^ Weil am Rhein: Wo die Eisenbahner wohnten - Weil am Rhein - Verlagshaus Jaumann

Weil am Rhein Wo die Eisenbahner wohnten

Beatrice Ehrlich
Für die Eisenbahnbediensteten wurde im Jahr 1913 eine Siedlung, die Kolonie, gebaut, die heute noch als Ensemble erhalten ist. Foto: Beatrice Ehrlich

Rundgang durchs Haltinger Unterdorf

Der 2018 in Betrieb genommene Fußgängersteg ist der Ersatz für Fußgängerunterführung, die bis dahin die beiden Ortsteile auf der Höhe des Bahnhofs verband. Die Bahn hatte statt der Unterführung zunächst nur einen Steg über die Gleise bauen wollen, berichtet Haltingens Ortsvorsteher Michael Gleßner beim Ortsrundgang. Ein Ersatz musste her, unter anderem auch für die vielen Kinder aus dem „Rad“, die jeden Tag den Städtischen Kindergarten jenseits der Bahnlinie und der Bundesstraße 3 besuchen. Dem Einsatz der Stadt Weil im Rahmen des Planfeststellungsverfahrens sei es zu verdanken, dass er jetzt auch über die B 3 führt und darüber hinaus über insgesamt drei Aufzüge barrierefrei zugänglich ist, unterstreicht Gleßner.

Haltinger Steg Foto: Beatrice Ehrlich

Für die Stadt sei dies mit finanziellen Aufwand verbunden, etwa für die jährlich Wartung der Aufzüge. Allein 7500 Euro im Jahr würden dafür fällig, hinzu kommen die Kosten für Reparaturen. Denn die Aufzüge seien zwar Eigentum der Bahn, für ihren Betrieb und Unterhalt hat aber die Stadt Weil die Verantwortung übernommen.

Statt Bahnhof jetzt ein „Haltepunkt“

Das Bahnhofsgebäude selbst musste 2020 dem viergleisigen Ausbau der Rheintalbahn weichen. Es wurde abgerissen. Wenn man vom Haltinger Steg nach unten Richtung Norden blickt, hat man einen guten Überblick über das Fortschreiten der Bauarbeiten und der mit dem Umbau einhergehenden Umgestaltung des Bahnhofsumfelds. Der Betontrog, durch den einst die ICE-Trasse verlaufen wird, ist gut erkennbar.

Die neue ICE-Trasse wird in diesem Betontrog verlaufen. Foto: Beatrice Ehrlich

Wo der Bahnhof stand, verläuft jetzt ein neues Gleis für den Regionalverkehr. Noch nicht klar ist laut Gleßner, wie das Umfeld des Bahnhofs, der jetzt „Haltepunkt“ heißt, letztlich aussehen wird. Dazu gebe es verschiedene Ideen. Noch nicht geklärt sei unter anderem die Frage, wie der Autoverkehr künftig am Haltepunkt vorbeigeleitet wird.

Blick aufs denkmalgeschützte Bahnbetriebswerk

In Richtung Süden fällt der Blick auf das Bahnbetriebswerk und das unter Denkmalschutz stehende Betriebswerksgebäude, ein markantes schwarzes Bauwerk aus Holz gleich daneben.

Blick aufs Bahnbetriebswerk Foto: Beatrice Ehrlich

400 Menschen hätten dort früher gearbeitet, blickt Gleßner zurück. Heute seien es weniger. Etwas weiter westlich, wo heute noch Bäume auf dem Gelände der Bahn stehen, soll aktuellen Plänen der Bahn zufolge eine ICE-Behandlungsanlage entstehen, in der die Hochgeschwindigkeitszüge von innen und außen gereinigt und gewartet werden. Noch etwas weiter westlich liegt das Baugebiet „Im Rad“. Der Weg dorthin führt vom Fußgängersteg über eine Brücke, die während des Neubaus der parallel verlaufenden Güterstraßenbrücke als Behelfsbrücke und danach ausschließlich für den Fuß- und Radverkehr dienen sollte – quasi als natürliche Fortsetzung des Haltinger Stegs. Daraus wird aber nun nichts: Da die neue Güterstraßenbrücke viel schmaler wird als ursprünglich geplant und nur einspurig befahrbar sein wird, soll künftig der Gegenverkehr über die jetzige Behelfsbrücke geführt werden.

„Kolonie“ für Bahnbedienstete

Der Straße entlang geht es weiter ins westlich des Bahngeländes gelegene Baugebiet „Im Rad“. Dort befindet sich die als Ensemble unter Denkmalschutz stehende Haltinger Eisenbahnersiedlung.

Die Drei- und Vier-Zimmer-Wohnungen der Haltinger „Kolonie“ befinden sich heute in Privateigentum. Zu jeder Wohnung gehört eine der davor gelegenen Gartenparzellen. Foto: Beatrice Ehrlich

Sie wurde im Jahr 1913, zeitgleich mit dem Badischen Bahnhof in Basel, für die vielen neu nach Haltingen gezogenen Bahnbediensteten errichtet. Die ehemaligen Dienstwohnungen in dem gut erhaltenen Ensemble sind heute Eigentumswohnungen. Zu jeder Wohnung gehört eine Gartenparzelle, wie man heute noch gut erkennen kann. Früher nutzten sie die Familien zur Selbstversorgung, heute stehen dort Gartenhäuser, Bäume und Büsche. Ein Gang durch die Siedlung zeigt, dass auch zwischen den Wohngebäuden immer wieder kleine Plätze als Grünflächen freigelassen wurden, die später, wie auch die Häuser selbst, dem Wandel der zeit gemäß umgestaltet wurden.

Häuser und Grünfläche in der Eisenbahnersiedlung Foto: Beatrice Ehrlich

„Gartenstadt unten“ werde diese Gegend auch genannt, sagt Gleßner, im Gegensatz zur weiter nördlich, aber ebenfalls westlich der Bahnlinie gelegenen „Gartenstadt oben“, einer Wohnsiedlung für die höheren Bahnbeamten. Von hohen Bäumen beschattet, liegt links neben der Straße der Spielplatz „Im Rad“. Das Gelände gehört der Bahn, darf aber einer alten Abmachung zufolge von der Gemeinde genutzt werden. Im Zuge des Baus der ICE-Behandlungsanlage müsste der Spielplatz umziehen. Die Stadt Weil am Rhein fordert von der Bahn dafür ein Ersatzgrundstück.

Hinter der Eisenbahnersiedlung wurden in den 50er-Jahren weitere Mehrfamilienhäuser gebaut, die heute im Besitz des Wohnungsunternehmens Vonovia (früher deutsche Annington) sind. Dabei handelt es sich um Mietwohnungen, führt Gleßner aus. Ihr Umfeld wirkt bei weitem nicht so gepflegt wie in der benachbarten „Kolonie“. Auf Plätzen, die zum Aufenthalt für die Bewohner gedacht waren, stehen Autos. Dies liege wohl daran, dass sich die Bewohner, viele darunter erst in den vergangenen Jahren zugezogen, nicht im gleichen Maße mit ihrem Quartier identifizieren, vermutet der Ortsvorsteher. Über die Behelfsbrücke, den Haltinger Steg und hinter dem Städtischen Kindergarten das „Dorfwegli“ entlang, geht es am Ende des Ortsrundgangs an der Feuerwehr zurück zur Ortsverwaltung.

Umfrage

Bargeld

Die FDP fordert Änderungen beim Bürgergeld. Unter anderem verlangt sie schärfere Sanktionen. Was halten Sie davon?

Ergebnis anzeigen
loading