Zur Verwunderung der Haltinger ist die „Alte Trotte“ von 1797 mitsamt dem denkmalgeschützten Gebäude aus dem Ortsbild verschwunden. Nun ist dort ein leerer Platz. Er soll, soweit der aktuelle Stand, auch nicht wieder überbaut werden.
Karl-Heinz Niechoj plädiert dafür, Geschichte wieder sichtbar zu machen.
Zur Verwunderung der Haltinger ist die „Alte Trotte“ von 1797 mitsamt dem denkmalgeschützten Gebäude aus dem Ortsbild verschwunden. Nun ist dort ein leerer Platz. Er soll, soweit der aktuelle Stand, auch nicht wieder überbaut werden.
Eigentümer, Behörden, Gemeinde- und Ortschaftsrat vollzogen sicherlich eine Abwägung zwischen dem öffentlichen Interesse und dem Schutz des privaten Eigentums. Sie beschlossen den Abriss und die Entfernung der Trotte. Konditionen und Auflagen sind nicht bekannt.
Das Gebäude und die Trotte markierten die südliche Bebauungsgrenze des alten Dorfes. Drei historische Wege treffen dort aufeinander: Der Weil-Weg, ehemalige direkte Verbindung zum Dorfmittelpunkt in Weil, wo Johann Peter Hebels Freundin Gustave Fecht einst wohnte, und der ehemalige Basel-Weg (heute die Markgräfler Straße). Er führte zur Straße, die Basel mit Freiburg verband und zur Leopoldshöhe. Der dritte Weg geht hoch auf den Berg nach Tüllingen.
Die Trotte, das Gebäude und der Standort gehörten für die Haltinger, die Winzer und Vereine zum Dorf. Sie waren Teil der Identität. Den Besuchern und Gästen war sie ein beeindruckender Hinweis auf die Tradition des Weinbaus.
Im vergangenen Jahr wurde der Stadt ein neues Siegel verliehen: es war die Tourismus-Marketing-Auszeichnung als „Wein-Süden Weinort“. Das Höhendorf Ötlingen hat seine eigene Weinbaugeschichte und zeigt zwei Trotten im öffentlichen Raum. In Weil selbst ist keine historische Trotte bekannt, die Haltinger Trotte wurde jetzt ohne jede öffentliche Information entfernt.
Um dem Siegel eines traditionellen „Weinorts“ einen zusätzlichen Inhalt zu geben, böte sich an, die Trotte wieder an ihrem ursprünglichen Platz aufzustellen, gleichsam als Visitenkarte des historischen Weinorts.
Denn auf dem engen Raum zwischen der Trotte am Weil-Weg und dem Winzerkeller am Winzerweg (ehemals Binzen-Weg ) nahe beim Ötlinger Weg erschließt sich in der Großen Gaß ein anschauliches Bild von der Geschichte des Dorfs Haltingen und der Tradition seines Weinbaus.
Die St.-Georg-Kirche, der „Rebstock“ als ehemals amtliche Markgräfler Gemeindestube, die beiden Stapfelhäuser, das Vogts- und das Zehnthaus, wie auch die Alte Trotte geben Zeugnis von feudal-herrschaftlichen Zeiten.
Auch der großherzogliche Flächenstaat und das Kaiserreich hinterließen im 19. Jahrhundert in der Architektur, den Straßenführungen, durch die Eisenbahn, in veränderten Wirtschafts- und Sozialstrukturen sowie durch die Erweiterung des Siedlungsgebietes ihre Spuren.
Von immenser historischer Dimension ist die Entwicklung des Dorfs, des Weinbaus und der Architektur des Ortsbildes zwischen 1933 und 1945. Genug Zeit ist es nun her, um sachlich, jedoch nicht wertfrei, die Gründung der Winzergenossenschaft 1936, die in den vierziger Jahren erbauten „Reichserbhöfe“ sowie die zeit- und regionalgeschichtlich außerordentlich frühe Rebbergumlegung durch die „Rebaufbaugenossenschaft“ einzubeziehen.
Schon 1942 wurden kleine Streuparzellen zu rentablen Größen zusammengelegt und durch ein Wegenetz wirksam erschlossen.
