Wittlingen Von der Scheurebe bis zum Rotling

Alexandra Günzschel

Unternehmen: Das Weingut Ernst ist ein noch junger Familienbetrieb / Ökologische Umstellung eingeleitet

„Jetzt kann das Wetter machen, was es will.“ Dominik Ernst fällt jedes Jahr ein Stein vom Herzen, sobald die letzte Traube geerntet ist. Denn die Sommermonate sind stets begleitet vom bangenden Blick gen Himmel oder auf die Wetterprognosen. Der junge Mann, den das Magazin „Selection“ 2020 zum besten Jungwinzer Badens gekürt hat, ist im elterlichen Betrieb für den Ausbau der Weine zuständig.

Von Alexandra Günzschel

Wittlingen. Das Weingut Ernst in Wittlingen ist noch nicht sehr alt. Im kommenden Jahr wird der Familienbetrieb den 30. Geburtstag feiern. Mit der Gründung des Weinguts hat sich Dominiks Vater, der gelernte Winzermeister Markus Ernst, im Jahr 1993 einen Traum erfüllt. Mit einem gepachteten Rebhang in Welmlingen fing alles an.

Im Wittlinger Wohnhaus der Eltern nutzten Dominik und seine Schwester Nathalie seinerzeit noch die Kinderschaukel – dort, wo jetzt der Weinkeller steht. Denn nach fünf Jahren wurde der Betrieb nach Wittlingen verlagert.

Dominik wuchs sozusagen in seinen Beruf hinein. Schon früh war er bei der Lese dabei, „dem Höhepunkt des Jahres“, wie er sagt. Und während seine Schwester heute als Hebamme arbeitet, entschied er sich für eine Ausbildung zum Winzer.

Verfeinert hat Dominik Ernst sein Wissen über den Weinanbau durch ein Studium der Önologie in Geisenheim. Mehr über den exklusiven Ausbau von Gutedel, den Markgräfler Hauswein, lernte er auf einem Weingut am Genfer See.

Als der Jungwinzer vor sechs Jahren zum elterlichen Betrieb zurückkehrte, überließ ihm der Vater bereitwillig den Ausbau der Weine. Seither führen die beiden den Betrieb gemeinsam. Dabei können sie auch auf die Hilfe ihrer Frauen zählen. Regina Ernst hat das Weingut mit aufgebaut und leitet die Weinstube, während Ellen Ernst nach und nach mehr Aufgaben übernimmt, die Weine etwa auf Messen präsentiert. Aber auch auf die Hilfe der Familie von Schwester Nathalie aus Wollbach ist stets Verlass.

Gemeinsam fiel vergangenes Jahr auch die Entscheidung, den Anbau der Reben und den Ausbau der Weine nach ökologischen Gesichtspunkten zu betreiben. Das bedeutet, dass der Zertifizierungsprozess für spätere Bio-Weine angestoßen ist.

„Ich denke, das ist der richtige Weg für die Zukunft“, sagt der Jungwinzer, sowohl aus Umweltgesichtspunkten als auch um Erfahrungen zu sammeln, da der Einsatz von Pflanzenschutzmitteln ohnehin immer stärker eingeschränkt werde.

Ein leichtes Jahr für den Einstieg in den ökologischen Weinanbau war das verregnete 2021 freilich nicht, wie Ernst auf Nachfrage bestätigt. So waren nicht nur die Pflanzenschutzmittel andere, oft konnten sie wegen dem vielen Regen und der schlammigen Wege erst gar nicht ausgebracht werden. Das Ergebnis war ein von der Menge her unterdurchschnittliches Jahr.

Dennoch zweifeln Vater und Sohn nicht daran, den richtigen Weg eingeschlagen zu haben. Auf diese Art könne man sich auch von Großbetrieben abheben, sagen sie. Und die Kunden würden nachhaltig angebaute Lebensmittel nachfragen. Um unabhängiger von Pflanzenschutzmitteln zu werden, experimentiert der Wittlinger Betrieb wie viele andere auch mit resistenteren Sorten.

Die Corona-Pandemie hat das Geschäft mit dem Wein nicht leichter gemacht. Nur ein einziges Mal, bei der Gartenmesse in Beuggen, konnte sich das Weingut in der ganzen Zeit öffentlich präsentieren. Ärgerlich war das auch deshalb, weil viel Planungsarbeit aufgrund von kurzfristigen Absagen umsonst angefallen ist.

Stammkunden halfen durch die schwierige Zeit

Doch immerhin: Auf ihre Stammkunden konnte sich das Weingut verlassen. Sie kamen auch noch, wenn Getränkehändler und Restaurants Bestellungen absagen oder reduzieren mussten.

Vielleicht liegt das zum Teil an den ungewöhnlichen Weinen im Sortiment. So baut das Weingut beispielsweise die Scheurebe an – eine Kreuzung aus Riesling und der Bukettrebe. „Die haben wir gemeinsam auf einem Weinfest in Oberrottweil entdeckt“, erklären Vater und Sohn. Sie sprechen von einer sehr aromatischen Sorte mit Cassis-Note, die in anderen Gegenden getrunken werde „wie bei uns der Gutedel“.

Mit dem „Mußler“ indes besinnt sich das Weingut auf eine alte Wollbacher Tradition. Der „Rotling“, eine Cuvée aus roten und weißen Trauben, ist jenem „Mußler“ nachempfunden, den die Wollbacher einer Ortschronik zufolge zu Beginn des vorherigen Jahrhunderts viel getrunken haben müssen, wobei „mußlig“ für „nicht ganz klar und schillernd“ steht. Viel mehr ließ sich über das beliebte Getränk nicht in Erfahrung bringen. Das Weingut Ernst hat ihn als leichten Sommerwein wieder auferstehen lassen.

„Neues auszuprobieren, das macht auch den Reiz aus“, sagen die Winzer. Wichtig sei aber auch eine funktionierende Basis. „Denn wenn es den Kunden nicht schmeckt, fängt man von vorne an.“ Einmal im Jahr so viel wie möglich richtig zu machen, damit der Betrieb nicht leidet, das sei schon eine wahnsinnig große Verantwortung, sagt der junge Kellermeister.

Neben den Weinen, von denen einige beachtliche Auszeichnungen erhalten haben, bietet das Weingut Brände an, auch solche mit denen Abfälle wie Trester und Hefe veredelt werden.

Die 4,5 Hektar Rebfläche des Weinguts befinden sich größtenteils auf Wollbacher Gemarkung.

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