Ich betreue wenige Frauen, die irrationale Ängste wegen Corona entwickeln. Die meisten haben eine gesunde Portion Menschenverstand, doch es gibt freilich auch Ausnahmen.
Die Corona-Krise zieht auch Veränderungen im Kreißsaal mit sich. In Bayern dürfen teilweise die Väter nicht bei der Geburt unterstützend tätig sein. Was halten Sie von der Regelung?
Es ist völlig kontraproduktiv, Begleitpersonen nicht zur Geburt zuzulassen. Einerseits braucht die Frau eine vertraute Person, um besser durch die Geburt zu kommen, andererseits ist es auch für das Klinikpersonal und die Hebammen eine große Hilfe, wenn die Frau nicht alleine ist.
Begleitpersonen müssen Phasen überbrücken, wenn die Hebammen keine Zeit haben. Und grundsätzlich gilt: Die Würde des Menschen ist unantastbar, daher brauchen sie bei so intimen Prozessen wie Gebären oder Sterben ein schützendes Umfeld und vertraute Menschen, das ist sogar dringend notwendig.
Den Kontakt mit den Patientinnen können Sie bei Ihrem Besuch nicht vermeiden, wie schützen Sie sich und Ihre Patientinnen?
FFP2, Hygiene, Hygiene, Hygiene. Ich selbst habe noch keine Familie mit positivem Befund betreut. In dem Fall wäre dann das ganze Programm mit Schutzkleidung von Nase- bis Zehenspitze dran.
Können Geburtsvorbereitungskurse stattfinden?
Im Moment finden die Kurse online statt. Viele meiner Kolleginnen bieten das nun an. Die Präsenz kommt dann wieder, wenn es wieder möglich ist.
Frage: Heutzutage bedienen sich viele für Rückversicherungen und Informationen über das Internet. Denken Sie, dass diese Online- und Hotline-Angebote den Hebammen auch in dieser Situation Entlastung bieten?
Freilich bietet das Entlastung. Ich mache selbst Beratungen via Videoanruf auf einer datenschutzkonformen Plattform. Insofern ist Corona ein Katalysator dafür.
Sehen Sie auch Gefahren dabei?
Ich sehe, dass nicht alles via Internet zu regeln ist. Präsenz vor Ort vermittelt mehr, gibt mehr Information und verschafft der Frau auch mehr Sicherheit. Diagnosen und Befunde sind im persönlichen Kontakt klarer zu erheben. Doch für manches reicht auch eine Internetplattform aus.
Mit Blick auf die Zukunft: Denken Sie, dass nun, da Pflegekräfte und Krankenhauspersonal mehr Wertschätzung erhalten, auch der Beruf der Hebamme wieder mehr in den Fokus gerät?
Der Beruf der Hebamme wird durch die derzeit laufende Akademisierung eine Aufwertung erfahren. Doch eine Krise spült hoch und lässt schnell wieder vergessen.
Die Kassiererin, der Busfahrer, die Pflegerin, all diese werden im Moment gesehen, weil sie „systemrelevant“ sind – ich stoße mich daran, denn dieses Wort produziert Ausschlüsse. Alle Menschen sind relevant. Doch die Halbwertszeit für diese Wertschätzung schätze ich eher gering ein.