Weil am Rhein Von „toll“ bis „entsetzlich“

Marco Fraune

Bewertungen: Parteichefs kommentieren Wahlergebnis / „Stickelberger-Faktor“ dahin

Weil am Rhein -  Die Grünen haben bei der Landtagswahl in Weil historisch gut, die Christdemokraten historisch schlecht abgeschnitten. Entsprechend ist die Stimmungslage am Tag danach bei den Parteivorsitzenden vor Ort. Hoffnung auf eine strahlende Ampel haben noch SPD und FDP, wo die Gefühle zugleich beim Blick auf die Weiler Wahlergebnisse ganz anders ausgeprägt sind.

In Weil am Rhein haben die Grünen 36,4 Prozent (plus 9,7), die CDU 18 Prozent (minus drei), die SPD 14 Prozent (minus 8,8), die FDP 10,3 (plus 4,2) und die AfD 9,1 Prozent (minus 7,2) geholt (wir berichteten).

Glückliche Grüne

Obwohl die Online-Party nicht vergleichbar sei mit einer Live-Wahlparty freuten sich die Weiler Grünen am Sonntagabend dennoch gemeinsam am Computer-Bildschirm. „Das Ergebnis ist für uns toll, das hätte ich gerne im Gemeinderat“, erklärt Ortsvereins-Vorsitzender Thomas Bayer. Dass die Grünen in Weil fast zweistellig zulegen konnten, führt er auch auf eine gute Arbeit der Weiler Parteivertreter und der Grünen-Fraktion zurück. „Den Zuschlag im Vergleich zum Landesdurchschnitt können wir uns ungeniert ans Revers heften.“

Im Wahlkampf habe es auch schon entsprechend positive Resonanz gegeben. Dass dabei Kandidat Josha Frey und das Grünen-Bundestagsmitglied Gerhard Zickenheiner je zwei Mal vor Ort waren, habe bei der Wahrnehmung geholfen.

Dennoch räumt Bayer einen sehr großen Kretschmann-Bonus ein. Man habe aber vor Ort zusätzlich ein paar Punkte extra zulegen können. „Wir setzen um, was wir versprechen“, unterstreicht der Vorsitzende. Man sei zudem einfach präsenter gewesen. Und: „Grün steht nicht nur für Umweltschutz und Radverkehr, sondern wir stehen für die gesamte Gesellschaft.“ Die Grünen seien angekommen, Bayer spricht von „Volkspartei“.

Interessiert hat er auch auf die CDU-Ergebnisse im Wahlkreis geblickt, wobei hier der ehemalige Bürgermeister Christoph Nitz als Kandidat noch nicht einmal in seiner früheren Wirkungsstätte Schopfheim wirklich gut abgeschnitten habe. „Man muss sich fragen: War es der richtige Kandidat?“ Vom FDP-Ergebnis war Bayer nicht überrascht.

In der Landespolitik würden sie interessante Arbeit leisten, im Bund hingegen nicht. Als Koalitionspartner sieht Bayer die Liberalen noch nicht so recht. „Man muss sehen, inwiefern die FDP mitgehen kann.“ Grün-Schwarz habe zuletzt gut gepasst, wobei Bayer dies nicht als klaren Koalitionswunsch verstanden wissen will. Wichtig sei, gute Politik zu machen. Ebenfalls auf der Agenda sein müsse, die AfD-Wähler zurückzugewinnen, von denen viele unzufrieden seien.

Deprimierte CDU

Extrem enttäuscht vom Wahlergebnis der eigenen Partei ist der CDU-Stadtverbandsvorsitzende Günter Dußmann. „Entsetzlich, ganz schlimm“ sind seine ersten kommentierenden Worte bei der Umfrage unserer Zeitung unter den im Gemeinderat vertretenen Parteien, die auch bei der Landtagswahl auf Stimmenfang gingen.

Drei zentrale Ursachen erkennt Dußmann für das schlechte Abschneiden. Neben dem Kretschmann- Faktor („Frau Eisenmann ist nicht die Sympathieträgerin und Herr Kretschmann passt vom Charakter her“) sei es die Masken-Affäre der CDU in Berlin gewesen sowie die Impf- und Teststrategie im Bund.

