Weil am Rhein Vertraute Person ist wichtig für die Geburt

Alisa Eßlinger
Mund-. und Nasenschutz gilt auch bei der Betreuung von Schwangeren. Foto: sba

Interview: Hebamme Rita Lechner berichtet über die Veränderung bei der Betreuung werdender Mütter in Corona-Zeiten

Weil am Rhein - Schwangeren-Gymnastik und gemeinsames Atmen findet für werdende Mütter nur noch von Zuhause aus statt. Hebammen wie Rita Lechner bieten Alternativen: Videoanrufe oder Onlinekurse, um Patientinnen auf die Geburt vorzubereiten. Im Gespräch mit Alisa Eßlinger berichtet die Weilerin über die Auswirkungen der Corona-Krise.

Rita Lechner ist freiberufliche Hebamme und betreut Frauen vor sowie nach der Geburt. Doch die Corona-Krise bringt auch Veränderungen beim Ausüben ihrer Tätigkeit als Hebamme mit sich.

Die Situation der Hebammen in Weil am Rhein sieht nicht gerade optimal aus. Doch hat sich die Lage durch das Coronavirus nun verschärft?

Ich würde verändert sagen, nicht verschärft. Die Familien versuchen sich zu schützen und überlegen länger, ob sie ins Krankenhaus fahren oder in eine Praxis gehen.

Ziehen denn mehr Frauen eine Hausgeburt vor, um sich und ihre Kinder vor einer Infektion im Krankenhaus zu schützen?

Nein, diesen Eindruck habe ich nicht. Eine Hausgeburt machen Frauen, die sich das grundsätzlich zutrauen, die vertrauen in natürliche Prozesse haben. Corona baut kein Vertrauen auf.

Merken Sie bei den Patientinnen Veränderungen hinsichtlich Bedenken und Ängsten wegen der Krise ?

Ja, Institutionen wie Krankenhäuser oder Praxen werden nicht mehr als die sicheren Orte angesehen, die sie vor Corona in den Augen der Eltern waren.

Ich betreue wenige Frauen, die irrationale Ängste wegen Corona entwickeln. Die meisten haben eine gesunde Portion Menschenverstand, doch es gibt freilich auch Ausnahmen.

Die Corona-Krise zieht auch Veränderungen im Kreißsaal mit sich. In Bayern dürfen teilweise die Väter nicht bei der Geburt unterstützend tätig sein. Was halten Sie von der Regelung?

Es ist völlig kontraproduktiv, Begleitpersonen nicht zur Geburt zuzulassen. Einerseits braucht die Frau eine vertraute Person, um besser durch die Geburt zu kommen, andererseits ist es auch für das Klinikpersonal und die Hebammen eine große Hilfe, wenn die Frau nicht alleine ist.

Begleitpersonen müssen Phasen überbrücken, wenn die Hebammen keine Zeit haben. Und grundsätzlich gilt: Die Würde des Menschen ist unantastbar, daher brauchen sie bei so intimen Prozessen wie Gebären oder Sterben ein schützendes Umfeld und vertraute Menschen, das ist sogar dringend notwendig.

Den Kontakt mit den Patientinnen können Sie bei Ihrem Besuch nicht vermeiden, wie schützen Sie sich und Ihre Patientinnen?

FFP2, Hygiene, Hygiene, Hygiene. Ich selbst habe noch keine Familie mit positivem Befund betreut. In dem Fall wäre dann das ganze Programm mit Schutzkleidung von Nase- bis Zehenspitze dran.

Können Geburtsvorbereitungskurse stattfinden?

Im Moment finden die Kurse online statt. Viele meiner Kolleginnen bieten das nun an. Die Präsenz kommt dann wieder, wenn es wieder möglich ist.

Frage: Heutzutage bedienen sich viele für Rückversicherungen und Informationen über das Internet. Denken Sie, dass diese Online- und Hotline-Angebote den Hebammen auch in dieser Situation Entlastung bieten?

Freilich bietet das Entlastung. Ich mache selbst Beratungen via Videoanruf auf einer datenschutzkonformen Plattform. Insofern ist Corona ein Katalysator dafür.

Sehen Sie auch Gefahren dabei?

Ich sehe, dass nicht alles via Internet zu regeln ist. Präsenz vor Ort vermittelt mehr, gibt mehr Information und verschafft der Frau auch mehr Sicherheit. Diagnosen und Befunde sind im persönlichen Kontakt klarer zu erheben. Doch für manches reicht auch eine Internetplattform aus.

Mit Blick auf die Zukunft: Denken Sie, dass nun, da Pflegekräfte und Krankenhauspersonal mehr Wertschätzung erhalten, auch der Beruf der Hebamme wieder mehr in den Fokus gerät?

Der Beruf der Hebamme wird durch die derzeit laufende Akademisierung eine Aufwertung erfahren. Doch eine Krise spült hoch und lässt schnell wieder vergessen.

Die Kassiererin, der Busfahrer, die Pflegerin, all diese werden im Moment gesehen, weil sie „systemrelevant“ sind – ich stoße mich daran, denn dieses Wort produziert Ausschlüsse. Alle Menschen sind relevant. Doch die Halbwertszeit für diese Wertschätzung schätze ich eher gering ein.

Umfrage

E-Auto

Die EU hat ein weitgehendes Verbrenner-Aus bis 2035 beschlossen. Was halten Sie davon?

Ergebnis anzeigen
loading