Weil am Rhein Weniger Ärger, mehr Zusammenhalt

Weiler Zeitung

„Lions“-Serie: 5. Teil: Lions-Quest / Das Jugendförder- und Präventionsprogramm bewirkt Veränderungen

Von Marco Fraune

Mit der Vermittlung sozialer Kompetenzen sollen Schüler gestärkt und damit eine Sucht- und Gewaltprävention betrieben werden. Lehrkräfte erhalten im Rahmen des Programms „Lions-Quest“ das Rüstzeug, um steuernd eingreifen zu können. Der Besuch in der Klasse 6a der Hellbergschule in Brombach bietet einen Einblick.

Weil am Rhein/Lörrach. Ulrike Launer und Susanne Niedermüller sitzen gemeinsam mit den Sechstklässlern im Stuhlkreis. In der Mitte liegt ein laminierter Zettel auf dem nur „Ich-Botschaften“ steht: „Ich will nicht, dass du das, was ich dir unter uns Freunden erzählt habe, weitererzählst“, erklärt ein junges Mädchen. Es geht gerade um Vertrauen, das von Schulkollegen und Freunden nicht missbraucht werden soll. Denn: Zuvor wurde im Rollenspiel verdeutlicht, dass Geheimnisse nicht einfach weitergeplappert werden dürfen. Ein Mädchen, das einem anderen erzählt hat, dass sie mit einem Jungen ins Kino geht, war stinksauer, dass das Geheimnis weitererzählt wurde. Mit „blöde Kuh“ zerbrach dann das Vertrauensverhältnis.

Enthalten ist dieses Rollenspiel in den Unterlagen des Lebenskompetenz- und Präventionsprogramms für junge Menschen, kurz Lions-Quest. Lehrer, die an der entsprechenden Schulung dafür teilgenommen haben, können Handbuch, CD und Kopiervorlagen nutzen, um verschiedene Schwerpunkte aufzuarbeiten. Neben dem Einführungsseminar gibt es für die Lehrkräfte ein Aufbauseminar, in dem es um Anti-Mobbing, Zusammenarbeit mit den Lehrern oder Methodentraining zum Rollenspiel geht. Auch eine Praxis-Begleitung für die Lehrer ist enthalten, womit eine nachhaltige Umsetzung im Unterricht unterstützt werden soll. Hinzu kommt eine laufende Aktualisierung des Programms.

„Es hilft, die Themen in Theaterstücken zu beleuchten“, kennt der Binzener Christian Baumann, Zonenbeauftragter Lions-Quest, die Herangehensweise. So gibt es beispielsweise einen Bereich Kulturelle Heterogenität, einen zur Inklusion oder einen anderen zu Selbstkompetenzen. „Die Lehrer haben die Verantwortung, das Richtige herauszusuchen.“

Das Lehrer-Duo thematisiert daher, dass ein Mädchen zu Boden geschubst oder ein „Nackenklatscher“ ausgeteilt wird. Launer: „Das haben wir leider sehr häufig.“ Die „Ich-Botschaft“, die von den Schülern dann formuliert wird, soll sich auf die gesamte Schule übertragen. „Ich möchte das nicht, dass du mir weh tust.“

Einmal in der Woche steht in der Klasse 6a für die 24 Kinder Lions-Quest auf dem Stundenplan. „Wir haben dann immer aktuelle Themen. Vertrauensbrücken sind aber immer aktuell“, erzählen beide Lehrerinnen. So gehe es nicht nur um körperliche Gewalt, sondern auch um Gewalt emotionaler Art. „Manchmal kann es dauern, bis eine Wirkung erzielt wird“, weiß Niedermüller. Doch: „Unsere Klasse hat sich hervorragend entwickelt.“ Es werde weniger geschubst und getreten. Ein großes Plakat mit Klassenregeln ist außerdem für jeden Schüler sichtbar aufgehängt. Neu hinzugekommen ist der Wunsch nach einer „lästerfreien Zone“.

Die Hellbergschul-Leiterin Petra Sauer steht voll hinter „Lions-Quest“. Die Werkrealschule sei nun einmal schon frühzeitig prädestiniert dazu, auch Erziehungsfunktionen zu übernehmen, weiß sie um die Anforderungen. Da Gymnasien mittlerweile aufgrund der großen Nachfrage eine größere Heterogenität aufweisen, erkennt sie auch dort Bedarf für das Programm. „Gut tut es jeder Schule und Schulart, sich dem Thema anzunehmen.“ Es gehe darum, ein Unterstützungssystem anzubieten und die Klassengemeinschaft zu stärken.

Baumann kann mittlerweile auch auf einige Schulen im Landkreis Lörrach verweisen, die das Lions-Programm anwenden. Das Kant-Gymnasium in Weil am Rhein sei neu eingestiegen. In der Grenzstadt ebenfalls mit im Boot sind die Realschule Dreiländereck, und im Oberrhein-Gymnasium wächst die Zahl der beteiligten Klassen. Aber auch in Lörrach sind die beiden Gymnasium mit dabei.

Die Hellbergschule sei keine konfliktfreie Schule, doch Sauer stellt fest, dass das Programm Wirkung in ihrer Werkrealschule zeigt. Die Stunden dafür knapst sie aus dem Stunden-Anrechnungspool ab. „Es ist einfach wichtig.“

Ihr Kollegium sieht das genauso. Sobald eine neue Lehrkraft anheuert, wird diese auf die Lions-Quest-Fortbildung aufmerksam gemacht. „Die Fortbildung multipliziert sich dadurch, dass es eine Mund-zu-Mund-Propaganda gibt“, freut sie sich.

Es gibt laut Baumann, der im Lions-Club Schliengen aktiv ist, eine große Nachfrage, doch auch immer wieder Plätze, die frei sind. Mindestens 40 Seminare sind es im „Ländle“ pro Jahr. Mehr als 10 000 Lehrer in Baden-Württemberg wurden so bei Lions-Quest ausgebildet, bundesweit zehn Mal so viel. Die Kosten pro Seminar belaufen sich auf 6000 bis 8000 Euro, womit für die „Lions“ im Land 300 000 Euro anfallen. Im Landkreis Lörrach erfolgt die Finanzierung durch die Lions-Clubs in Lörrach, Weil am Rhein und Schliengen. Der Lions-Club lasse sich auch nicht in das eigene Programm hereinreden, betont Baumann, der auf die positive Evaluation und die Einarbeitung von wissenschaftlichen Erkenntnissen setzt.

Doch der Multiplikatoreffekt der geschulten Lehrer ist groß. So erreicht jeder der 28 Lehrer im Seminar pro Jahr acht Klassen mit je 30 Schülern, sodass sich jährlich 6720 Schüler ergeben.

Auch das Kulturministerium ist von dem Inhalt des Programms überzeugt. Im März vergangenen Jahres wurde eine neue Rahmenvereinbarung zur Zusammenarbeit bei dem Programm unterzeichnet. „Lions-Quest ist eine Erfolgsgeschichte, die wir gemeinsam weiterschreiben. Von diesem Programm profitiert die ganze Schulgemeinschaft“, unterstrich seinerzeit Kultusminister Andreas Stoch.

Das Programm besteht dabei aus zwei Komponenten: „Erwachsen werden“ ist für zehn- bis 14-jährige Schüler gedacht, „Erwachsen handeln“ für 15- bis 21-Jährige und junge Erwachsene. Das eine baue auf dem anderen auf.

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