^ Weil am Rhein: Zwischen Fluch und Segen - Weil am Rhein - Verlagshaus Jaumann

Weil am Rhein Zwischen Fluch und Segen

Gabriele Hauger

Ausstellung: Hoch aktuell ist die Schau „Plastik. Die Welt neu denken“ im Vitra Design Museum

Von Gabriele Hauger

Weil am Rhein. Aktueller geht es nicht! Am Eröffnungstag der Ausstellung „Plastik. Die Welt neu denken“ im Vitra Design Museum demonstrieren die Kids von Fridays for Future für Umweltschutz. In unseren Mülleimern stapeln sich derweil Folien und Testkits. Und gleichzeitig jagt Putin die Preise fürs Öl, Grundlage aller synthetischen Stoffe, in ungeahnte Höhen. Das Thema Plastik bewegt uns.

Einst galt der revolutionäre Stoff als modern, hipp und innovativ. Mittlerweile hat er einen schlechten Ruf: Im Meer treiben Müllteppiche, Mikroplastik verdirbt unsere Nahrung. Zeit, dieses Thema in eine Ausstellung zu fassen.

Entwicklungsgeschichte

Das Material, dessen Entwicklung Mitte des 19. Jahrhunderts begann, wird im Museum nicht verteufelt, sondern seine Vielschichtigkeit und seine Bedeutung wird herausgearbeitet. Die ambitionierte Schau entstand in internationaler Zusammenarbeit mit V&A Dundee und Maat, spannte Museen und Designer weltweit zusammen und wandert im Anschluss nach Schottland und Lissabon.

Neben Entwicklungsgeschichte, vielfältigen Beispielen, Erläuterung von Problematik und Nutzen schaut die Ausstellung in die Zukunft und präsentiert verblüffende, innovative Lösungsansätze, Plastik zu ersetzten.

Ungemein sinnlich startet die Schau mit einer großformatigen Filminstallation. Wir sehen unseren einzigartigen Planeten. Zeitlose Szenen menschenloser, grandioser Natur unterlegt von Richard Strauß’ Walzermelodie: ästhetische Vulkanausbrüche, Gesteinsformationen, Berge, Gletscher, klares Wasser – eine Entwicklung der Natur in Milliarden von Jahren.

Dann wechselt die Szenerie. Flackernde Ölbohrtürme, Bohrinseln pumpen das schwarze Gold im Dreivierteltakt. Fließbänder spucken Plastikteile aus, ein Müllfahrzeug dreht sich zum Walzer und versinkt in gelben Säcken. Die Ironie zwischen Botschaft und Musik ist unverkennbar. Und dennoch: Die Installation hinterlässt beim Betrachter die fassungslos machende Erkenntnis, was der Mensch in kurzer Zeit aus der Erde gemacht hat.

Erste Versuche

Der erste Raum widmet sich den ambitionierten ersten Versuchen von Wissenschaftlern, Kunststoffe herzustellen – ganz im Dienste der Menschen und auch, um teure, seltene Stoffe zu ersetzen. In Vitrinen sieht man natürliche Vorläufer des Plastiks, beispielsweise aus Tierblut oder pflanzlichen Stoffen für Trinkgefäße oder Dekorationsobjekte.

1860 wurde das Zelluloid erfunden auf der Suche nach einem neuen Material für Billardkugeln, die bis dahin aus Elfenbein hergestellt wurden. Der erste vollsynthetische Kunststoff war 1907 Bakelit, verwendet für Lichtschalter oder Radios, ein Material der scheinbar unbegrenzten Möglichkeiten, ein Eldorado für Tüftler und Forscher.

Der zweite Raum, ganz in Schwarz gehalten, läutet die Petro-Moderne ein. Seit den 1920er Jahren stieg die Industrie ein und entwickelte das Material weiter. Im Krieg wurde Plastik für Flugzeugcockpits benutzt, Nylon für Fallschirme – und Strümpfe.

Und in den 50er Jahren feierte die moderne Gesellschaft das praktische Plastik: Tupperware oder Wegwerfgeschirr wurden als begeisternde Errungenschaften gesehen, die Reinigung und Haushalt erleichterten. Die Plastiktüte wird zum Synonym für eine nie dagewesene Wegwerfmentalität.

Herausforderung

Spätestens mit der Ölkrise kamen kritische Stimmen auf. Die dramatischen Bilder von den Folgen des exzessiven Plastikkonsums haben sich in unser kollektives Bewusstsein eingebrannt. Und so ist der wohl spannendste Raum mit Laborcharakter im Obergeschoss den teils praktischen, teils noch tüftlerischen, vielfach verblüffenden Ideen junger Designer und Entwickler gewidmet.

Sie ersetzen Plastik durch nachwachsende Stoffe, Algen und natürlich durch Recycling wie ein Modell des Projekts „Flipflopi“ zeigt, ein Schiff komplett aus recyceltem Kunststoff. Weitere Ideen junger Designer finden sich in der Gallery neben dem Museum, wo Grafiken und Filme informieren und eine Mülltrenn-Station den Besucher fordert.

Die Ausstellung zeigt: Handeln ist gefordert. Dabei werden komplexe Zusammenhänge verdeutlicht. Und es wird eine Menschheitsfrage gestellt: Wie können wir Kunststoffe intelligenter und nachhaltiger nutzen? Eine Frage, von deren Beantwortung unsere Zukunft abhängt.  Zu sehen  bis 4. September

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