Es waren rationale Maßnahmen, die ihrer Zeit weit vorausgingen, die auch ökonomisch und sozial Sinn machten. Sie waren aber ideologisch dem Rassen- und Weltmachtwahn der Ideologie des totalitären NS-Staates untergeordnet, wie unter anderem aus der Deutschen Digitalen Bibliothek – Abteilung Landesarchiv und Staatsarchiv Freiburg hervorgeht.
Als „Markgräfler Musterdorf“ gibt der Ort Haltingen geschichtliches Zeugnis von der Gleichschaltung der Agrarwirtschaft durch den „Reichsnährstand. KdöR“, von dem „Reichserbhofgesetz“ von 1933 und auch von der Ästhetik des so genannten „Heimatschutzstils“ eines (Reichs-)Architektenstabs.
Mit der Fertigstellung des Winzerkellers 1955 beginnt eine neue Epoche des Weinbaus. Weiler Winzer treten 1958 der Genossenschaft bei. Damit beginnt die Erweiterung des Einzugsbereichs auf auswärtige Reblagen. Naturschutzregelungen, EU-Vorgaben zur Marktordnung, aber auch ein modernes Marketing mit neuem Design und Logos sowie mit einer Vielfalt stimmungsvoller Veranstaltungen und Feste kommen im Laufe der Zeit hinzu.
Genannt seien nur das „H“-Design in Form eines Stuhls und die Umbenennung der „Haltinger Winzergenossenschaft“ in „Haltinger Winzer eG“ im Jahr 2008 sowie Events wie der „Weinweg in Flammen“. Das oben erwähnte Siegel als Weinort wird Orten verliehen, die in vorbildlicher Weise „ihre traditionelle Beziehung zum Weinbau pflegen und dieses kulturelle Erbe sowohl für Einheimische als auch Urlauber erlebbar“ machen. Die Alte Trotte und die kurze Wegstrecke zwischen ihr und dem Keller der Haltinger Winzer wäre eine Ergänzung zu den schon erfüllten Kriterien dieser Auszeichnung und könnte ein Beitrag für das Anliegen des Ortschaftsrates sein, das geschichtliche Erbe Haltingens zu bewahren.
Als erster Schritt könnten so die Standorte der 21 Grenzsteine des Dorf-Etters (des Friedhages/Zauns) von 1832 wieder verortet werden, festgehalten in der Haltinger Chronik auf Seite 471, und so zu einer Umgehung des Dorfkerns mit seinen Gassen, Pfaden, Gräben und auch den „Toren“ am Weil-Weg und an der Hiltelinger Gasse – heute Kleine Dorfstraße – einladen. Diese führte über die Freiburger Straße die Frauen zum Wöschbach im Krebsbachtal und die Männer zu den Fluren der niederen Rheinauen, dort, wo die Wüstung Hiltlingen 1732 Teil des Haltinger Dorfbannes geworden war.
Ein solches Vorhaben wäre ganz im Sinne der „Public History“, einem Fachbereich der Geschichtswissenschaft, der die Geschichte für die Öffentlichkeit „verwendet“ oder bereitstellt.
Sein wesentliches Ziel ist, das geschichtliche Erbe aus dem Museum und dem „elfenbeinernen Turm“ der Wissenschaft herauszuführen und sie im Alltag der Menschen erlebbar zu machen.
Der Autor
Karl-Heiz Niechoj (82), lange Jahre Lehrer am Weiler Kant-Gymnasium sowie Stadt- und Ortschaftsrat in Weil am Rhein und Haltingen, ist im oberschlesischen Beuthen geboren. Im Alter von vier Jahren musste er die Heimat zusammen mit seinen Eltern verlassen. Er legte das Abitur in Bochum ab und studierte später in Freiburg und München unter anderem die Fächer Geschichte, Englisch und Gemeinschaftskunde, die er ab 1968 im Weil am Rhein unterrichtete. Sechs Jahre lang leitete er die Deutsche Auslandsschule in Windhoek (Namibia). Mit seiner Frau lebt Niechoj in Haltingen.