Für den Landkreis Lörrach komme die „Unfähigkeit, den Impfstoff an die Grenzen zu kriegen“ hinzu. Doch dass man dies nicht zu Stande bekomme, werde nicht der grün geführten Regierung angekreidet. Selbst die „Häuslebesitzer“ hätten trotz der jüngsten Diskussion grün gewählt. Ob es zu einer Neuauflage von Grün- Schwarz im Land kommt, liege nun zuerst an den Grünen.

Die heimische CDU habe hingegen nichts verkehrt gemacht, findet Dußmann. „Christof Nitz hat sich abgestrampelt.“ Einzig einige Werbetafeln seien nicht gut positioniert gewesen. Dass Frey fast zehn Prozent in Weil zulegen konnte, ist für den Stadtverbands-Chef „unbegreiflich“. Denn OB Wolfgang Dietz (CDU) mache einen hervorragenden Job.

Dennoch habe man vor Ort immer wieder gehört, dass es so nicht weitergehe, wobei Kanzlerin Merkel und Gesundheitsminister Spahn als Namen fielen.

Vor Ort müsse die CDU aber auch wieder Präsenz im Gemeinderat zeigen. „Ich fordere, dass wir mehr Stellung zu Themen bringen und auch öffentlich kommunizieren, was wir wollen und tun“, erkennt Dußmann Defizite der CDU-Fraktionsarbeit. „Wir müssen Gutes tun und darüber reden und zeigen, dass es der CDU-Erfolg ist. Wir machen eine Politik der Machbarkeit und nicht der Utopie“, lobt Dußmann hingegen besonders das Wirken von Oberbürgermeister Dietz.

Hoffnung bei der SPD

Ohne den „Stickelberger-Faktor“ hat die Weiler SPD einen „herben Rückschlag“ verkraften müssen, erklärt Ortsverbandschef Markus Langhans. Es sei klar gewesen, dass man auf den Landesschnitt zurückfallen werde. Jonas Hoffmann habe in Weil am Rhein eine Plattform erhalten und sei nun froh, dass er auch in den Stuttgarter Landtag komme.

Wenn die SPD im Land mit regiere, könne man auch viel Gutes machen, hofft Langhans auf eine Ampelkoalition und auch damit verbunden auf ein Signal für die Bundestagswahl. Da mit Olaf Scholz schon der Kanzlerkandidat feststehe, könne schon jetzt mit der Arbeit begonnen werden.

Die Wahlprognosen haben die Genossen vor Ort aufgrund der Corona-Einschränkungen nicht so fühlen können. Der Kontakt zu den Bürgern fehlte den Sozialdemokraten. „Die SPD ist sehr themenlastig.“ Doch in diesem Wahlkampf hätten die Personen Kretschmann und Eisenmann im Vordergrund gestanden, so Langhans.

FDP blickt auf Ampel

In sehr zufriedener Haltung blickt FDP-Chef Taylan Kahraman auf das Weiler Wahlergebnis, was er angesichts der Zweistelligkeit sogar als „historisch“ bewertet, was einen „super Wert“ darstelle. „Es hat gezeigt, dass viele Themen von uns richtig und wichtig sind.“ Auch aus dem Dienstleistungsbereich und der Gastronomie vernahm der FDP-Chef positive Rückmeldungen. Speziell bei der Online-Veranstaltung „Politik und Pizza“ punktete Spitzenkandidat Felix Düster, unterstreicht Kahraman.

Wissend um die Reichweite bei der Wählerschaft spürt er nun Rückenwind für die Parteiarbeit vor Ort. „Wir sehen so auch das Potenzial, das wir abrufen können.“

Bei der Bundestagswahl sei ein zweistelliges Ergebnis drin. Dass die Grünen fast zehn Prozent in Weil zulegen, führt der FDP-Chef darauf zurück, dass sie starke Themen wie den Klimaschutz besetzen. „Das trifft den Nerv der Zeit.“

Dass es zum Dreierbündnis in Stuttgart komme, sei nicht zwangsläufig. „Eine Ampel, ja gerne, aber nicht um jeden Preis“, so Kahraman. „Ich hoffe, es gibt aber grünes Licht für die Ampel.“ Die CDU sei jedenfalls für den Masken-Skandal abgestraft worden und auch wegen der Diskussion um Artikel 13 der EU-Urheberrechtsreform, also die Diskussion um den Uploadfilter. Bürgerliche Stimmen wechselten laut Kahraman zur FDP.

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