Weil am Rhein Weiler NS-Zeit wird aufgearbeitet

Ingmar Lorenz
Weil während der NS-Zeit: Blick auf die damalige „Adolf-Hitler-Straße“, die heutige Hauptstraße . Foto: zVg/Stadtarchiv

Gemeinderat: Gremium stimmt der Beauftragung des Historikers Robert Neisen zu

Der Weiler Gemeinderat hat sich der Entscheidung des Kultur-, Sport- und Verwaltungsausschusses angeschlossen: Der Historiker Robert Neisen wird mit der Aufarbeitung der Weiler NS-Zeit beauftragt.

Von Ingmar Lorenz

Weil am Rhein. Wie erheblich die Lücken mit Blick auf die Zeit zwischen 1933 und 1945 in den bislang vorliegenden Werken zur Weiler Geschichte sind, verdeutlichte Oberbürgermeister Wolfgang Dietz in der Sitzung des Gemeinderats. Der OB hatte diverse Werke zur Stadtgeschichte mitgebracht und zeigte auf, dass diese komplexe Sachverhalte – etwa zu lokalen Amtsträgern in der Zeit des Nationalsozialismus – teils mit kaum mehr als einem Satz abtun.

So wurde in der Sitzung erneut deutlich, dass eine Aufarbeitung dieses Kapitels der Stadtgeschichte dringend notwendig ist. Aufgrund der Komplexität und der Brisanz des Themas sei ihm sehr an der Beauftragung eines Profis gelegen, betonte Dietz zudem erneut. „Ich verspreche mir eine Ergänzung der Stadtgeschichte, die den gesamten Zeitraum von der Weimarer Republik bis zur Nachkriegszeit umfasst“, erklärte Dietz. Die Darstellung soll auch in die entsprechenden geschichtlichen Zusammenhänge vor und nach der Nazi-Zeit eingebettet werden.

Zum Konzept, das Neisen vorgelegt hat – und das bereits im KSVA von den Ratsmitgliedern gelobt wurde – äußerten sich zahlreiche Mitglieder des Gemeinderats positiv. Eugen Katzenstein (UFW) regte diesbezüglich an, vor allem auch die Schicksale der Opfer in den Fokus zu rücken.

Johannes Foege (SPD) stellte die Frage nach der Quellenlage, die – wie Neisen im KSVA berichtet hatte – besser ist als zunächst gedacht.

Lynn Fischer (Grüne) wies auf die Bedeutung der Aufarbeitung hin. Es sei an der Zeit sich mit diesem dunklen Kapitel und den Verbrechen des menschenverachtenden Regimes endlich auseinanderzusetzen. Auch Jürgen Walliser (UFW) befand: „Man darf die Augen nicht davor verschließen.“

Kaum Zeitzeugen, aber Dokumente

Zwei verschiedene Facetten kamen hinsichtlich des Zeitpunkts der Aufarbeitung zur Sprache: Susanne Engler (UFW) betonte, dass es inzwischen genügend Abstand gebe, um das Thema gerade auch innerhalb der örtlichen Strukturen umfassend aufarbeiten zu können. Als die von Dietz angeführten Werke zur Weiler Geschichte verfasst wurden, sei man noch nicht so weit gewesen.

Ulrike Fröhlich (Grüne) indes betonte, dass es hinsichtlich der Möglichkeit zur Befragung von Zeitzeugen im Grunde schon zu spät sei. Dem pflichtete OB Dietz bei, der vorrechnete, dass eine Person, die bei Kriegsende lediglich 15 Jahre alt war, inzwischen 92 wäre. Es dürfte entsprechend schwierig oder gar unmöglich sein, noch Zeitzeugen zu finden, die die NS-Zeit in Weil am Rhein erlebt haben und damals schon in der Lage waren, politische und gesellschaftliche Veränderungen zu erfassen und zu verstehen. Allerdings betonte Dietz auch, dass es für die Aufarbeitung insofern noch nicht zu spät sei, als die Dokumente in den Archiven nach wie vor vorhanden sind.

Bei einer Enthaltung (Thomas Harms) stimmte der Gemeinderat der Beauftragung von Neisen zu. Harms hatte im Vorfeld erklärt, dass er das Konzept zur Aufarbeitung für sehr sinnvoll erachte, er zugleich aber – unter anderem mit dem Verweis auf die aktuelle weltpolitische Lage beziehungsweise den russischen Angriffskrieg auf die Ukraine – den Eindruck habe, dass die Gesellschaft aus ihrer Vergangenheit nichts lerne.

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