Schopfheim „Das ist ein Schlag ins Gesicht“

Markgräfler Tagblatt

Corona: Wirte hadern mit der vierwöchigen Zwangspause : „Ungerecht“ und „verheerend“

Schock. Trauer. Kopfschütteln: Die jüngsten Corona-Beschlüsse von Bund und Ländern treffen die Wirte der Markgrafenstadt ins Mark. Dass sie ab kommenden Montag schon zum zweiten Mal ihre Lokale schließen müssen, können die Gastronomen nur mit vernehmbaren Zähneknirschen akzeptieren.

Von Werner Müller

Schopfheim . „Das ist ein Schlag ins Gesicht“, macht Martin Hauri von der „Krone“ in Wiechs aus seiner Enttäuschung keinen Hehl. Die Branche habe gerade eben den ersten Lockdown im Frühjahr überstanden, die Betriebe hätten allesamt in Schutzmaßnahmen investiert – und müssen jetzt schon wieder dicht machen. Dabei sei die Gastronomie erwiesenermaßen nicht schuld an den steigenden Infektionszahlen. „Das ist ungerecht“, so Hauri. Die Schließung sei umso schmerzhafter, als die vier Novemberwochen mit zur Hauptsaison vor Weihnachten zählen. Dass Geschäftskunden in seinem Hotel übernachten dürfen, ist für Hauri nur ein schwacher Trost. Dies erfordere einen „Riesenaufwand“, weil die Gäste beispielsweise das Essen nur auf ihren Zimmern zu sich nehmen dürfen. „Wir müssen alles umstellen“, so Hauri.

Hinter die versprochenen Ausgleichszahlungen der Regierung (75 Prozent des Umsatzes aus dem November des Vorjahres) macht der „Krone“-Wirt ein Fragezeichen, seien viele Fragen dazu doch noch ungeklärt. „Wahrscheinlich kriegen wir, so wie beim ersten Mal. wieder nichts“. Er wird deshalb im November wieder Essen zum Mitnehmen anbieten. Das ergebe zwar keinen „Riesenumsatz“, stoße bei den Kunden und im Dorf insgesamt aber auf gute Resonanz.

Auch Hans Glöggler sieht die versprochene Staatshilfe eher skeptisch. Diese sei grundsätzlich zwar in Ordnung. „Aber vieles ist noch unklar“, meint der Wirtesprecher. Grundsätzlich sei es „schade“, dass der Corona-Hammer wieder die Gastronomie trifft, die doch alles getan habe, um die Verbreitung des Virus zu unterbinden. Er selbst habe beispielsweise zwei Luftreiniger angeschafft und zwischen den Tischen Trennwände installiert. „Wir haben die besten Voraussetzungen, dass nix passiert“, so Glöggler auch im Namen seiner Kollegen. Er selber will auf jeden Fall sein Angebot, Essen zum Abholen, beibehalten.

„Ich bin geschockt“, gesteht Gerhard Bechtel. Der Wirt der „Sonne“ kann die jüngsten Beschlüsse kaum fassen. Wie seine Kollegen verweist er darauf, dass die Gasthäuser alle einschlägigen Corona-Vorgaben „mit großem Aufwand“ in die Tat umsetzten. „Ich habe die ganze Bude voller Desinfektionsmittel“, ärgert sich Bechtel, „und jetzt heißt es April, April“. In Supermärkten und Möbelhäusern könnten Tausende Leute einkaufen, die Wirtschaften indes müssten schließen. „Alle haben offen, nur wir haben zu“, so Bechtel.

Auf der anderen Seite räumt der Gastronom ein, dass Maßnahmen zur Eindämmung des Virus notwendig sind. „Wenn das alles was nützt, dann ist es okay“. Der „Sonnen“-Wirt plant, die Zwangspause mit Essen zum Abholen zu überbrücken, zwei Wochen lang zumindest.

„Vor den Kopf gestoßen“ fühlt sich derweil sein Kollege Jörg Buchleither. Der „Adler“-Wirt findet die angeordnete Schließung von Gaststätten „einfach ungerecht“. Er habe wie alle Kollegen viel Geld in Hygienemaßnahmen gesteckt. Die Gastronomie sei ganz gewiss nicht der Verursacher der steigenden Corona-Zahlen. Große Hoffnungen auf die vom Staat versprochene Hilfe setzt er nicht, dafür sei derzeit noch vieles zu ungewiss. Dass er in seinem Hotel immerhin noch Geschäftskunden beherbergen darf, besänftigt ihn kaum. „Ich möchte doch auch meine anderen Stammkunden nicht verlieren“, so Buchleither. Zudem habe der Anteil der Geschäftsreisenden seit Beginn der Pandemie ohnehin schon stark abgenommen.

Gleichwohl sieht auch er ein, dass seine Branche beim Kampf gegen Covid-19 mitziehen muss. „Ich hoffe jetzt nur, dass die finanzielle Unterstützung klappt und dass es nach den vier Wochen klare Regelungen gibt“. Jörg Buchleither beschleicht allerdings der Verdacht, dass dieser zweite Lockdown nicht der letzte gewesen sein könnte. „Wenn das Medikament einmal wirkt, setzt man es wieder ein“, so seine Befürchtung.

Als „verheerend“ für die Branche bezeichnet Tesfaldet Reda die angeordnete Zwangspause. Das Gastgewerbe habe sich dank einer guten Sommersaison vom ersten Lockdown gerade erst ein bisschen erholt und sei auf dem besten Wege gewesen, in diesem Jahr „einigermaßen über die Runden zu kommen.“ Und jetzt das. „Die vier Wochen treffen uns hart“, sagte Reda und befürchtet, dass etliche Betriebe die zweite Schließung nicht überstehen werden.

Natürlich habe das Gewerbe auch Verantwortung zu übernehmen und dabei zu helfen, Corona einzudämmen. Ob die jetzigen Verordnungen aber ausreichen, um die Zahl der Kontakte tatsächlich zu senken, sei doch sehr die Frage. Unabhängig davon würde sich Tesfaldet Reda freuen, wenn die zugesagte Staatshilfe funktioniert – auch wenn die Zuschüsse beim ersten Lockdown in seinen Augen nicht mehr waren als der berühmte „Tropfen auf den heißen Stein.“

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