Wieden Westweg sorgt für viele Konflikte

Gerald Nill
Nagelneuer Stacheldraht mit Haarbüscheln am Westweg auf der Gemarkungsgrenze von Wieden und Münstertal. Die Wegführung sorgte im Oberen Wiesental in den vergangenen Jahren immer wieder für Konflikte. Foto: /Gerald Nill

Er gilt als beliebtester Wanderweg im Schwarzwald. Auf der Königsetappe des Westwegs zwischen Feldberg und Belchen wartet allerdings ein wahrer Schandfleck auf die Wanderer: Stacheldraht, Palisaden und Wurzelwerk. Doch warum eigentlich?

Wiedens Noch-Bürgermeisterin Annette Franz rollt mit den Augen, wenn sie auf das Thema Westweg angesprochen wird. Die Konflikte bei einer geeigneten Wegführung im Bereich Oberer Itzenwald, rund einen Kilometer vor dem Wiedener Eck, beschäftigte sie die gesamte achtjährige Amtszeit. Nur zu gut sind ihr die Konflikte auf dem Grenzweg in rund 1100 Höhenmetern über Meereshöhe zwischen Wieden und Münstertal bekannt. Dort, wo die Weite schier grenzenlos ist.

Zwischen Zäunen gepfercht

Wo der Wanderer auf der einen Seite Richtung Süden bei schönem Wetter bis zu den schneebedeckten Gipfeln der Schweizer Alpen blicken kann und die Sicht auf der anderen Seite über den Oberrheingraben bis in die Vogesen reicht, wird er auf einen schmalen Streifen zwischen zwei Zäunen gepfercht. Dabei besteht die obere Litze des Zaunes aus Stacheldraht. Wer hier nicht Acht gibt, landet in dem gefährlichen Zaun, hinter dem drei Pferde stehen. Vor etwa drei Jahren sei genau das passiert, weiß Annette Franz zu berichten. Eine Radfahrerin sei bei einem Sturz in dem Stacheldraht gelandet und habe sich am Arm verletzt. Sie fasst sich an den Hals und sagt: „Es hätte noch schlimmer kommen können.“

Dafür steht der Westweg eigentlich: großartige Landschaftsbilder wie hier der Weitblick vom Belchensteig über Münstertal und Oberrheingraben zu den Vogesen. /Gerlad Nill

Die Frage, ob Stacheldraht überhaupt zulässig ist, kann die Bürgermeisterin nicht beantworten. Laut Tierschutzgesetz ist Stacheldraht auf einer Pferdeweide aufgrund der erheblichen Verletzungsgefahr für die Vierbeiner jedenfalls nicht zulässig.

Leichte Verbesserung

Franz scheint froh, dass im Bereich der Böden, vom Feldberg kommend, zumindest eine leichte Verbesserung erzielt wurde. „In der Vergangenheit war der Weg zwischen zwei Zäunen nicht mal einen Meter breit. Wanderer mit Rucksack kamen kaum aneinander vorbei.“ Jetzt seien die Zäune immerhin zwei Meter auseinander. „Heftige Auseinandersetzungen mit dem Landwirt“ seien vorausgegangen. Wie konfliktreich der Stacheldraht sei, zeige, dass der Draht immer mal wieder von Unbekannten durchgeschnitten worden sei. Radfahrer werden nun schon zuvor auf einer anderen Trasse auf Wiedener Gemarkung abgeleitet. „Den Landwirt haben die Radfahrer unheimlich gestört“, erzählt sie. Es habe unzählige Treffen mit den Münstertaler Kollegen gegeben, wie man die Situation am Oberen Itzenwald verbessern könnte.

Veto des Präsidiums

Für die Gemeinde Münstertal bestätigt Hauptamtsleiter Heiko Riesterer: „Mit diesem Thema beschäftigen wir uns schon länger.“ Annette Franz: „Wir haben auch den Vorschlag gemacht, den Weg über Wiedener Mähflächen zu führen.“ Das sei aber am Veto des Regierungspräsidiums gescheitert, da es sich um ein Fauna-Flora-Habitat mit schützenswertem Borstgras handelt.

