonderrolle einzunehmen. Auch im Hinblick auf die psychischen Folgen, die die Pandemie auslösen kann, stehen Kinder und Jugendliche noch nicht im Fokus. „Das ändert sich gerade aber ein wenig“, empfindet Herrmann, „inzwischen rückt die Situation der Kinder und Jugendlichen immer mehr in den öffentlichen Diskurs.“

Viele Kinder und Jugendliche haben Ängste

Das sei auch wichtig, da es in der Altersgruppe der Sieben- bis 21-Jährigen durchaus psychische Belastungen, ausgelöst oder verstärkt durch die Pandemie, gebe. Allgemein hätten psychische Probleme, wie etwa Sorgen, Ängste, aber auch depressive Symptome bei den Kindern und Jugendlichen zugenommen und die Nachfrage nach Beratung sei gestiegen.

In einzelnen Fällen beobachtet der Therapeut auch psychosomatische Folgen, etwa Magen- oder Kopfschmerzen. „Regelmäßig betreue ich Kinder, die unter einer Schulangst leiden. Sonntagsnachmittags bekommen sie dann Bauchweh und sorgen sich vor dem Schulbeginn am Montagmorgen.“

Für sie hätten sich die Lockdowns bisweilen positiv ausgewirkt. Andere seien aber durch den ausfallenden Präsenzunterricht unter deutlich höherem Druck: „Der Austausch mit den Gleichaltrigen fehlt, zudem kommen besonders jüngere Kinder oft nicht mit dem digitalen Unterricht zurecht.“

Mediensucht in der Pandemie verstärkt

Ein weiteres, vermehrt bei den Jugendlichen auftretendes und durch die Pandemie verstärktes Problem sei die Mediensucht. „Ihren Medienkonsum haben gerade die Jugendlichen unter den derzeitigen Bedingungen nicht gut im Griff.  Gelernt wird online und die Freizeit häufig auch am Rechner oder Smartphone verbracht, weil man sich ja nur eingeschränkt treffen konnte und der soziale Kontakt über Medien lief.“

Viele, besonders jüngere Kinder seien überfordert mit der Einordnung der Nachrichten, die im Zuge der Pandemie verbreitet werden. „Da sind die Eltern und andere Erwachsene aus dem sozialen Umfeld gefordert, um kindgerechte Erklärungen zu liefern und so Ängste etwas abzumildern.“ Es gebe auch Eltern, die dem Pandemiegeschehen kritisch gegenüberstünden. „Für diese Kinder ist es besonders komplex, weil die Eltern nicht die erhoffte Hilfestellung leisten können.“

Soziale Kontakte fehlen

Neben fehlenden sozialen Kontakten stelle auch das weggebrochene Freizeitangebot einen bedeutenden Einschnitt dar. „Der Sportverein hat pausiert, genauso sind das gemeinsame Musizieren oder Treffen in der Konfirmandengruppe ausgefallen. Vielen Kindern fehlt dadurch der gewohnte Ausgleich. Aufmerksamkeitsstörungen können eine Folge sein.“

Besorgt blickt Herrmann auf die Delta-Variante des Corona-Virus, die sich immer weiter in Deutschland ausbreitet. Besonders Kinder und Jugendliche könnten betroffen sein. „Natürlich haben auch Kinder und Jugendliche die Sorge, sich mit dem Virus zu infizieren.“

Kinder sorgen sich vor allem um ihr soziales Umfeld

Weitaus häufiger berichteten Hermanns Patienten ihm aber von Verlustängsten: „Kinder, die ohnehin bereits an einer Angststörung leiden, sorgen sich im Speziellen jetzt um ihr soziales Umfeld.“

Viele fürchteten sich vor dem Tod ihnen nahestehender älterer Angehöriger, aber auch davor, sich nicht korrekt zu verhalten, was die Regelungen anbelangt. „Durch die Lockdowns haben manche Kinder Hemmungen aufgebaut, sich mit ihren Freunden zu verabreden. Obwohl Treffen mit einer weiteren, nicht zum Haushalt gehörenden Person erlaubt waren.“

In seiner Praxis berät Hermann derzeit rund 30 Kinder und Jugendliche im Alter von sieben bis 21 Jahren. Zwei Drittel der Patienten sind 14 Jahre und älter, ein Drittel unter 14. „Welche Altersgruppe von den durch die Pandemie bedingten psychischen Belastungen mehr betroffen ist, kann man aber nicht genau sagen“, erklärt Herrmann. Auffällig sei jedoch, dass sozial benachteiligte Kinder und Jugendliche häufiger betroffen seien.

Am schwersten trifft es die seelisch Kranken

Insgesamt stellt der Psychotherapeut fest: „Diejenigen, die der Pandemie am wenigsten Stabilität entgegenzusetzen haben, die also schon vorher labil oder psychisch krank waren, leiden besonders unter der Krise.“

Allerdings gäbe es noch keine aussagekräftigen Abrechnungsdaten von Therapeuten oder Psychiatern, dazu ist die Krise noch zu kurz, weiß Herrmann. Dennoch liegen Eindrücke von Experten und Studien vor, die ein eher düsteres Bild zeichnen.

Alltag normalisiert sich

Grundsätzlich blickt Herrmann aber positiv in die Zukunft: „Langsam der Alltag der Kinder und Jugendlichen zumindest teilweise, und Kontakte können wieder vermehrt stattfinden. Das wird die Situation deutlich verbessern.“

Gewöhnen müsse man sich dennoch an die Veränderungen des künftigen Alltags. Aufgabe des Umfelds der Kinder und Jugendlichen sei es hier, diese Veränderungen konstruktiv zu vertreten und den Kindern so ein Stück Sicherheit zurückzugeben.

Weitere Informationen: Wer Hilfe benötigt, kann sich zunächst an seinen Hausarzt wenden. Zusätzlich kann man sich bei Vertrauenslehrern oder den Schulsozialarbeitern melden. Das Diakonische Werk bietet Beratungsangebote für Kinder, Jugendliche und Eltern an, ebenso hat das Landratsamt Lörrach eine Beratungsstelle vor Ort in Weil am Rhein.

Peter Herrmann ist Diplom-Sozialpädagoge, Kinder- und Jugendlichenpsychotherapeut und arbeitet seit 2013 mit psychodynamischen Verfahren in Weil am Rhein in seiner eigenen Praxis. Zuvor war er in Frankfurt am Main in der Kinder- und Jugendhilfe sowie in der Jugend- und Drogenberatung tätig.

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