Weil am Rhein Spannend, erfrischend, mitreißend

Tonio Paßlick

Konzert: Weiler Orchestergesellschaft tritt in Hesingue und in Märkt auf / Publikum ist begeistert

„Neue Horizonte“ erkundete die Orchestergesellschaft Weil am Rhein mit ihrem Herbstprogramm, das sie mit großem Erfolg am Samstag im elsässischen Kulturhaus „La Comète“ in Hesingue und am Sonntag in der Altrheinhalle in Märkt vorstellte. Zwei fast gefüllte Konzertsäle, begeisterte Reaktionen nach beiden Konzerten – das Publikum war sich einig: „Spannend, erfrischend, mitreißend.“

Von Tonio Paßlick

Weil am Rhein-Märkt. Denn der Titel „Neue Horizonte“ konnte durchaus im doppelten Sinne verstanden werden: Als Klammer um ein Programm, das lateinamerikanische Musik in ihrem komplexen Entstehungsgeflecht erkundete und viele inzwischen auch in Europa gefeierte Ohrwürmer zum Klingen brachte. Und als Beleg dafür, dass die Orchestergesellschaft sich selber immer wieder neuen Herausforderungen aussetzt und für ihr Publikum damit immer wieder inspirierend und anregend bleibt.

Die Musik der „Neuen Welt“ in Süd-, Mittel- und Nordamerika spiegelt auch ihre historische Prägung aus der Kolonialzeit mit europäischen wie afrikanischen Einflüssen wider. Temperamentvoll und wehmütig zugleich wurde dies bei dem seit 14 Jahren in Europa eingeführten „Danzón No 2“ des mexikanischen Komponisten Arturo Márquez deutlich. Zur Entstehungsgeschichte erzählte der Komponist, dass er fasziniert die alten Aufnahmen des „Acerinas Danzonera-Orchesters“ gehört und verstanden habe, dass „die scheinbare Leichtigkeit der Danzón nur die Eintrittskarte zu einer Musik voller Sinnlichkeit und Ernsthaftigkeit“ sei. Dazu bedarf es nicht nur technischer Fertigkeiten, um komplexe rhythmische Verschiebungen mit Synkopen und dynamischen Brüchen zu spielen, sondern auch einer subtilen Einfühlung in die emotionalen Aspekte der Komposition mit ihren schmachtenden und leidenschaftlichen Stimmungen. Die Orchestergesellschaft lebte diese Gefühlsschwankungen mit ihrem Pizzicato-Puls, den sehnsüchtigen Geigensoli von Christian Rozgonyi, bezaubernden und verführerischen Rhythmen sowie unwiderstehlichen Bläser-Einsätzen.

Ausgeprägte Reife

Astor Piazzollas „Tango Sensations für Akkordeon und Streicher“ sind dennoch ungleich bekannter. Die Harmonie des Tangos weitete der argentinische Komponist italienischer Herkunft und mit Lebensmittelpunkt in New York mit Mitteln des Jazz aus. Er orientierte sich an den Vorbildern Igor Strawinsky und Béla Bartók. Dazu kommen Elemente neuer Musik wie Bogenschläge auf der Violine, stechende Streicherakzente in hoher Lage, Glissandi des gesamten Ensembles, virtuose Akkordeonläufe und auch Anklänge an Unterhaltungsmusik und Popkultur. Der Schweizer Solist Jürg Luchsinger interpretierte die quirligen Läufe mit stupender Technik und das Orchester bewies eine ausgeprägte Reife, um für die fließenden Melodie-Wechsel und die sehr raffinierten und komplizierten Rhythmen der Stimmungsbilder im Stil des Tango nuevo zwischen erster Geige, Celli und Akkordeon einen sicheren Klangteppich auszubreiten. Als Zugabe hatte das Orchester mit dem Solisten noch die Komposition „Ciao Paris“ einstudiert.

Mit Antonín Dvoráks Sinfonie Nr. 9 in e-moll betrat das Orchester im zweiten Konzertteil gewohntes Terrain. In dem Werk verwebt Dvorák die neuen Eindrücke aus Amerika mit seinen musikalischen Wurzeln in Böhmen. Die Orchestergesellschaft lebte diese Stimmungen souverän, die Bläser bewiesen ihre Fähigkeit, prachtvolle Farbwechsel einzustreuen, und die Streicher folgten dem äußerst nuancierten Dirigat von Franck Nilly bis ins kleinste Detail. Ein weiterer Höhepunkt in der Geschichte der Orchestergesellschaft, der lange beklatscht und vom Orchester mit dem zweiten Teil von Arturo Márquez’ Danzón noch dynamischer und entfesselter als zu Beginn gefeiert wurde.

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