Diese Sichtweise bestätigt auch das Landratsamt Lörrach: „Der Schwarzwaldverein und die Gemeinde Wieden kamen mit einer Nachfrage zur Verlegung des Westwegs auf Höhe Wiedener Eck auf einem Biotop im Naturschutzgebiet ,Wiedener Weidberge’ und dem FFH-Gebiet ,Belchen’ auf die Untere Naturschutzbehörde (UNB) im Landkreis Lörrach zu“, berichtet Sprecher Torben Pahl. „Zwei Landwirte waren mit dem damals aktuellen Wegeverlauf unzufrieden, da Wanderer und Radfahrer ihren Höfen sehr nahe kommen und vermehrt Konflikte auftreten.“

Nach Alternativen gesucht

Bei einem Vor-Ort-Termin im Dezember 2020 mit Vertretern des Schwarzwaldvereins, der Gemeinde Wieden sowie der Höheren Naturschutzbehörde (HNB) und UNB wurden verschiedene alternative Wegverläufe begutachtet. „Auf einen neuen, für alle Beteiligten zufriedenstellenden und rechtlich vertretbaren Wegverlauf konnte sich jedoch nicht geeinigt werden“, fasst Pahl zusammen. Im Anschluss wurde der UNB ein Plan eines Wegverlaufs auf Borstgrasrasen zugesendet, der bereits vor Ort durch die UNB und die HNB als Tabufläche kommuniziert wurde.

Palisaden aufgebaut

In jüngster Vergangenheit scheint der Grundbesitzer den Gästen buchstäblich Knüppel in die Beine zu legen. „Neue Wegführung“ signalisiert der Schwarzwaldverein. Wo man früher hinter dem Hof erleichtert aus dem Zaun-Korridor in die Weite der Weiden kam, sind jetzt Palisaden aufgebaut und das berühmte Wegzeichen der roten Raute steckt am Waldrand, wo eigentlich gar kein Weg herführt – wo man kaum einen Fuß neben den anderen setzen kann. Denn mindestens 15 Zentimeter hohes Wurzelwerk macht ein normales Gehen unmöglich.

Laufende Änderungen der Westweg-Führung nahe dem Wiedener Eck: Doch die Strecke ist dadurch für die vielen Wanderer nicht besser geworden. Foto: Gerald Nill/Gerald Nill

Ist das wirklich noch der Westweg? Jener Klassiker, der 123 Jahre alt ist. Jener Premiumweg, dessen Film jüngst Kinosäle gefüllt hat – der ganze Stolz des Schwarzwaldvereins?

Naturschutz lehnt ab

Für den Schwarzwaldverein beschreibt Wegereferent Patrick Schenk die Situation: Zu berücksichtigen sei „die ganz und gar nicht einfache Situation von Weide, Wald und Bereichen im Naturschutzgebiet, die eine Streckenverlegung sehr erschwert.“ Das Problem seien die Belange des Naturschutzes: „Gerade das Stück durch und entlang des Waldes sollte durch eine neue Wegführung auf der jenseitigen Wiedener Bergseite ersetzt werden. Die Naturschutzverwaltung konnte der gewünschten Wegführung aber nicht zustimmen.“

Ein Schandfleck: Pallisaden und Wurzel-Geläuf nahe Wieden. /Gerald Nill

Also muss der Fernwanderweg, der nach Angaben des Schwarzwaldvereins noch immer Touristen aus ganz Europa anzieht, weiter in Sichtweite zu dem besagten landwirtschaftlichen Anwesen vorbeigeleitet werden. Dass der Westweg mit diversen Auszeichnungen noch immer Scharen von Naturfreunden anzieht, zeigen nicht zuletzt die zahllosen Papiertaschentücher, die links und rechts am Wegesrand liegen.

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